Nazis rufen „Nazis raus!“ – Die faschistische Verdrehung der Wahrheit

Der Schriftsteller Akif Pirinçci hat in seiner PEGIDA-Rede am 19. Oktober 2015 gemutmaßt, deutsche Politiker hätten den Wunsch, patriotische Deutsche in Konzentrationslagern zu internieren. Viele Medien gaben seine Äußerungen sinnentstellend verkürzt so wieder, als hätte er gefordert, die Konzentrationslager – etwa für Flüchtlinge – wieder zu öffnen. Diese Falschdarstellung wurde inzwischen zurecht kritisiert. Aber natürlich hatte der Autor Pirinçci dieses Missverständnis einkalkuliert und die beim Wort „KZ“ grölenden Nazis im Publikum verstanden ihn wohl doch nicht ganz falsch. Interessanter ist aber die Frage: Was steckt hinter dieser Taktik der neuen Rechten, ihre Gegner als Nazis zu denunzieren? Wieso bezeichnete Pirinçci deutsche Politiker als „Gauleiter gegen das eigene Volk“? Wieso setzt Lutz Bachmann den Bundesjustizminister Heiko Maas mit dem nationalsozialistischen Propagandaminister Joseph Goebbels gleich? Wieso wird von Nazis in letzter Zeit so häufig „Nazis raus!“ in Richtung der Gegendemonstranten skandiert?

Es ist nichts Neues, dass radikale Rechte sich Taktiken und Symbole von radikalen Linken aneignen. Die deutschen Rechten verfügten über keine eigene rebellische Tradition, sie waren immer brav und gehorsam, als mit der Novemberrevolution 1918/1919 plötzlich die Demokratie über sie hereinbrach. Nun mussten sie revolutionär werden, wussten aber nicht, wie das geht. Also stahlen sie die Formen der linken Opposition und prägten sie zum nationalen Widerstand um. Nichts anderes passiert heute wieder. Die „autonomen Nationalisten“ tragen Schwarz, wickeln sich Palästinensertücher um den Nacken und reden vom Widerstand gegen den Kapitalismus, wenn sie ans Totschlagen der Juden denken. Auch die neofaschistische Bewegung PEGIDA hat inzwischen viele Strategien der Linken gestohlen und pervertiert: Die Montagsdemonstrationen 1989/90 richteten sich gegen eine Diktatur, nun richten sie sich gegen die Demokratie. Die Sitzblockaden, die früher in Dresden gegen Naziaufmärsche zum 13. Februar stattfanden, werden jetzt von besorgten Bürgern vor geplanten Flüchtlingsheimen nachgespielt. Die Lichterketten gegen Rassismus werden zu patriotischen Menschenketten, die als „lebende Grenze“ Deutschland symbolisch abschotten.

Zu dieser wohlbekannten Taktik der Enteignung gehört die Taktik der Umkehrung der Wahrheit. Auch sie ist nicht neu. Wenn Rechte ihre Gegner als „anti-deutsche Rassisten“, als „Linksfaschisten“ oder gleich als „Nazis“ verunglimpfen, dann verfolgen sie damit zwei Ziele. Zum einen sollen die Begriffe entwertet werden. Dies ist schon einigermaßen gelungen. „Rassist“, „Faschist“ und „Nazi“ sind heute bereits Allerweltsbeleidigungen, die jeder gegen jeden gebraucht, sodass die wirklichen Rassisten, Faschisten und Nazis sich um solche Vorwürfe kaum mehr kümmern müssen. Es dauert gewiss nicht mehr lange, bis die ersten Demonstranten bei PEGIDA Transparente mit Aufschriften wie „Rassist und Spaß dabei“ oder „Nazi? Na und?“ zeigen werden. Die Umwertung der Begriffe macht jedenfalls atemberaubende Fortschritte: Als „Nazi-Keule“ gilt heute schon nicht mehr der Baseballschläger in der Hand eines Rechtsextremisten, sondern die antifaschistische Kritik am Nationalsozialismus der Gegenwart.

