Es ist schon einige Jahre her, da geriet ich in Dresden in den Vortrag eines mir unbekannten jungen Mannes namens Philipp Ruch. Der gebürtige Dresdner stellte das von ihm begründete Projekt „Zentrum für politische Schönheit“ vor, das gerade eine seiner ersten Aktionen verwirklichte: Um an den Völkermord in Srebrenica und das Versagen der Vereinten Nationen zu erinnern, sammelten Ruch und seine Mitstreiter in Bosnien Schuhe von Opfern und deren Angehörigen, aus denen aufgehäuft ein Denkmal entstehen sollte.
Das Symbol des Schuhbergs erinnerte an die Bilder aus dem Vernichtungslager Auschwitz – und zwar mit Absicht, wie Ruch einräumte, denn um groß in die Medien zu kommen, müsse man eben „was mit Holocaust machen“. Außerdem sah er sich selbst in der Tradition der Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime. Auf mich wirkte er eher wie ein leicht größenwahnsinniger Sektenführer.
Das „Zentrum für politische Schönheit“ hat seitdem zahlreiche Aktionen im Graubereich zwischen Kunstperformance und politischer Intervention veranstaltet. Immer wieder beschlich mich, wenn ich von Ruchs neuestem Streich hörte, ein Unbehagen. Die Ziele der meisten Aktionen erschienen mir lobenswert, doch konnte ich mich oft nicht mit den billigen, geschmacklosen und moralinsauren Provokationen anfreunden, die da inszeniert wurden.
So geht es mir nun auch wieder mit dem Nachbau des Holocaust-Mahnmals neben dem Haus des AfD-Politikers Björn Höcke. Haben die Kunstaktivisten wirklich keine Skrupel, mit ihrem Mahnmal aus Pappmaché das Gedenken an den Völkermord an den Juden zur banalen Waffe im politischen Streit zu erniedrigen? Merken sie nicht, dass sie mit ihrer Forderung, Höcke solle auf Knien Buße tun und um Vergebung bitten, den eitlen Mann bloß dahin treiben, wo er sich am wohlsten fühlt, in die Rolle des Opfers nämlich?
Was über diesen Mann zu sagen ist, hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz schon nach Höckes Rede im Dresdner Ballhaus Watzke gesagt: „Das ist ein Nazi. Und er ist dort nicht der einzige.“ Was soll man nun an einem noch entlarven, der sein wahres Gesicht schon zeigte, als er 2010 grölend mit Neonazis in Dresden aufmarschierte? Wie einen beschämen, der offenkundig schamlos ist? Es gibt Menschen, die sind schlicht unter aller Kritik.
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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.