Krampf gegen rechts

Ein Faschist ist kein Rumpelstilzchen. Er zerreißt sich nicht selbst, wenn man ihn nur oft genug beim Namen nennt. Faschisten sind auch keine Vampire, die man bloß ins Tageslicht zerren muss, damit sie verdampfen, oder böse Zauberer, deren hässliches Antlitz, wenn es enthüllt wird, alle Menschen verschreckt.

Im „Kampf gegen rechts“ geben sich viele Linke in bester Absicht Illusionen hin. Sie glauben, man müsse den wahren Namen des Feindes nur laut ausrufen, das Licht der Aufklärung strahlen lassen, dem führenden Kopf die Maske vom Gesicht reißen – und schon wäre der Sieg errungen. Aber der Feind bleibt ungerührt stehen, grinst nur und schart weiter Anhänger um sich. Denn viele lieben ihn nicht trotz, sondern wegen seines Charakters. Je unverschämter er sich zeigt, desto größer der Jubel. Je mehr die Linken toben, desto sicherer sind sich die Rechten, dem Richtigen zu folgen. Und indem manche Linke nicht nur Faschisten, sondern auch demokratische Konservative wie Monster behandeln, schaffen sie sich selbst noch Feinde, die bloß Gegner sein müssten.

Aus dem mäßigen Erfolg des Kampfs gegen rechts schließen manche, er müsse noch lauter, noch militanter, noch kompromissloser geführt werden. Aber die Rechten sind nicht so stark, weil man sie nicht stark genug bekämpft. Sie sind stark, weil die Linken schwach sind. Es mangelt der Linken an Köpfen und Ideen, mit denen jene Mehrheit zu überzeugen wäre, die sich weder dem einen noch dem anderen politischen Lager zuordnet. In vielen Fragen unserer Zeit zeigen sich die Linken uneinig: Ist die Globalisierung Übel oder Chance? Muss Europa stärker werden oder der Nationalstaat wieder souverän? Ist der politische Islam Partner im Kampf gegen westlichen Imperialismus oder Gefahr für die Zivilisation? Ist Israel ein Schurkenstaat oder schützenswerte Demokratie? Sollen wir Putin die Stirn bieten oder die Hand reichen? Sind die katalanischen Separatisten Freiheitskämpfer oder Wohlstandschauvinisten? Brauchen wir Arbeitsbeschaffung für Vollbeschäftigung oder ein bedingungsloses Grundeinkommen? Soll unsere Ökonomie wachsen oder sich auf eine Zeit ohne Wachstum einstellen? Eine Neigung zum inneren Streit hatte die Linke schon immer. Mit dem Verlust auch der vagsten gemeinsamen Vision droht ihr heute aber der völlige Zerfall.

Risse solcher Art gibt’s auch bei der Rechten, aber die nimmt Widersprüche traditionell nicht so tragisch, solange nur ein charismatischer Führer und ein schönes Feindbild die Bewegung einigt. Das macht ihre Stärke aus. Im Kampf gegen rechts siegen die Rechten, solange die Linken nicht auch den schwereren Kampf entscheiden: den mit sich selbst.

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Dieser Beitrag erschien in einer kürzeren Fassung zuerst als Kolumne der Reihe Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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Kommentare
  1. Pedroleum

    Zitat: „Risse solcher Art gibt’s auch bei der Rechten, aber die nimmt Widersprüche traditionell nicht so tragisch, solange nur ein charismatischer Führer und ein schönes Feindbild die Bewegung einigt. Das macht ihre Stärke aus.“

    Wer wäre denn Ihrer Ansicht dieser charismatische Führer im rechten Spektrum der deutschen Politik? Mir fallen da Gauland und Höcke ein, aber Gauland hat zwar Einfluss, aber m. E. kein Charisma, Höcke scheint über ein gewisses Charisma zu verfügen, steht aber in der Partei-Hierarchie nicht an der Spitze.

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    • Michael Bittner

      In Deutschland fehlt diese Figur in der Tat noch. Gauland ist zu altbacken, Höcke wegen seiner Naziattitüde selbst für manche AfD-Wähler unangenehm. (Sogar in Thüringen schneidet er, wie ich jüngst aus einer Umfrage hörte, nur halb so gut ab wie seine Partei.) Mit jemandem wie Marine le Pen oder Strache an der Spitze könnte die AfD noch weit größere Erfolge einfahren. Sie hätte in Deutschland sicher auch ein Potenzial von bis zu 25 Prozent wie rechtspopulistische Parteien in den meisten westeuropäischen Ländern.