Aber die Pervertierung der Wahrheit hat noch einen zweiten Zweck. Damit er guten Gewissens prügeln und morden kann, muss der Faschist, der doch auch immer weinerlicher Spießbürger bleibt, sich selbst zum Opfer und seine Opfer zu Tätern machen. Der Angriff muss zur Selbstverteidigung stilisiert werden. Dies gelingt durch die Verdrehung der Tatsachen: Der Bedroher wird zum Bedrohten, die Bedrohten zur Bedrohung. Gibt es hierfür auch historische Beispiele? Es gibt sie. Und wir nennen sie in der fröhlichen Zuversicht, in Bälde den Ruf „Nazi-Keule!“ aus dem Mund von Nazis erschallen zu hören.

Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.

Mit diesem Worten kündigte Adolf Hitler in einer Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1939 den Völkermord an den europäischen Juden an. Bemerkenswert ist auch hier die Verdrehung der Wahrheit, die Vertauschung von Täter und Opfer. In seiner infamen Lüge verriet Hitler doch zugleich auch die Wahrheit: Indem er vorgab, die Deutschen vor einer Vernichtung durch das Judentum schützen zu wollen, kündigte er die Vernichtung der Juden durch die Deutschen an. Ganz dementsprechend rechtfertigte Heinrich Himmler in seiner berüchtigten Posener Rede am 4.10.1943 die laufende Ermordung der Juden in den Vernichtungslagern:

Wir haben das moralische Recht, wir haben die Pflicht unserem Volk gegenüber, das zu tun, dieses Volk, das uns umbringen wollte, umzubringen.

Wenn die Faschisten von heute sich wieder durch Antifaschisten, Zuwanderer oder Muslime bedroht wähnen, so wissen wir, was das zu bedeuten hat. Wir sollten die neuen Faschisten stoppen, bevor aus der Verdrehung der Wahrheit in der Sprache wieder Terror in der Wirklichkeit wird.

***

Nachtrag – aus einem Bericht über die PEGIDA-Demonstration am 9. November 2015:

Nach dem „Montagsspaziergang“ sprach Tatjana Festerling auf dem Theaterplatz, die gescheiterte OB-Kandidatin der Pegidisten. Sie bezeichnete Linke und Vertreter der Antifa als Nazis und heimste Beifall ein, als sie ihnen angesichts des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht einen Hitlerkult vorwarf und riet, eine Therapie zu machen. „Ihr baut den faschistischen Terror wieder von vorne auf“, warf Festerling ihnen vor. „Wir wollen euren kranken, faschistischen Nazigesinnungsterror nicht mehr“. (DNN)

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Kommentare
  1. Yvonne Maaßen

    Danke für die Darstellung der Zusammenhänge. Die Sprachverwirrung ist in der Tat weit fortgeschritten. Es hilft nur noch Tun aus meiner Sicht. Handeln für Flüchtlinge und ein deutliches „Nein“ gegenüber den Recht, nämlich Demonstrieren und stören und : Wählen gehen!

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    • Michael Bittner

      Nö. Warum sollte man eine Strategie nicht pervertieren, also verdrehen und verfälschen können? Kommen Sie, bleiben Sie doch besser bei dem, was Sie gut können: Wirre Endloskommentare schreiben aus purer Lust am Widerspruch. Sich hingegen als einer, der keinen fehlerfreien Satz schreiben kann, zum Stilwächter aufwerfen – das ist bloß noch lächerlich.

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      • gastkommentaro

        recht haben sie. meine taktische kompetenzenvortäuschungskompenz sollte ich niemals mit meinen strategien verwechseln. die othoghraphischen und grammatikalischen schwächen muss ich bei meinen strategischen planungen berücksichtigen, um mein ziel „widerspruchslustbefriedigung“ erreichen zu können. in letzter zeit bin ich häufig verwirrt, weil ich meine ziele, strategien und taktiken nicht mehr trennscharf unterscheiden kann. aber wenigstens bei meinem ziel konnte mir ihr beitrag behilflich sein. es war ein großer fehler und ich schäme mich. schon mein deutschlehrer reagierte außerordentlich unfreundlich, als ich einen fehler an der tafel erkannte und bemängelte. wie konnte ich mich nur erdreisten. er hatte vorher tausende „texteigenheiten“ in meinen klassenarbeiten rot markiert. außerdem wahr der gefundene fehler putativ. geschichte widerholt sich doch.

