Gegen zwei Äußerungen von Prof. Werner J. Patzelt haben verschiedene Menschen, unter ihnen auch ich, Einwände erhoben. Es handelt sich um Sätze aus der unseligen Kategorie „Nazi-Vergleich“. Prof. Patzelt sieht sich, wie meistens, wenn er kritisiert wird, als Opfer einer Hexenjagd und Diffamierungskampagne. Versuchen wir uns an einer sachlichen Prüfung, wie sie auch von Prof. Patzelt eingefordert wird.
Hierzu zunächst eine Begriffsklärung. Das Wort „Vergleich“ wird, wie auch Prof. Patzelt zurecht betont, in mehrdeutiger Weise verwendet. Leider wird es oft als Synonym für „Gleichsetzung“, also für eine Identifikation gebraucht. Dies führt zu Missverständnissen, zum Beispiel wenn jemand angibt, er wolle die DDR und das Dritte Reich miteinander vergleichen, und ihm daraufhin vorgeworfen wird, er wolle beide Staaten gleichsetzen. Ein Vergleich will aber sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede feststellen. So kann man etwa PEGIDA und die NSDAP miteinander vergleichen, wie ich das in einem früheren Beitrag gemacht habe, ohne damit zu behaupten, beide wären identisch. Um aber zwei Sachverhalte miteinander vergleichen zu können, müssen diese irgendwie ähnlich sein, wenigstens in einer Hinsicht (Tertium comparationis) etwas gemeinsam haben. Man kann z.B. Äpfel und Birnen sehr gut miteinander vergleichen, weil es sich in beiden Fällen um Obst handelt. Hingegen ist ein Vergleich zwischen einem Harzer Käse und dem Satz des Pythagoras unsinnig, wenigstens außerhalb des Reiches der Poesie. Aus dieser Logik hat sich nun aber noch eine dritte Verwendungsweise des Wortes „Vergleich“ ergeben, nämlich die als Synonym für Feststellung von Ähnlichkeit. In der Umgangssprache behauptet jemand, der „X mit Y vergleicht“, X und Y seien ähnlich – wobei nicht immer klar ist, in welcher Hinsicht die Ähnlichkeit bestehen soll.
Am 2. September 2016 erschien in der Sächsischen Zeitung eine Kolumne von Prof. Patzelt in der Rubrik „Besorgte Bürger“. In ihr warnte er vor einer Überforderung der Politik durch uneinlösbare Wünsche. Der Versuch, solche überzogenen Pläne in die Tat umzusetzen, müsse scheitern und könne sogar zu Zerstörungen führen. Und Prof. Patzelt führte einige historische Beispiele auf für den unbedingten Glauben an das Gelingen von zum Scheitern verurteilten Projekten. In diesem Zusammenhang folgte dann gegen Ende des Textes der Satz:
Wenig hilft in solchen Lagen ein „Glaube an den Endsieg“, heute formuliert als „Yo, wir schaffen das“.
Worum handelt es sich hier? Ein Vergleich benutzt üblicherweise das Wörtchen „wie“ – wir suchen es vergebens. Liest man den Satz ganz wörtlich, dann bedeutet er: Der Glaube an den „Endsieg“ (von jedermann mit Adolf Hitler und dem Zweiten Weltkrieg assoziiert), wird heute formuliert als „Wir schaffen das!“, ein Satz, der unzweifelhaft zu Angela Merkel und der Flüchtlingskrise gehört. Man kann den Satz von Prof. Patzelt also durchaus als Gleichsetzung, als die direkte Behauptung einer historischen Wiederkehr lesen. Einige Rechtsradikale werden das auch getan haben: „Die Merkel wird durch die Ausländer Deutschland zu Grunde richten wie Hitler!“ Verräterischerweise hat Prof. Patzelt den Satz in seiner Rechtfertigung auch nicht wörtlich wiederholt, sondern umschrieben:
Ich hatte vor zwei Wochen über die Grenzen von Politik geschrieben und darauf hingewiesen, dass diese Grenzen auch nicht dadurch sonderlich ausgedehnt würden, dass man etwa an einen Endsieg glaubt oder es mit einem Mantra wie „Yo, wir schaffen das!“ versucht.