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      • Pedroleum

        Nur der Vollständigkeit halber noch eine Anmerkung, warum Weidel als Führungsfigur m. E. auch nicht in Frage kommt: Sie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, denn sie scheint sich bei den Parteianhängern und -mitgliedern der AfD regelrecht anzubiedern.

        Erstens wirkt sie bei ihren Auftritten nicht sonderlich originell, sondern eher so, als ob sie alle Phrasen, die man bei rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen immer wieder hört, auswendig gelernt hat.

        Und zweitens ist sie mit ihren marktradikalen Positionen und ihrer früheren Anstellung bei Goldman Sachs nicht gerade eine glaubwürdige der kleinen Frau bzw. des kleinen Mannes.

        Wobei uns der Sieg Donald Trumps bereits gelehrt hat, dass ein elitäres Auftreten bzw. die Zugehörigkeit zu einer elitären Klasse die Wähler rechtspopulistischer Parteien bzw. Kandidaten nicht daran hindert, bei ihren Favoriten andere Maßstäbe anzusetzen: Clintons Verbindungen zur Wallstreet, insbesonderezu Goldman Sachs, sind böse, aber bei Trump, der bereits in der Frühphase seines Wahlkampfs den Corporate Raider und Wallstreet-Veteran Carl Icahn als Finanzminister vorgeschlagen hat (vgl. http://www.manager-magazin.de/unternehmen/personalien/carl-icahn-will-nun-doch-nicht-donald-trumps-finanzminister-werden-a-1061043.html) und später dann den Ex-Goldman-Sachs-Mitarbeiter Mnuchin zum Finanzminister gemacht hat und den Ex-Goldman-Sachs-Präsident und -COO Gary Cohn als Berater in sein Kabinett holte, verschließen sie die Augen.

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        • Michael Bittner

          Frau Weidel fehlt ganz gewiss das Charisma zur Führungsfigur, außerdem sind ihr Lebenswandel und ihr ökonomischer Liberalismus sicher vielen AfD-Anhängern suspekt.

          Ob es noch einmal zu einer offenen Auseinandersetzung zwischen Nationalsozialen und Neoliberalen in der AfD kommt, verfolge ich auch gespannt. Wenn sie geschickt sind, verzichten sie einfach auf eine programmatische Festlegung. Schwierig wird es dann erst, wenn es wirklich mal ans Regieren geht. Das muss auch Trump feststellen. Einige seiner Wähler sind, wie die zwischenzeitlichen Wahlen zeigen, wohl doch enttäuscht von seiner Politik, die sich zu offensichtlich so gar nicht um die kleinen Leute schert.

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  2. Michael

    Sehr geehrter Herr Bittner,

    wenn ich ihre Texte lese, kann ich meist außer „stimmt“, oder „so sehe ich das auch“ wenig hinzufügen, deshalb ist dies auch mein erster Kommentar. Klar ist auch, dass Sie in ihren Texten immer ihre persönliche Meinung widergeben und gegen Meinungen, lässt sich nunmal nicht argumentieren. Man kann ihnen zustimmen, oder sie ablehnen, maximal noch ignorieren, mehr geht nicht. deshalb sollen folgende Worte auch eher als Gegenrede und nicht als Umstimmversuch gedacht sein, soviel vorweg.