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  2. Adrian

    Gib dem braunen Haufen doch nicht auch noch so tolle Plakat Ideen! Ansonsten habe ich natürlich mal wieder nichts deinem Texte auszusetzen, finde Ihn im Gegenteil mal wieder sehr treffend.

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      • Adrian

        haha ok, den Spaß würde ich dir gerne gönnen.

        Leider wäre es in Sachsen ein aussichtsloser Versuch, da kommt ja kein Beamter auch nur auf die Idee die Personalien von Pegidisten und Rassisten festzustellen. Da werden bei Pegida ja noch nichtmal Versammlungsauflagen kontrolliert/durchgesetzt.

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        • Michael Bittner

          Ja, außerdem müsste man hoffen, von einem sächsischen Richter gegen PEGIDA Recht zugesprochen zu bekommen. Also leider doch aussichtslose Sache.

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          • Tobias

            Interessanter Kommentar eines gebürtigen Sachsen, der es eigentlich besser wissen sollte. Aufgrund der Existenz von Pegida auf ein ganzes Bundesland zu schließen, und dann noch anzunehmen, dass Polzei/Gericht pro rechts sind … Das stell ich jetzt mal auf eine Stufe mit dem Gewäsch von Bachmann.

            Warum nicht mal kritisch mit den wirklichen Problemen auseinander setzen, statt immer über diesen Pegida Unfug zu philsophieren. Hier wird gefühlt täglich überall in Medien über Pegida berichtet, dass kann doch keiner mehr hören.

          • Michael Bittner

            Erkundigen Sie sich doch bitte mal, ob Ihre Krankenkasse nicht eine Therapie gegen Humorlosigkeit bezahlt. Mit ein bisschen Sinn für Ironie hätten Sie bemerkt, dass die von Ihnen beanstandene Unterhaltung einen gewissen Unernst aufwies. Anders lassen sich die sächsischen Verhältnisse nämlich leider kaum mehr ertragen.

          • Tobias

            „Anders lassen sich die sächsischen Verhältnisse nämlich leider kaum mehr ertragen.“

            Wenn Sie diesen Satz weggelassen hätten, dann könnte ich Ihnen das vielleicht auch abgekauft, aber so…. Naja, pures Bashing, ohne Objektivität, vielleicht sollten Sie dann auch ihre Aktivitäten in Sachsen einstellen, ist ja nicht zum aushalten da ;-)

            Aber zum Geld verdienen ist es ja gut genug ;-)

    • Michael Bittner

      Links und rechts sind immer problematische Vereinfachungen, das ist klar. Sagen wir mal so:

      Die Solidarität mit den Palästinensern ist ein traditionelles Anliegen vieler Menschen, die sich selbst für „links“ halten. Dass dahinter oft ein höchst problematischer „Antizionismus“ steckt, der in gefährlicher Nähe zum Antisemitismus steht, ist allerdings auch offensichtlich.

      Bei den Montagsdemonstrationen 1989/90 waren auch viele unorthodoxe Linke dabei, die sich einen demokratischen Sozialismus wünschten. Ihre Hoffnung blieb unerfüllt. Insofern sich diese Demonstrationen gegen eine Diktatur richteten, kann man sie doch wohl wenigstens teilweise als links einordnen. Aber das ist doch alles ein eher müßiger Streit um Worte.

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  3. Rico

    Nicht zu vergessen, dass mit dem Wort Nazi und dem ganzen Drittes-Reich-Drumherum Presseaufmerksamkeit garantiert ist. Wie eigentlich immer beim Ausloten und Verschieben von Tabugrenzen. Pegida ist trotz der geringen Anzahl von Sympathisanten vor allem ein Medienliebling, Pegida Plakate und Reden erreichen ein bundesweites Publikum, leider.

