2018 – Die wahre Jahresvorschau

Januar:

US-Präsident Donald Trump erschüttert die Medienwelt mit einem weiteren ungezügelten Tweet: Frauen, sie sich über sexuelle Belästigung beklagen, seien in Wahrheit frigide Kampflesben, die man nur einmal ordentlich durchnudeln müsse. Er sei bereit, sie alle persönlich im Oval Office von ihrer Hysterie zu heilen. Sofort erntet Trump empörte Reaktionen von Meryl Streep, dem Papst und Katrin Göring-Eckardt. Darauf wird mehrere Tage lang in den Medien erbittert über die Frage gestritten, ob das Problem der frigiden Kampfleben bislang nicht möglicherweise doch unterschätzt wurde. Erst nach knapp einer Woche stellt die Weltöffentlichkeit überrascht fest, dass irgendjemand in der Zwischenzeit fünf Atombomben über Kanada abgeworfen hat.

Februar:

Die Koalitionsverhandlungen in Deutschland ziehen sich hin. Der überraschend zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählte Benno Schnulz, stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins Peine und früherer Steuerberater von Gerhard Schröder, stellt harte Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten: Der Terminus „Koalition“ müsse in allen offiziellen Dokumenten durch das Wort „Opposition“ ersetzt werden, den SPD-Ministern müsse es gestattet sein, ihr Amt anonym auszuüben, und die CDU müsse vertraglich zusagen, keine der sozialen Errungenschaften der Agenda 2010 anzutasten. „Unter diesen Bedingungen, und nur unter diesen, sind wir bereit, in eine große Opposition einzutreten“, so Schnulz in einer mitreißenden Rede auf einem Sonderparteitag in Peine. Auf diese Forderungen angesprochen, erwidert Bundeskanzlerin Merkel: „Deutschland ist ein schönes Land voller guter Menschen.“

März:

Unter dem Hashtag #NoSmartism sorgt eine neue Antidiskriminierungskampagne im Internet für Aufsehen. Ihre Anhänger fordern ein Ende der Benachteiligung dummer Menschen. Als Gast der Talkshow von Anne Will erläutert die Internetaktivistin Anke Domscheit-Berg die Bewegung: Dummen Menschen werde es in der Gesellschaft sehr schwergemacht. Sie würden im Alltag oft verspottet und gemieden. In Büchern und Filmen, selbst in solchen für Kinder, stelle man dumme Menschen unvorteilhaft dar. In der Schule erhielten sie schlechtere Noten und im Beruf hätten sie kaum Chancen auf eine Karriere. In den Aufsichtsräten großer Firmen und im Bundestag seien Dumme erschreckend unterrepräsentiert. Widerspruch erntet die Aktivistin in der Sendung wie erwartet vom CSU-Politiker Alexander Dobrindt. Das Gejammer über Diskriminierung sei völlig überzogen. „Ich zum Beispiel bin außerordentlich dumm!“, so der bayrische Konservative. „Und ich habe es trotzdem zum Spitzenpolitiker gebracht!“

April:

Zur Eröffnung der sachsen-anhaltinischen Landesgartenschau in Burg bei Magdeburg hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unter dem Titel „Lasst tausend Blumen blühen“ die Festansprache. Steinmeier würdigt ausführlich die Bedeutung der Gartenkunst im Allgemeinen und Speziellen, spricht eine Stunde über die Rolle der Blume in der abendländischen Literatur, für die Demokratie und bei Rentnergeburtstagen. Die Rede des Staatsoberhauptes fordert insgesamt drei Todesopfer, Zuhörer, die während der Ansprache ins Koma fallen und auch durch Behandlung in Spezialkliniken nicht wieder zu Bewusstsein zu bringen sind.

Mai:

Reichlich verspätet erblickt nach fast zehn Monaten Tragezeit das dritte Kind von Prinz William, Duke of Cambridge, und Catherine, Duchess of Cambridge, in Großbritannien das Licht der Welt. Getauft wird der Sohn auf den Namen Jürgen, zur Erinnerung an die deutsche Herkunft der britischen Dynastie. Die erwartete Euphorie bleibt überraschend aus. „Das ist ja doch eigentlich nur ein neuer Hosenscheißer wie Millionen andere, noch dazu aus einer eher unsympathischen Familie von arbeitsscheuen Wichtigtuern. Mit diesem ganzen Royal-Mist will uns die Kulturindustrie sowieso nur von den wahren Klassenkonflikten ablenken!“, so äußert ein Londoner Taxifahrer bei einer Straßenbefragung stellvertretend für alle.

