Die Sekte der Pegidianer

Nie wieder Politik als Gottesdienst! So mahnte Professor Patzelt hier in der letzten Woche. Als ich las, wie er das „unkritische, rechthaberische, eifernde, ketzersuchende Glauben- und Vertrauenwollen“ anprangerte, da verstand ich auch, auf wen die Warnung zielte: PEGIDA natürlich!

Die Parallelen zwischen der Sekte der Pegidianer und älteren Religionen sind ja unübersehbar. Begründet wurde der neue Glaube von einem Propheten namens Lutz, einem gewöhnlichen Mann aus dem Volke, dem selbst die Sünde nicht ganz fremd ist. Wie man Petrus auf Gemälden mit einem Schlüssel in der Hand abbildet, so wird man einst den Propheten Lutz mit einem Brecheisen malen. Der Religionsstifter sammelte zunächst zwölf Jünger um sich, welche die unfrohe Botschaft in die Welt trugen: Die Muselmanen wollen Europa überrennen! Der Ruf traf auf offene Ohren und bald kamen Massen zur Verteidigung des christlichen Abendlandes zusammen, selbst Deutsche, die noch nie eine Kirche von innen gesehen hatten.

Immer montags versammelten sich in Dresden die Gläubigen zum pegidianischen Gottesdienst, der meist der gleichen Liturgie folgte: Prophet Lutz sprach die Hasspredigt, schwarz-rot-goldene Kreuze wurden emporgehalten, leuchtende Telefone ersetzten die Kerzen, das heilige Lied der Deutschen wurde angestimmt. In einer Schweigeprozession zogen die Pegidianer durch die Stadt. Vereinzelt riefen Gläubige aber doch auch laut nach dem Heil und nach dem Sieg noch dazu. Der Prophet Lutz klebte seine Thesen sogar einmal an eine Kirchentüre. Anders als Luther verzichtete er jedoch nicht auf den Ablasshandel: Die Taler klingelten in den Spendenboxen und die Gläubigen ließen davon ab, danach zu fragen, was denn mit ihrem Geld eigentlich geschehe.

Menschen, die dem neuen Dogma widersprachen, wie der freche Barde Roland Kaiser, wurden öffentlich als Ketzer verdammt. Im ganzen Land brannten Häuser von Fremdgläubigen wie Scheiterhaufen. Und Lutz prophezeite allen Feinden das baldige Jüngste Gericht. Aber ach! Da erlebten die Pegidianer eine Glaubensspaltung, die Priester werfen einander inzwischen gegenseitig Betrug vor! Und der Prophet Lutz gilt nichts mehr im eigenen Lande! Dennoch könnte er die Deutschen immer noch erlösen – indem er möglichst bald nicht bloß nach Teneriffa, sondern zur Hölle fährt.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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