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    • Michael Bittner

      Das stimmt sicher. Man sollte auf Bachmanns billige Provokationen nicht immer so reflexhaft entrüstet reagieren, sondern lieber mal mit Spott und Verachtung. Aber Ignorieren ist auch keine mögliche oder wünschenswerte Lösung, zumal PEGIDA dann wieder jammern würde, die Bewegung solle „totgeschwiegen“, die demonstrierenden Bürger „mundtot“ gemacht werden.

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  4. Deprifrei-Blog

    Am interessantesten finde ich die Frage warum sich Autoren wie Akif Pirinçci oder Hamed Abdel-Samad mit muslimischen Migrationshintergrund sich von den Rechten einlullen lassen. Haben sie einen Migrationshintergrund-Minderwertigkeitskomplex? Wollen sie am liebsten blonde Arrier werden?

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    • Hans Maulwurf

      Der Führer damals war auch nur ein Österreicher, der das Deutsche Volk benutzt hat. Wieso nicht mit muslimischen Migrationshintergrund einen Teil des Deutschen Volkes versuchen anzuführen.

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    • Selcuk

      In gewisser Weise geht es dabei auch um die Eindeutigkeit der eigenen Identität. Ich denke, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund nicht dauerhaft in einer transnationalen bzw. transkulturellen Lebenssituation verharren wollen, weil das oftmals eine Uneindeutigkeit mit sich bringt, die innerhalb eines abgeschlossenen Kulturverständnisses Irritationen auslöst. Das Ironische dabei ist, dass ein übertriebenes „Deutsch“-Sein-Wollen widerrum diesen Effekt verstärkt. Die Eindeutigkeit wird zur einer aufgesetzten Folie, die im Kontrast zur vermeintlichen kulturellen Norm steht. Aus diesem Grund werden Nazis, die „Nazis raus!“ rufen ebenfalls zu komischen Figuren, die dadurch irritieren und damit – je nachdem, wie sie sich in Szene setzen – entweder eine Angst oder eben ein Lachen evozieren können. Insofern ist Ihre auch spaßig formulierte Frage gar nicht so unerheblich. Sehr interessante Gedanken zu einem sehr interessanten Thema. Herr Bittner, vielen Dank für ihren Beitrag.

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    • Margret

      Warum Hamed Abdel-Samad auch? Er ist doch noch einmal deutlich anders einzuordnen als Pirinçci. Ich finde so ein „in den gleichen Topf“ werfen auch von linker Seite schlicht ungut.

      Dch denke, dass aus genau diesen Gründen das genannte „Zum einen sollen die Begriffe entwertet werden. Dies ist schon einigermaßen gelungen. „Rassist“, „Faschist“ und „Nazi“ sind heute bereits Allerweltsbeleidigungen, die jeder gegen jeden gebraucht, sodass die wirklichen Rassisten, Faschisten und Nazis sich um solche Vorwürfe kaum mehr kümmern müssen“ auch linken Gruppierungen anzulasten ist. Ich war eine Zeit lang recht aktiv bei „Anti-NPD-Infostand-Demos“ (zu Studizeiten) und mir fiel schon damals auf, dass von einigen Menschen dort die Wörter „Nazi“ und „faschistisch“ wirklich inflationär gebraucht wurden, für eigentlich jeden, der politisch nicht völlig „auf Linie“ war. Z. B. dann auch gegen die Grünen, die SPD – alles irgendwie „Nazis“ aus den abstrusesten Gründen (teils sogar, weil Personen mit irgendjemandem befreundet waren, der mal in der CDU war). Das nervte mich schon damals sehr, weil es einerseits die Wörter zum quasi „normalen Schimpfwort“ degradierte und andererseits es wirklich sehr negativ war, wenn wirklich jeder, der eine auch nur leicht abweichende Meinung äußerte, gleich als „faschistisch“ beleidigt wurde.

