Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Das Kapitel Volk und Rasse forscht nach der tieferen Ursache des Niedergangs der Deutschen, ja des Verfalls der ganzen Welt. Der Blick richtet sich auf die Biologie, wo der Naturforscher Hitler das Grundgesetz „der inneren Abgeschlossenheit der Arten sämtlicher Lebewesen dieser Erde“ entdeckt:

Jedes Tier paart sich wieder nur mit einem Genossen der gleichen Art. Meise geht zu Meise, Fink zu Fink, der Storch zur Störchin, Feldmaus zu Feldmaus, Hausmaus zu Hausmaus, Wolf zu Wolf usw. usw.

Gegen dieses Naturgesetz zu verstoßen ist größter Frevel, denn eine solche Paarung widerspricht dem „Willen der Natur“.

Die Folge dieser in der Natur allgemein gültigen Rassenreinheit ist nicht nur die scharfe Abgrenzung der einzelnen Rassen nach außen, sondern auch ihre gleichmäßige Wesensart in sich selber. Der Fuchs ist immer ein Fuchs, die Gans eine Gans, der Tiger ein Tiger usw., und der Unterschied kann höchstens im verschiedenen Maße der Kraft, der Stärke, der Klugheit, Gewandtheit, Ausdauer usw. der einzelnen Exemplare liegen. Es wird aber nie ein Fuchs zu finden sein, der seiner inneren Gesinnung nach etwa humane Anwandlungen Gänsen gegenüber haben könnte, wie es ebenso auch keine Katze gibt mit freundlicher Zuneigung zu Mäusen.

Was aber im Tierreich gilt, das gilt nach Hitler so auch beim Menschen. Es ist der Frevel der „Rassenvermischung“, die „Blutsvermengung des Ariers mit niedrigeren Völkern“, der zum Niedergang führt:

Das Ergebnis jeder Rassenkreuzung ist, ganz kurz gesagt, immer folgendes:
a) Niedersenkung des Niveaus der höheren Rasse.
b) körperlicher und geistiger Rückgang und damit der Beginn eines, wenn auch langsam, so doch sicher fortschreitenden Siechtums.

Der Leser fragt sich: War denn Hitler wirklich so blöd, seine ganze Weltanschauung auf einen so haarsträubend offensichtlichen, lächerlichen Irrtum zu bauen? Selbst schlichte Gemüter erkennen doch, dass in dieser Argumentation tatsächlich eine verhängnisvolle Vermischung vonstatten geht, allerdings keine des Blutes, sondern eine von Begriffen. Hitler verwechselt konsequent „Art“ und „Rasse“. Nur so kann er zu der absurden Behauptung kommen, die Paarung etwa von „Arier“ und „Neger“ gleiche der von Katze und Maus, nicht aber zum Beispiel der eines weißen und eines schwarzen Pferdes. Selbst ähnlich gesinnte Rasseforscher seiner eigenen Zeit kritisierten Hitler für seinen wissenschaftlichen Dilettantismus gerade auf dem Feld, auf dem der Nationalsozialismus höchste Wahrheit für sich beanspruchte. Wahrscheinlich war Hitler aber tatsächlich davon überzeugt, es gäbe überhaupt keinen Homo Sapiens und die Menschenrassen wären wirklich verschiedene, einander fremde und feindliche Arten. Nur der „Arier“ repräsentiert seiner Ansicht nach den „Urtyp“ dessen, „was wir unter dem Worte »Mensch« verstehen.“ Dem Arier ist es deswegen natürlich auch erlaubt, minderwertige Rassen als Sklaven wie Tiere zu gebrauchen:

Ohne diese Möglichkeit der Verwendung niederer Menschen hätte der Arier niemals die ersten Schritte zu seiner späteren Kultur zu machen vermocht; genau so, wie er ohne die Hilfe einzelner geeigneter Tiere, die er sich zu zähmen verstand, nicht zu einer Technik gekommen wäre, die ihm nun gerade diese Tiere langsam zu entbehren gestattet.