In dieser Version erscheinen nun zwei Sachverhalte nicht gleichgesetzt, sondern als unterschiedliche Beispiele für einen Sachverhalt aufgeführt. Ich glaube Prof. Patzelt auch, dass seine ursprüngliche Formulierung schon genauso gemeint gewesen ist, dass es sich also um einen impliziten Vergleich, keine Gleichsetzung handelte. Aber: Muss ein Autor, der sonst stets argumentative und sprachliche Sensibilität einfordert und besonders „Nazi-Vergleiche“ streng kritisiert, diese Maßstäbe nicht auch an sich selbst anlegen? Der Satz, mit dem Prof. Patzelt die Debatte lostrat, war missverständlich formuliert, wohl auch bewusst provozierend. Dies jedenfalls legt eine Aussage von Prof. Patzelt gegenüber dem Deutschlandfunk nahe, die sich schon auf seinen zweiten Beitrag zum Streit bezieht:
Hätte ich das Goebbels-Zitat nicht gebracht, spräche niemand über diese Kolumne, jetzt spricht man drüber, und natürlich will ich, dass meine Analysen und Argumente auch ein breites Publikum finden. Und wenn andere über Stöckchen drüber springen, soll mir das Recht sein.
Wer aber erst als bewusster Provokateur zu Missverständnissen einlädt und sich danach über Missverständnisse empört zeigt, der argumentiert unredlich – um ein Wort zu benutzen, das Prof. Patzelt selbst gern Gegnern entgegenschleudert.
Wer Prof. Patzelt kennt, der weiß natürlich, dass es ihm fernliegt, Hitler und Angela Merkel oder Nazis und Flüchtlingshelfer miteinander zu identifizieren. Meine Erwiderung in der folgenden Kolumne der Rubrik „Besorgte Bürger“ am 9. September war deswegen auch in heiterem Ton gehalten. Ich warf Prof. Patzelt keine Gleichsetzung vor, sondern signalisierte nur, dass ich seinen impliziten Vergleich für unsinnig halte. Denn die Unterschiede zwischen Zweitem Weltkrieg und Flüchtlingskrise sind so groß, dass eine Verknüpfung mir unsinnig erscheint. Ich halte die von Prof. Patzelt angenommene Ähnlichkeit schlicht für nicht vorhanden, denn die Flüchtlingshelfer waren keine merkelgläubige Masse, sondern engagierte und dabei durchaus kritisch reflektierte Menschen. So zumindest habe ich einige von ihnen kennengelernt. Wie viele Flüchtlingshelfer Prof. Patzelt persönlich getroffen hat, weiß ich nicht.
Damit hätte es nun sein Bewenden haben können, wenn Prof. Patzelt nicht die ununterdrückbare Leidenschaft hätte, in allen Fragen am Ende Recht zu behalten. Er beschloss, in der folgenden Kolumne am 16. September noch eins draufzusetzen und führte den impliziten Vergleich explizit aus. Wohlgemerkt sieht er die Ähnlichkeit der Flüchtlingshelfer mit den Deutschen unter dem Nationalsozialismus nicht in der moralischen Qualität ihres Tuns. Er sieht sie in einem Vertrauen-Wollen, einem unkritischen Glauben an politische Führer. Und dies erläuterte er u.a. mit dem folgenden Satz:
Gewiss war kein abscheulicher Krieg, sondern eine an menschlicher Schönheit schwer zu übertreffende Willkommenskultur, in was vor einem Jahr so viele hineingingen „wie in einen Gottesdienst“ (so einst Joseph Goebbels).