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      • Michael Bittner

        Ich meine auch, dass man legitime Religionskritik nicht mit quasirassistischem Islamhass in einen Topf werfen sollte. Wobei die Grenzen allerdings oft fließend sind, weshalb man durchaus manche Ansichten eines Autors akzeptieren, andere ablehnen darf. Das wäre auch mal ein Weg, aus dem stumpfen Freund-Feind-Denken auszubrechen.

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        • Margret

          „weshalb man durchaus manche Ansichten eines Autors akzeptieren, andere ablehnen darf.“

          Das sollte m. M. nach eine Selbstverständlichkeit sein. Ich gebe Ihnen aber recht, dass das real selten stattfindet und stattdessen nach einem einfachen „Freund-Feind“-Schema geurteilt wird.

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    • Margret

      Ergänzend: Gegen Hamed Abdel-Samad gab es ja nun auch ganz reale Mordaufrufe sogar im ägyptischen Fernsehen und durch einen Professor der Kairoer Universität. Er wird sich also nicht nur irgendwie diffus bedroht fühlen wie die Pegida-Anhänger. Ihn in einem Atemzug mit diesen zu nennen, finde ich denkbar unfair und sehr unüberlegt.

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  5. Ramgeis

    Mit derartigen, eigentlich nebensächlichen Vergleichen, Wortspielereien, Vermutungen zu Ex- und moderaten Muslimen usw. usf. kann man sich natürlich trefflich die Zeit „vermehren“, geht aber am Thema vorbei! Das ist wie bei einem Hochwasser, wo die Helfer fabulieren, ob gelber oder roter Sand angebracht ist und ob man die Fluthöhe von soundso schon erreicht, statt die aktuelle Flut einzudämmen, wobei ich jetzt wirklich das Wasser meine. ;-)

    Da halte ich es schon lieber mit dem wohl bekanntesten Dresdner Politologen:

    „Vor allem wurde missverstanden, das Pegida – zufällig um eine fragwürdige Figur entstanden – nur ein Symptom, nicht die Ursache wichtiger Probleme ist.“
    Prof. Werner Patzelt, TU Dresden, am 16.10.2015″

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    • Michael Bittner

      Sie haben offenbar die Texte, in denen sich Prof. Patzelt mit dem Islam beschäftigt, nicht gelesen. Denn dort befasst er sich eben mit den Differenzierungen, die Sie in stolzgeschwellter Ignoranz lächerlich finden. Guter Mann, mit jedem Kommentar machen Sie sich mehr zum Gespött – und doch können Sie nicht aufhören. Sind Sie vielleicht virtueller Masochist?

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  6. Deprifrei-Blog

    Der Autor Hamed Abel-Samad ist ja schon bei der Alternativen für Deutschland aufgetreten z. B. anzuschauen bei https://www.youtube.com/watch?v=BLC7oTQHQC0 Diese Partei rückt immer mehr nach Rechts bis ins Extreme ab. Da kann man sich fragen, ob dieser Autor nicht alle Tassen im Schrank hat. Am Anfang habe ich seine Islamkritik Ok gefunden, aber mittlerweile gehts immer mehr ins beleidigende z. B. „Hier der ethisch argumentierende Prediger aus Mekka, dort der intolerante Kriegsfürst in Medina. Hier der Mensch, der für Mitgefühl und Vergebung plädiert, dort der Massenmörder und psychisch kranke Tyrann.“