Juni:

Im Golf von Mexiko bildet sich der stärkste je beobachtete Tropensturm. Meteorologen erfinden für den Hurricane Juanita eigens die neue Kategorie 7. Nachdem Juanita bei New Orleans auf die Küste trifft, zieht sie eine Schneise der Verwüstung durch die USA, bis sie endlich nach einer knappen Woche ihre zerstörerische Kraft über Idaho verliert. Wissenschaftler machen für den Hurricane den Klimawandel verantwortlich. Präsident Trump hingegen beschuldigt die Mexikaner, gemeinschaftlich in den Golf von Mexiko uriniert zu haben, um so das Meerwasser zu erwärmen und Wirbelstürme gegen die USA auszulösen. Er verspricht, eine Mauer nicht nur gegen Mexikaner, sondern auch gegen Hurricanes zu errichten, die höchste Mauer aller Zeiten, eine Mauer babylonischen Ausmaßes.

Juli:

Bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland überrascht die Mannschaft der Gastgeber mit einem Durchmarsch: Ohne Niederlage und Gegentor stürmen die Russen ins Finale und bezwingen am 15. Juli in Moskau die deutsche Mannschaft mühelos mit 12:0. Gerüchte, der russische Erfolg könne auf Doping zurückzuführen sein, werden umgehend von Präsident Putin persönlich zurückgewiesen. Das kurzfristige Wachstum der russischen Spieler um einen Meter sei allein hartem Training zu verdanken. Zum Beleg verweist Putin vor laufender Kamera auf seinen Penis, dessen Länge sich ebenfalls ohne jede medizinische Hilfe allein durch manuelle Übungen binnen drei Monaten auf fünfzig Zentimeter verzehnfacht habe.

August:

Die alternative Deutschrockband Freiwild spielt als Headliner bei einem Festival unter dem Titel „Rock gegen links“ auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Zu Beginn des Auftritts ruft Philipp Burger, der Poet und Sänger der Gruppe, die 500000 anwesenden Fans dazu auf, sich entschieden für Demokratie und Redefreiheit einzusetzen und sich nicht der Meinungsdiktatur zu beugen. Mit dem Finger weist er dabei auf eine Gruppe von 26 linken Gegendemonstranten vor dem Eingang, die eingekesselt von der Polizei mit Trillerpfeifen und Pappschildern gegen den Auftritt der Band demonstrieren. Bei dem dreitägigen Musikfest, das wegen des großen Erfolgs von nun an jährlich stattfinden soll, performen unter anderen auch Xavier Naidoo, Frank Rennicke und die Sächsische Staatskapelle.

September:

Eine von Bundestag und Bundesrat im Frühjahr einstimmig verabschiedete Verfassungsänderung zur Erleichterung direkter Demokratie zeigt erste Ergebnisse. Bei der ersten bundesweiten Volksbefragung entscheiden sich die Deutschen jeweils mit überwältigender Mehrheit für die Wiedereinführung der Todesstrafe, die Anhebung der Promillegrenze im Straßenverkehr auf 2,5, den vollständigen Abriss von Berlin-Neukölln, die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie die Rassentrennung in Bussen und Bahnen. Während die Alternative für Deutschland den Sieg aller ihrer Volksbegehren feiert, räumt Anton Hofreiter von den Grünen ein, man müsse in seiner Partei doch vielleicht noch einmal intensiver darüber diskutieren, ob die Sache mit der Basisdemokratie wirklich so eine gute Idee sei.

Oktober:

Zum Gedenktag der Reformation am 31. Oktober beschwert sich die ehemalige Bischöfin und Glaubensbotschafterin Margot Käßmann, schon ein Jahr nach dem Reformationsjubiläum sei die bedeutendste Stimme der evangelischen Theologie kaum noch im Gespräch. „Wann kommt endlich mal wieder ein Journalist bei mir zuhause vorbei und interviewt mich?“, fragt Käßmann erregt im Telefongespräch mit der Bild-Zeitung. „Es ist Wochen her, dass jemand bei mit geklingelt hat! Dabei hab ich noch so viel zu sagen! Und auch noch zwanzig Flaschen Luther-Wein im Keller!“

November:

Der neue Film von Til Schweiger stürmt gleich am ersten Wochenende an die Spitze der Kino-Charts. Schweiger, der im neuen Streifen wie üblich als Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller fungierte, erläutert in Interviews, sein Werk Grütze im Kopf sei von der Internet-Kampagne gegen Smartismus inspiriert. „Zum ersten Mal im Leben habe ich durch diese Debatte gespürt, dass ich nicht allein mit meinen Problemen bin“, so Schweiger. Auch sein Film, in dem ein Mann zurück ins Leben findet, nachdem ihm ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen ist, solle als Ermutigung für unverschuldet dumme Menschen verstanden werden. Auch die härtesten Kritiker des Filmkünstlers müssen eingestehen, dass Schweiger noch nie im Leben eine Rolle so überzeugend mit Leben gefüllt hat.