Ich habe bereits ausgeführt, warum ich diesen Vergleich sachlich für falsch halte. Ich halte ihn aber auch für schief und missraten, denn ein Vergleich (verstanden hier als Feststellung einer Ähnlichkeit) wird auch dann unsinnig, wenn die Unterschiede die Gemeinsamkeiten weit überwiegen. Würde ich z.B. äußern: „Prof. Patzelt ähnelt Dr. Goebbels!“ und dann auf die ausgelöste Empörung erwidern: „Was denn? Haben denn nicht beide Bücher geschrieben?“, dann würde meine Antwort gewiss nicht als hinreichende Erklärung akzeptiert. Prof. Patzelt bliebe beleidigt. Ebenso beleidigt sind nun aber die Flüchtlingshelfer, die sich mit Nazis verglichen sehen, obwohl ihr sicherlich vorhandener Optimismus dem Fanatismus der Nazis weder dem moralischen Wert noch der Intensität nach entspricht, ja ihm sogar entgegengesetzt ist. Dies hat Prof. Patzelt nun auch anerkannt, indem er sagt, er habe das Vertrauen-Wollen nicht dem „Grad“ oder der „Inhumanität“ nach gleichsetzen wollen. Aber diese Klarstellung folgt eben erst jetzt. Und es stellt sich schließlich die Frage: Wozu erst eine Ähnlichkeit zwischen Flüchtlingshelfern und Nazi-Soldaten behaupten, um dann in mühevoller Rechtfertigung herauszustellen, gar so ähnlich seien sich beide ja auch wieder nicht?
Differenzieren macht müde. Ich will’s dabei belassen. Ob ich Prof. Patzelt davon überzeugen konnte, dass er sich mit einem einfachen Eingeständnis, einmal einen missratenen Satz formuliert zu haben, die ganze Debatte hätte sparen können? Ich zweifle daran.
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Eine kürzere und naturgemäß etwas pointiertere Erwiderung auf Prof. Patzelts Beiträge erscheint am 23. September als Kolumne der Rubrik „Besorgte Bürger“ in der Sächsischen Zeitung.
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Prof. Patzelt hat auf die Kritik reagiert in einem Beitrag mit dem Titel Plisch und Plum.
Guten Abend Herr Bittner,
ich möchte mich Ihrer Einschätzung und Kritik an Herrn Prof. Patzelts letztem Kolumnenbeitrag in einigen Teilen anschließen und diese nachfolgend sogar noch erweitern.
Allerdings muss ich ihn zuvor auch insofern „in Schutz“ nehmen und in seiner Einschätzung der jetzigen Situation bekräftigen, dass die an seinem Text geäußerte Kritik leider zumeist eine völlig andere Richtung und Intention als die Ihrige hat. Während Sie darlegen, warum seine Äußerungen inhaltlich (teilweise) verfehlt und die gewählten Mittel wenig glücklich sind, zielt die Kritik Anderer, auch die des den jetzigen Diskurs auslösenden Atticus e.V. nach meinem Empfinden darauf ab, die Person, die Stellung und die politische Haltung des Herrn Prof. Patzelt herabzuwürdigen. So heißt es beim Atticus e.V. einleitenden:
„Die Äußerungen von Prof. Dr. Werner J. Patzelt von der TU Dresden missfallen uns schon lange. Dieses Mal wurde aus unserer Sicht eine rote Linie überschritten.“
Und weil Herr Prof. Patzelt eben schon lange ein Dorn im Auge dieser Vereinigung bzw. der dahinterstehenden Personen zu sein scheint und er jetzt auch noch eine – natürlich nicht näher beschriebene „rote Linie“ überschritten haben soll, sehen sich diese Personen augenscheinlich als Retter von Anstand und Moral, die nun genötigt sind korrigierend einzugreifen.