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  7. gastkommentaro

    da sie ihre ingroup selbstverständlich (wahrscheinlich unbewußt) abgrenzen müssen, sei ihnen ihre realtitätsbeschreibung gegönnt. sie beleuchten „die wahrheit“ aus sicht dieser gruppe und erzeugen und bestätigen in dieser gruppe die realitätswahrnehmung (einschub: freut mich, dass sie beginnen mit „der wahrheit“ zu argumentieren. das macht den text wunderbar glaubhaft)
    ich möchte einen aspekt der begriffsentwertung aufzeigen, der dieses phänomen als abfallprodukt der sich radikalisierenden argumentationsketten darstellt und nicht als klug geplanten politischen schachzug, irgendwelcher ansonsten angeblich so tröger stumpfsinnsmenschen (jetzt, da ich beim schreiben bin, verstehe ich, warum sie dem faschistoiden in ihrem text hauptsächlich die fähigkeit des nachahmens zuschreiben. es würde doch niemals alleine auf ideen kommen und braucht die geistige mimikry um sich zu entwickeln). am einfachsten gelingt mir das bei ihrem rassismusbegriff. das sie eine grundvoraussetzung des rassismus nicht bedenken, nämlich die aufwertung des eigenen (vergöttlichung) und/oder die abwertung des anderen (entmenschlichung), führt das automatisch zu einem inflationären gebrauch. Da wird mit psychologischer schärfe aus der unterbewußten „angst vor dem fremden“ der offene hass gegen das andere. Nach ihrer vorstellung schleicht sich irgendwo rassismus und gewalt ein. Einmal kräftig geschüttelt und dann haben wir das angesicht des bösen. Natürlich unterscheiden sie irgendwie, aber die botschaft ist eindeutig wie auf einer zigarettenschachtel:“angst kann zu rassismus führen!“ als nächstes kommt verständnis für sprüche wie:“afd rassistenpack, wir haben euch zu kotzen satt!“ ihnen ist sicherlich die verallgemeinerung nicht ganz recht, aber auf einer demonstration muss man poientiert formulieren (die skandierenden rufer haben ihre kernbotschaft bereits leicht umgedeutet:“angst führt zu rassismus!“). dann kommen böller, farbbeutel, sitzblockaden und anonyme einschüchterungen („wer mit rassisten marschiert, sollte die chance bekommen nachzudenken!“). da sind sie, herr bittner, in einer ethischen grauzone. Aber weil die sache wichtig und richtig und gut ist, können sie diese verhaltensweisen gerade noch rechtfertigen aber nicht mehr billigen. Der nächste schritt ist offene gewalt. autos werden angezündet, eisenstangen auf schädeln krumm gebogen usw. (motto:“wir sind gegen gewalt, aber die rassisten zwingen uns zum handeln!“). natürlich sind sie gegen diese gewalt und distanzieren sich, denn ihre anliegen und absichten sind humanistisch.
    jetzt fragen sie sich:„Wieso wird von Nazis in letzter Zeit so häufig „Nazis raus!“ in Richtung der Gegendemonstranten skandiert?“
    die antwort ist: weil es funktioniert. Ein großteil der menschen bei den pegida-veranstaltungen sind weder rassisten noch faschisten, werden aber ständig als solche bezeichnet und sehen sich einer steigenden aggressivität ausgesetzt (berechtigt oder nicht). Für den durchschnittspegidagänger verlangt ein totalitärer mob (sogenannte linksfaschisten) menschlichkeit.
    …………….
    nochmal zusammengefaßt: wenn das gute die mittel des bösen anwendet, dann heiligt der zweck die mittel. Dann ist das gute nicht mehr gut und ähnelt dem bösen.
    ………………
    wenn ich meinen text lese, dann sind die linken an allem schuld. Da muss ich doch irgendwo einen fehler gemacht haben. Ich habe einen sich wechselseitig bedingenden prozess nur aus der perspektive einer konfliktpartei betrachtet. ich lerne vom meister.