Am deprimierendsten ist hier wie immer die Einsicht, dass die Absurdität von Hitlers Denken später keine Rolle spielte. Der Satz „Wissen ist Macht“ gilt nicht nur in einer Richtung: Dem Mächtigen gelingt es, seine Untergebenen mit Gewalt dazu zu bringen, Unsinniges nicht nur öffentlich zu sagen, sondern irgendwann auch wirklich zu glauben.

Natürlich ist der ganze pseudowissenschaftliche Unfug bloß eine nachträgliche Rechtfertigung für Hitlers ursprünglichen Hass. Und der richtet sich wie bekannt immer gegen den Juden. Es ist deswegen auch nicht irgendeine Rassenmischung, sondern letztlich die „Verjudung“, die der arischen Rasse das Licht auszuknipsen droht. Der Rest dieses Kapitels ist ein vollständiger Katalog aller antisemitischen Verleumdungen, die jemals gegen die Juden erhoben wurden. Es erübrigt sich, hier noch einmal alle aufzuzählen. Auffällig an Hitlers Suada ist nur, dass ihm „der Jude“ wirklich ganz buchstäblich biologisch als „Völkerparasit“ erscheint, als „Schmarotzer“, „Bazillus“, „Blutegel“ und so weiter und so fort. Ganz körperlich geht daher auch die „Verjudung“ der arischen Rasse vonstatten:

Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens Volke raubt.
Mit allen Mitteln versucht er die rassischen Grundlagen des zu unterjochenden Volkes zu verderben. So wie er selber planmäßig Frauen und Mädchen verdirbt, so schreckt er aber auch nicht davor zurück, selbst im größten Umfange die Blutschranken für andere einzureißen. Juden waren es und sind es, die den Neger an den Rhein bringen, immer mit dem gleichen Hintergedanken und klaren Ziele, durch die dadurch zwangsläufig eintretende Bastardisierung die ihnen verhaßte weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe herunterzuschmettern und selber zu ihren Herren aufzusteigen.
Denn ein rassereines Volk, das sich seines Blutes bewußt ist, wird vom Juden niemals unterjocht werden können. Er wird auf dieser Welt ewig nur der Herr von Bastarden sein.

Dass unsere heutigen Vorkämpfer gegen die „Umvolkung“ ihre sexuellen Komplexe in ähnlicher Weise rassistisch auf Fremde projizieren, wie Hitler seine schmierige Notgeilheit auf die Juden übertrug, scheint mir offensichtlich. Darum, zum Schluss, ihr Freunde, ertöne der Ruf: Kein Sex mit Nazis! Und ein dreifaches Hoch auf die Rassenschande!

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Mein Kampf mit Mein Kampf (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (2): Im Elternhaus

Mein Kampf mit Mein Kampf (3): Wiener Lehr- und Leidensjahre (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (4): Wiener Lehr- und Leidensjahre (2)

Mein Kampf mit Mein Kampf (5): Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (6): München

Mein Kampf mit Mein Kampf (7): Der Weltkrieg

Mein Kampf mit Mein Kampf (8): Kriegspropaganda

Mein Kampf mit Mein Kampf (9): Die Revolution

Mein Kampf mit Mein Kampf (10): Beginn meiner politischen Tätigkeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (11): Die Deutsche Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (12): Ursachen des Zusammenbruches

Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Mein Kampf mit Mein Kampf (14): Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (15): Weltanschauung und Partei

Mein Kampf mit Mein Kampf (16): Der Staat

Mein Kampf mit Mein Kampf (17): Staatsangehöriger und Staatsbürger

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Mein Kampf mit Mein Kampf (23): Grundgedanken über Sinn und Organisation der S.A.

Mein Kampf mit Mein Kampf (24): Der Föderalismus als Maske

Mein Kampf mit Mein Kampf (25): Propaganda und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (26): Die Gewerkschaftsfrage

Mein Kampf mit Mein Kampf (27): Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Mein Kampf mit Mein Kampf (28): Ostorientierung oder Ostpolitik

Mein Kampf mit Mein Kampf (29): Notwehr als Recht

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Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin hg. von Christian Hartmann, Thomas Vordermeyer, Othmar Plöckinger und Roman Töppel unter Mitarbeit von Pascal Trees, Angelika Reizle und Martina Seewald-Mooser. Zwei Bände. München/Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 4., durchges. Aufl. 2016

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