Weiterhin heißt es dann:
„Die Mitglieder von Atticus e.V. empfinden die Verwendung eines solchen Zitates aus der Endphase des 2. Weltkrieges unwissenschaftlich, unseriös und vor allem zutiefst beschämend – für Herrn Patzelt, aber vor allem für die Professur, die er innehat, und deren Universität.“
Dass diese Meinungsbekundung vermutlich nicht allein auf dem aktuellen Vorfall beruht legt allein schon das vorherige Zitat mehr als nahe und auch später bemerkt man schnell, dass hier offensichtlich einiger angestauter Frust von der Seele geschrieben werden musste. Wenn man sodann aber sogar seiner Stellung als Professor und gar der TU-Dresden eine Schande attestieren möchte, für dieses es sich zu schämen gelte, ist das nichts weiter als der Versuch aus ideologischen Gründen auf moralischer Ebene Stimmung zu machen und negative berufliche Konsequenzen herbeireden zu wollen.
Spätestens wenn es sodann an die Einbindung der Ansicht des Herrn Prof. Hajo Funke geht, dem man zuvor recht herzlich für seine Mitwirkung gedankt hat („Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg und Prof. Dr. Hajo Funke für die Unterstützung und Zitate.“) merkt man dem Atticus e.V. förmlich an, dass er sich an der persönlichen Herabwürdigung der Persondes Herrn Prof. Patzelt ergötzt , weil man augenscheinlich seine Person, seine Meinung und deren öffentliche Wirksamkeit nicht dulden möchte:
„Der Historiker und Rechtsextremismusforscher Prof. Dr. Hajo Funke aus Berlin merkt dazu an: „Das ist die Sprache eines ethnozentrisch verrohten, demagogischen Gemüts. […]“ “
Zur Verdeutlichung der vermeintlichen eigenen moralischen Überlegenheit scheint es dann aber trotzdem noch erforderlich, seine Aussage in denkbar schlechtesten Auslegungsvariante zu unterstellen, obwohl es eindeutige Hinweise im Text des Herrn Prof. Patzelt gibt, die das genaue Gegenteil belegen:
„Mit abschätzigem Blick würdigt er solches Engagement als „glaubensbrünstigen“ Eifer herab“
Und so kann ich es dann in der Gesamtschau auch nur unter blankem Hohn verbuchen, wenn der Atticus e.V. vorgibt:
„Atticus e.V. geht es nicht um Denkverbote oder die Einschränkung der Meinungsfreiheit“
Dass der vorgehende Abschnitt meines Kommentars nunmehr viel länger geworden ist als ursprünglich geplant, zeigt aber das der Fehler des Herrn Prof. Patzelt vor allem darin liegt, dass er mit seiner Provokation – vermutlich absichtlich, jedenfalls aber billigend in Kauf nehmend – wieder einmal eine persönliche Fehde losgetreten hat, die uns aber gesellschaftlich nicht voranbringt. Währenddessen sind seine einer inhaltlichen Debatte würdigen Gedanken aus dem Beitrag vollkommen unbeachtet geblieben.
Weder wird nunmehr darüber diskutiert, ob es eine Art von Politik- oder Führungsgläubigkeit gibt, noch darüber wo deren Ursachen liegen bzw. welche Folgen, Chancen und Risiken damit verbunden sind.
Ebenso gibt es keinen Streit darüber ob Phänomene wie PEGIDA oder das schnelle Erstarken der AfD Folgen oder Ursache für ein solches Verhalten sein könnten.
Es gibt keinen Austausch darüber, ob wir Bürger dies aus Bequemlichkeit oder aus Vernunft tun. Welche Rechtfertigung es dafür gegeben könnte oder was uns zwingt zukünftig mehr darauf zu achten.
Solche und ähnliche Überlegungen würden sich zu Hauf finden, zu untersuchen lohnen und besprechen lassen. Stattdessen ergehen Herr Prof. Patzelt, Sie – und oben auch ich – sich vor allem darin zu beurteilen, ob und in welcher Form bzw. in welchem Ausmaß die Kritik an seinen Nazivergleichen gerechtfertigt ist.