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  8. valtental

    Meine Kritik an dem angeführten Bsp. für die Umwertung von Begriffen: „Als „Nazi-Keule“ gilt heute schon nicht mehr der Baseballschläger in der Hand eines Rechtsextremisten, sondern die antifaschistische Kritik am Nationalsozialismus der Gegenwart.“
    Hier wird m.E. nichts umgewertet. Der Begriff wurde von Anfang weder im ersten noch im zweiten Sinne verwendet, sondern als Kritik an der unberechtigten Instrumentalisierung von Naziverbrechen zum Zwecke der Diskreditierung abweichender Meinungen. Der Ursprung der „Nazikeule“ liegt m.E. in der Rede von M. Walser 1989: „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung“. Dessen ‚Moralkeule‘ Auschwitz wurde folgend zur ‚Auschwitzkeule‘ zugespitzt und später mit ‚Nazikeule‘ auf alle Nazivergleiche ausgedehnt, bzw. auch zu Antisemitismuskeule verfeinert. Exponiertes Bsp. der letzteren war M. Broders Betitelung von Jakob Augstein als „kleiner Streicher“, weil dieser Kritik an Israels Palästinenserpolitik übte.

    M. Broder war m.E. derjenige, der 2012 mit seiner Anti-Augstein-Debatte die Entwertung tatsächlich berechtigter Nazivergleiche großflächig in Gang setzte. Vor den Gefahren der Entwertung durch inflationären bzw. nicht zutreffenden Gebrauch wurde damals eindringlich gewarnt. Heute drei Jahre später ist das Befürchtete eingetreten. Hinweise zu Parallelen im Nationalsozialismus haben ihre Alarmfunktion weitestgehend eingebüßt, wirken meistens sogar kontraproduktiv, was heutigen Parolen der Rechten zu Immunität verhilft, und berechtigte antifaschistische Kritik dagegen in die Nähe einer ‚Nazikeule‘ rückt, worunter im Sprachgebrauch aber nie ein Baseballschläger verstanden wurde.

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    • Michael Bittner

      Dass nicht nur Rechte Begriffe wie „Nazi“ allzu leichtfertig gebrauchen, ist wahr. Es ist aber offenkundig, dass die Phrase „Nazi-Keule“ inzwischen fast nur noch von Nazis verwendet wird, die sich selbst gegen Kritik immunisieren wollen. Natürlich war „Nazi-Keule“ nie als Synonym für Baseballschläger gebräuchlich. Um meine Texte zu verstehen, ist ein bisschen Sinn für Humor schon notwendig. Mit solchem Blick für Ironie wäre Ihnen auch der Sinn meiner Entgegensetzung zweier möglicher Bedeutungen begreiflich.

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      • valtental

        Auch mit Ironie und wörtlichem Verzicht auf den Baseballschläger wird der genannte Satz nicht stimmiger: ‚Als „Nazi-Keule“ gelten heute schon nicht mehr die Argumente eines Rechtsextremisten, sondern die antifaschistische Kritik am Nationalsozialismus der Gegenwart.‘ – weil die Aussagen beider Teilsätze so nie im Sprachgebrauch vorkamen. Als Nazikeule galt noch nie ‚antifaschistische Kritik am Nationalsozialismus der Gegenwart‘, sondern einzig das unberechtigte Ziehen von Vergleichen zum NS mit dem Ziel, Meinungen anderer moralisch zu diskreditieren.

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        • Michael Bittner

          Wie bitte? Der Begriff „Nazi-Keule“ wird also ausschließlich gegen unberechtigte Gleichsetzungen eingesetzt? („Vergleiche“ können gar nicht unberechtigt sein.) Sie können die Nazis, die sich inzwischen gegen alle Kritik mit der Vokabel „Nazi-Keule“ wehren, nicht hören? Haben Sie was an den Ohren?

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          • gastkommentaro

            Sascha Lobo schreibt:“Wer Nazikeule sagt, möchte kein Nazi sein und nicht als solcher bezeichnet werden, die Verwendung sagt also aus, dass Nazi sein etwas Schlechtes ist.“

            Das ist aber nur zur Hälfte richtig. Die andere Hälfte würde eher in die Bittner´sche Richtung tendieren: „Wer Nazi ist und Nazikeule sagt, der verwendet den Begriff um Toleranz und Akzeptanz für seine Positionen zu erzeugen und dadurch die eigenen Ideen einer breiteren Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Langfristig erhofft sich der Nazi die „Nazifizierung“ der Gesellschaft.

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