    Ich persönlich störe mich an ihrer Vereinfachung und an ihrem entweder – oder, wenn es um Kritik an „Der Linken“ geht. Nun bin ich mir nicht ganz sicher, ob Sie das linke Spektrum als Ganzes, vom autonomen Antifa bis zum DDR-verherrlichenden Altkommunisten(ob der wirklich links oder einfach nur autoritär ist, mögen andere diskutieren) meinen (klar, die beiden kriegen sie wohl nie an einen Tisch), oder ob Sie, und das möchte ich im folgenden annehmen, auf die Partei „Die Linke“ bezug nehmen.
    Ich bin seit einiger Zeit selbst Mitglied der Linken und kann ihnen bescheinigen, um auf die Überschrift zu entgegnen, dass den meisten in unsere Partei, auch Katja Kipping hat das in Reden immer wieder betont, klar ist, dass wir mit dem Kampf gegen Rechts keine Stimmen zurückholen, dennoch bleibt er innhalb der Bewegung ein verbindendes Element, als gemeinsamer Grundkonsens. Sicherlich sind Sie ab und an in Dresden unterwegs und haben, nicht nur im Wahlkampf bemerkt, dass Die Linke nicht nur auch, sondern hauptsächlich, andere Themen bedient. Aktuell zum Beispiel der Einsatz für mehr Personal und bessere Bedingungen in der Pflege und der Kampf gegen Mietpreissteigerungen.
    Auch das sind Konsense innerhalb unserer Partei.
    Um nun auf die Gegensätze, die sie in ihrem Artikel angesprochen haben zu sprechen zu kommen, einige Aussagen vorweg:
    Ich selbst habe ein Problem, die USA zu kritisieren und dafür Putin in Schutz zu nehmen, ich habe ein Problem damit, sich auf Seiten von Antisemiten zu stellen um berechtigte Kritik an einer rechtsgerichteten israelischen Regierung zu üben, ich habe etwas gegen plumpe EU-Eliten-Kritik und gegen Nationalismen und ich habe etwas dagegen, wenn eine möglicherweise sinnvolle Idee wie das BGE als Allheilmittel verkauft wird. Kurz ich verfolge parteiinterne Debatten kritisch und tue mich schwer damit, mich sofort und gleich auf eine Seite zu stellen. Gleichzeit tue ich das bei anderen Themen natürlich ständig und völlig selbstverständlich, immer in dem Wissen, dass andere Genoss*innen mit anderen sozialen Hintergründen anderer Meinung sind, denn letztlich sind wir als Partei auch nur ein kleiner Auszug aus der Gesellschaft, ein Unterschied ist der deutlich größere Grundkonsens, aber andere Meinungen, die beide natürlich auch „immer wissenschaftlich begründet sind“ (das dies bei Meinungen seine Grenzen hat, siehe oben) sind auch hier selbstverständlich und ich bin stolz Teil einer Partei zu sein, für die diese Vielfalt Normalität ist. So zählen wir, auch wenn es noch viel Steigerungsbedarf gibt, sicherlich zu den demokratischsten Parteien. Natürlich machen sich Einheitlichkeit und klare Linien bei Menschen die mit Frontalunterricht groß wurden und sich gerne berieseln lassen immer gut, demokratisch sind sie nicht.

    Sie wurden das sicherlich bereits häufiger gefragt, aber ich kann sie nur einladen, vielleicht ja schon bei der kommenden Kommunalwahl für Die Linke zu kandidieren (dazu brauchen Sie nichtmal Mitglied). Die Linke und ganz besonders Dresden kann von einem klugen und kritischen Kopf wie ihnen nur profitieren.

    Mit einem linken Wahlspruch möchte ich schließen: „Du kannst ewig nach der perfekten Partei suchen, oder in die eintreten, die du dazu machen willst!“

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    • Michael Bittner

      Vielen Dank für Ihre Nachricht! Natürlich wollte ich mit meinem Text das ganze linke Spektrum ansprechen und nicht nur die Partei „Die Linke“, das schien mir zu selbstverständlich, um es noch eigens aufzuschreiben. Dass eine kurze Kolumne bloß einen Denkanstoß bieten kann, ein wenig Überspitzung dazu braucht, also keine umfassende, ausgewogene und ausdifferenzierte Argumentation darstellen kann, werden Sie gewiss einsehen. Wenn Sie ein wenig auf meiner Seite stöbern, werden Sie auch auf längere, sachlichere Texte stoßen. Leider finden die meist weniger Leser als die persönlichen und polemischen. So ist der Mensch!

      Zur Sache: Natürlich halte ich den „Kampf gegen rechts“ nicht für falsch, sondern für wichtig. Ich glaube nur, dass er nicht immer mit den richtigen Methoden geführt wird. Zum Beispiel fehlt es manchen, nicht allen Linken an der Fähigkeit oder der Lust, demokratische Rechte von Nazis zu unterscheiden. Der zweite Punkt ist mir aber noch wichtiger: Ein bloß negativer Abwehrkampf reicht nicht, es muss auch eine positive Botschaft als Alternative präsentiert werden. Dass es viele Linke gibt, die das längst wissen, ist mir auch klar. Ich halte auch Diskussionen um verschiedene Ideen innerhalb der Linken nicht für fatal, nur so kann man ja zur Annäherung an die richtigen Lösungen kommen. Aber wenn man Wähler überzeugen will, muss der Streit rechtzeitig offen geführt und irgendwann auch mit einem Konsens abgeschlossen werden. Fatal ist es, um ein Beispiel zu nennen, wenn eine Partei eine offene, sachliche Diskussion über die Zuwanderung vor der Wahl vermeidet, Widersprüche zukleistert, sodass erst nach der Wahl auffällt, dass diese Partei noch über gar keine realistische, gemeinsame Zuwanderungspolitik verfügt.

      Was das Engagement in der Politik angeht: Mal sehen.

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