Ja, sogar der von mir so gescholtene Atticus e.V. hat es eigentlich im Grunde erkannt und nur für sich selbst leider überhaupt keine Konsequenzen gezogen bzw. verkannt, dass Herrn Prof. Patzelts Beitrag neben den verunglückten Nazizitaten genau das ermöglicht hätte, was der Verein angeblich selbst mit folgenden Worten fordert:
„Besonders aufgrund der aktuellen Entwicklung in Sachsen (z.B. Claußnitz, Heidenau, Bautzen) ist jedoch eine sachliche und würdige Auseinandersetzung mit dem Thema dringender denn je, auch im Rahmen einer polemischen Kolumne.“
Anstatt also die Zitate oder gar die Person des Herrn Prof. Patzelt zu bewerten, hätte wir alle etwas sinnvolleres tun können. Das was stattdessen passiert ist, darf man wohl getrost als Verschwendung von Zeit und intellektueller Ressourcen betrachten, oder?
Freundliche Grüße
Daniel Obermüller
Sehr geehrter Herr Obermüller, ich stimme Ihnen weitgehend zu. Die Kritik des Atticus e.V. scheint mir inhaltlich teilweise gerechtfertigt, sie hätte auf persönliche Vorwürfe wie den der Unseriosität aber verzichten können. Der Anwurf von Prof. Funke scheint mir auch etwas überdreht, die Worte von Prof. Rehberg hingegen angemessen. Allerdings trägt Prof. Patzelt durch seinen unnützen Nazi-Vergleich für diese unnötige Verschärfung des Tons eben auch eine Mitverantwortung. Sie haben auch völlig recht darin, dass eine inhaltliche Debatte zu den Ursachen der gesellschaftlichen Konflikte unvergleichlich sinnvoller wäre. Das Diskutieren über Vokabeln und Vergleiche ist in der Tat eine Zeitvergeudung, weshalb mir auch das Tippen dieses Textes zur Qual wurde, was man ihm sicherlich anmerkt. Wenn die Fortsetzung dieser Debatte einen Sinn haben soll, dann kann er nur darin liegen, dass wir über die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf Deutschland diskutieren.
Ihre Kritik kann man so nicht nachvollziehen, die verdrehen die Faken so lange bis diese in ihr doch eindeutig linkes Weltbild passt. Leider ist es heute üblich, wenn einen eine Person nicht gefällt, auch wenn er Recht hat, bewirft man diese mit angeblichen Nazi-Vorwürfen.
Wenn sie wirklich neutral wären, würden Sie deutlich erkennen, das die jetzigen Verhältnisse an die Weimarer Zeit, als die Anhänger der NSDAP alle die eine andere Meinung hatten, als Feinde ansah. Auch damals war die Masse der Bevölkerung ohne Wissen der wirklichen Fakten und gleubten denen die am lautetesten geschriehen bzw. die Medien auf ihrer Seite hatten.
Und Heute ist es doch nicht anders, obwohl wir alle wissen das es nicht weitergehen kann, werden die Mahner als Braunes Pack und Nazis bezeichnet, Zahlen und Meldungen werden oft manipuliert, so das es den Regierenden ins Konzept passt. Vor 1933 hat keiner das Buch „Mein Kampf“ gelesen, weil dieses verharmlost wurde, obwohl der Ablauf aus dem Buch zum größten Teil übernommen wurde. Und jetzt wird dieser Fehler wiederholt, weil keiner das „neue Buch – den Koran“ liest. Denn auch da steht exakt drin, was kommen wird, wenn diese an die Macht kommen.
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Statt reflexartig, berechtigte Kritik voreilig zu verteufeln, sollte man diese ernst nehmen und erst mal nachdenken, bevor man voreilig fehlerhafte Meinungen vertreibt.