Dezember:

Die Koalitionsverhandlungen in Deutschland ziehen sich hin. Der jüngst überraschend zum neuen SPD-Chef gewählte Bernd Schmalz, ein früherer Friseur von Gerhard Schröder, stellt überraschend neue Bedingungen für eine Regierungszusammenarbeit: So müsse die Bundeskanzlerin versprechen, mindestens drei Mal in der Woche die Sozialdemokraten für ihren Mut und ihre Selbstständigkeit zu loben. Außerdem solle sie ihre Anhänger dazu aufrufen, bei der nächsten Wahl aus Mitleid die Zweitstimme der SPD zu geben. In der Union stoßen die Forderungen auf wenig Gegenliebe. In ihrer Neujahrsansprache mahnt Angela Merkel die SPD denn auch zur Kompromissbereitschaft: „Wenn es uns nicht gelingt, endlich eine Regierung zu bilden, dann besteht die große Gefahr, dass die Bürger merken, dass unser Land eigentlich gar keine Regierung braucht.“

6

Kommentare
  1. Frans Bonhomme

    Ich bin ja gespannt, wieviel Wohnungen Rot-Rot-Grün und die linke Berliner Bausenatorin 2018 bauen werden. Menschen suchen händeringend Wohnraum, und, so die Parole der Linken, keiner soll gegen einen anderen ausgespielt werden. Ausserdem geht es Deutschland so gut wie nie zuvor, die Staatseinnahmen sind auf Rekordniveau, die Zinsen für Kredite nahe bei Null, keine nennenswerte Arbeitslosigkeit – warum also nicht Wohnungen bauen für die Menschen? Selbst die SED-Betonköpfe haben zu ihrer Zeit kapiert, dass das Volk Wohnungen und Kaffee braucht. Warum also nicht Geld in die Hand nehmen und die Arbeiter auf die Baustelle schicken? Woran haperts? Geld ist genug da und billig zu borgen?

    Ich kenne meine linken Freunde ganz gut. Selbstverständlich wollen die niedrige Mieten für ihre unsanierte Altbauwohnung zahlen. Was die aber echt nicht wollen, das im Umkreis um ihren Kiez irgendetwas gebaut wird, Fläche versiegelt wird, der „Charakter des Stadtteils verändert wird“ oder ihnen die kostenfreien Parkplätze für ihren Stinker-AbgasnormEuro1-Bus weggenommen. Genau da endet die Solidarität mit allen, die keine Altbauwohnung besetzt haben, abrupt. Worte sind wohlfeil, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen.

    Antworten
    • Michael Bittner

      Die Abwehrhaltung von einigen Wohlstandslinken gegen alle Bauprojekte in ihrer Nähe ist in der Tat ein Problem, da stimme ich Ihnen zu. Aber gewiss nicht das für den gegenwärtigen Mangel entscheidende.

      Antworten
  2. Frans Bonhomme

    Die Berliner Grünen hatten ja als Wahlkampfslogan „Freilandhaltung auch für Großstadtbewohner“.

    Na, für die Berliner, die im Tiergarten zelten, oder die Familien, die mit ihren Kindern (!) an Notunterkünften abgewiesen werden, wurde dieses Wahlversprechen ja bereits umgesetzt.

    Die Kraft, die stets das Gute zu meinen glaubt, aber uns die Barbarei her schafft.

    http://sichtplatz.de/?p=6479

    Antworten
  3. Frans Bonhomme

    Die Grünen sind mitverantwortlich seit sie mit an der Macht sind in Berlin und keine Wohnungen bauen, sondern Wohnungsbauvorhaben blockieren, wie eine kurze Google-Suche zu Tage fördert:

    „Linke und Grüne wollen das freie Feld vor einer Bebauung bewahren, so wie mehrere Naturschutzverbände. – Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/25021866 ©2018″

    Mir gefällt auch das Bild dazu mit den Bürgern von der Initiative. Klar sind wir weltoffen und mögens bunt, aber auf unserem Feld mögen wir auch es gerne frei und naturbelassen.

    Substanzlose Polemik ist das nicht, sondern gesellschaftlicher Widerspruch auf den Punkt gebracht.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Michael Bittner Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert