Die letzten Männer

Recht oft hört man leider inzwischen von aussterbenden Arten. Fast habe ich mich an diese traurigen Meldungen schon gewöhnt. In jüngster Zeit aber merke ich bei solchen Schreckensnachrichten doch öfter auf, denn es geht nicht mehr wie früher nur um das Sumatra-Nashorn, die Kleine Hufeisennase oder den Feuersalamander, sondern auch um den gemeinen Mann. Der stehe nämlich ebenfalls vor der Ausrottung, so verkünden es jedenfalls zahllose Artikel, die gerade von verängstigten Männern verfasst werden.

Schuld am Niedergang sei eine mysteriöse Seuche namens „Genderwahn“. Infizierte Männer büßen angeblich ihre Männlichkeit ein. Sie fangen an, im Sitzen zu pinkeln, über Gefühle zu reden und Salat zu essen. Wegen ihrer Verweichlichung sind sie dann nicht mehr in der Lage, ihre Weiber gegen Säbelzahntiger und Südländer zu verteidigen. Erkrankte Frauen empfinden es wiederum neuerdings als sexuelle Belästigung, wenn ihnen ein Fremder zünftig auf den Hintern klatscht. Manche Frau bildet sich plötzlich ein, auf Männer überhaupt verzichten zu können. Und einige menschliche Wesen vergessen im Genderwahn gar, welchem Geschlecht sie angehören! Das geht doch nun wirklich gegen jede Ordnung!

Die zurückliegenden Feiertage zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr konnten mich erfreulicherweise beruhigen. Ich schaltete nämlich den Fernseher ein. Als bedeutendstes Sportereignis wurde eine Weltmeisterschaft übertragen, bei der Männer mit Halbglatze und körpereigenem Bierkessel kleine Pfeile auf eine Scheibe warfen, lautstark angefeuert von äußerlich ähnlich veranlagten Geschlechtsgenossen im Vollrausch. Im Nachbarprogramm suchten derweil bärtige Männer in der nordamerikanischen Wildnis nach Gold: „Kann Joe seinen Bagger am Giant Nugget Claim reparieren, bevor der Winter einbricht, um noch die 2000 Unzen zu schürfen, die er braucht, um seiner Frau die versprochene Brustvergrößerung zu bezahlen?“

Auch den abendlichen Spielfilmen hatte der grassierende Feminismus nichts anhaben können: Ob James Bond, Harry Potter oder Kevin allein zu Haus – überall waren es wie eh und je weiße Jungs, die mit ihren Heldentaten das Universum oder zumindest das Weihnachtsfest retteten. Und in den Nachrichten grüßte aus Washington grinsend ein pampelmusenfarbiger Primat, angeblich gerade von den Bürgern zum mächtigsten Mann der Welt gewählt. Vielleicht bekäme der Erde ein bisschen Genderwahn doch gar nicht so schlecht.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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Kommentare
  1. Frans Bonhomme

    Nun, vielleicht bewahrt die im Genderwahn beschlossene paritätische Umbenennung der Berliner Straßen Frauen in Zukunft davor, sich für einen Schlafplatz prostituieren zu müssen.

    Man muss sich eben um die wirklich wichtigen Dinge zuerst kümmern.

    https://www.welt.de/vermischtes/article172347684/Wohnungslosigkeit-Das-Problem-ist-in-der-deutschen-Mittelschicht-angekommen.html

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/strassenumbenennungen-in-berlin-stadt-ohne-plan/9159702.html

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    • Michael Bittner

      Ihr Denkfehler ist offenkundig: Jede vielleicht nicht allzu wichtige, aber grundsätzlich gute oder zumindest nicht schädliche Maßnahme lässt sich dadurch denunzieren, dass man auf irgendetwas Wichtigeres verweist. Aber etwas Gutes wird nicht dadurch schlecht, dass es noch Wichtigeres gibt.

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  2. Frans Bonhomme

    Natürlich wäre es ein Denkfehler, wenn denn auch beide Maßnahmen ergriffen würden. Aber wenn handfeste Sozialprojekte durch Symbolpolitik ersetzt werden, dann trifft meine Kritik zu, denn genau danach sieht es aus. Bisher kann ich keine Taten erkennen, den sozialen Wohnungsbau im erforderlichen Ausmaß voranzutreiben.

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