Hallo Melanie,
ich denke, dass Ihre Kritik an Herrn Bittner in diesem Fall nicht passt. Auch störe mich oft ein seiner – aus meiner Sicht – zu linksorientierten politischen Einschätzung. Das was Sie ihm in Ihrem Kommentar aber unterstellen, trifft einfach nicht zu:
Ich kann in Herrn Bittners Text keine „Nazi-Vorwürfe“ gegenüber Herrn Prof. Patzelt erkennen. Es geht vielmehr darum, dass Herrn Prof. Patzelt zunächst vom atticus e.V. vorgeworfen wurde seinerseits die Flüchtlingshelfer herabgewürdigt zu haben, und dass insbesondere eine angebliche Gleichsetzung dieser mit den Bürgern im dritten Reich unter Verwendung eines Zitats von Goebbels unangebracht sei. In diesem Zusammenhang versucht Herr Bittner zu klären, ob und in welchem Ausmaß die Anwürfe des atticus e.V. aus seiner Sicht gerechtfertigt sind. Dabei kommt er zu einem differenzierten Bild, in dem er sicherlich klar macht, dass er das Vorgehen von Herrn Prof. Patzelt in diesem konkreten Fall für falsch hält und auch seine persönlichen Probleme mit bestimmten Verhaltensweisen von Herrn Prof. Patzelt hat – keinesfalls aber würdigt er diesen zu einem Nazi herab. Ja, er stellt letztlich noch nicht mal die Kernaussage von Herrn Prof. Patzelt in Frage, sondern sieht lediglich eine Überhöhung des Problems und hält vor allem die Umsetzung für unnötig polemisch und fragwürdig.
Auch Ihre weiteren Thesen kann ich nicht nachvollziehen. Wieso wissen wir alle, „das es nicht weitergehen kann.“ Fangen wir damit an, dass es schön wäre, wenn Sie für mich dies spezifizieren könnten. Meinen Sie die Aufnahme von Flüchtlingen? Meinen Sie die Ausbeutung afrikanischer und asiatischer Staaten? Meinen Sie die Regierungspolitik im Allgemeinen? Nur wenn Sie dies spezifizieren, ist es der Gesellschaft insgesamt möglich Ihre Ansicht angemessen zu durchdenken und mit Ihnen zu diskutieren. Eine ehrlichgemeinte und angemessene Berücksichtigung etwaiger – auch berechtigter – Bedenken setzt meiner Meinung nach also voraus, dass diese keine Allgemeinplätze bleiben, sondern konkret geäußert werden.
Im Weiteren würde ich mich freuen, wenn Sie mir sagen könnten, warum Sie glauben, dass dieses Problem, das Sie ansprechen wollten, so nicht weitergehen kann. Dazu ist meines Erachtens dann erforderlich, den aus Ihrer Sicht vorhandenen status quo benennen und anschließend zu erklären, warum dieser keine angemessene Lösung darstellt. Ich möchte das jetzt einmal exemplarisch an dem Thema Flüchtlingspolitik darstellen.
Nach meiner Einschätzung ist die aktuelle Situation so, dass Deutschland durch die Abriegelung der europäischen Grenzen und den Türkei-Flüchtlingsdeal bereits eine erhebliche Eindämmung der „Zuwanderung“ vorgenommen hat. Das führt z.B. dazu, dass wieder mehr Menschen im Mittelmehr ertrinken, weil die sichereren Routen dicht sind.
Außerdem „übersenden“ wir in diesem Zusammenhang Menschen in die Türkei, obwohl viele internationale Menschenrechtsorganisationen mitteilen, dass diese in den Lagern unter extrem bedenklichen hygienischen und medizinischen Bedingungen leben müssen. Ebenso ist bekannt, das es aufgrund der religiösen und ethnischen Unterschiede zu Auseinandersetzungen kommt. Auch habe ich schon gelesen, dass die Bewohner der Lage teilweise gefoltert werden sollen.
All dies geschieht damit wir unsere Ruhe haben.
Gleichzeitig wird jedoch augenscheinlich viel zu wenig für die Bekämpfung der Fluchtursachen getan. Ich kann weder erkennen, dass wir weniger Waffen exportieren würden, noch sehe ich eine nachhaltige Entwicklungshilfe. Auch eine zumindest diplomatische Bekämpfung totalitärer Regime kann ich immer nur dort feststellen, wo es außenpolitische „Notwendigkeiten“ oder wirtschaftliche Interessen gibt.
Ich halte das alles für unmenschlich und finde deshalb, dass es so nicht bleiben darf. Allerdings sehe ich auch, dass es nicht so sein kann, wie im letzten Jahr. Dies hat uns als Bevölkerung emotional und organisatorisch überfordert. Regierung und Verwaltung haben es sich dann zu leicht gemacht, in dem Sie einerseits die Verantwortung für die Bewältigung der Aufgaben teilweise an die freiwilligen Helfer und sozialen Organisationen abgegeben, von allen Menschen die Hinnahme von Einschnitten gefordert und andererseits alle kritischen Stimmen pauschal abgebügelt oder gar beschimpft haben.
Das Ergebnis ist eine emotional in vielen Belangen gespaltene Bevölkerung, teure aber vielfach leere Flüchtlingsunterkünfte, Angst vor Terrorismus samt Ausnutzung dieser Befürchtungen für die Ausweitung einer staatlichen Überwachung, eine zunehmende Verrohung der Streitkultur, ein auseinandertriftendes Europa und das alles ohne im Gegenzug einen erkennbaren einen Fortschritt bei den Fluchtursachen erreicht zu haben.
Bei all dem schätze ich die Lage so ein, dass es längst soweit ist, dass die Globalisierung nicht mehr umkehrbar ist und wir uns nicht einreden sollten, dass wir durch Abschirmung unser heiles Fleckchen Erde behalten können. Vielmehr wird es unsere Aufgabe sein, uns so zu verhalten, dass es überall auf der Erde lebenswert ist, da wir ansonsten überrannt werden. Folglich muss damit begonnen werden, deeskalierend in Krisengebieten zu agieren, auch wenn einige deutsche und europäische Unternehmen von dem Gegenteil profitieren würden. Wir brauch gute Flüchtlingsunterkünfte in den betroffenen Ländern oder jedenfalls innerhalb des unmittelbaren Umfelds. Wir brauchen ein System, dass erlaubt bereits dort Asylanträge zu stellen, damit dann eine geordnete und sichere Verbringung der Flüchtlinge in das Aufnahmeland gewährleistet ist. Innerhalb dieser Länder braucht es vernünftige Strukturen, die die Bevölkerung akzeptieren kann. Es muss dafür gesorgt werden, dass Zuwanderung unter der Prämisse einer gewissen Anpassung an die jeweiligen regionalen Werte erfolgt. Für Flüchtlinge darf es folglich nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder aktive Integration oder die Bereitschaft zur Rückkehr nach Wegfall der Fluchtursache. In beiden Fällen muss bis dahin aber jedenfalls eine Anerkennung der Gesetze des Aufnahmestaates und deren grundsätzlichen Werte erfolgen.
Wir brauchen eine weltweite nachhaltige Entwicklungshilfe. Die Menschen müssen sich selbst versorgen können. Dazu bedarf es Solidarität. So wie der Arbeitslose hier die Grundbedürfnisse befriedigt bekommt, so muss über all auf der Welt gesichert sein, dass man Kleidung, Essen und ein Dach über dem Kopf hat. Vermutlich wird das nur möglich sein, wenn auch über all auf der Welt die Möglichkeit besteht einer sinnvollen und produktiven Beschäftigung nachgehen zu können.
Jetzt sollten Sie meines Erachtens in der Lage sein, meine Grundsatzeinschätzung zur aktuellen Flüchtlingspolitik nachzuvollziehen und mich darin zu bestärken bzw. mir Einschränkungen meiner Überlegungen oder gar das Gegenteil argumentativ näher zu bringen. Ich würde mich darüber freuen, wenn Sie sich die Mühe machen!