Feigheit vor dem Volk

Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine Gruppe von Empörten eine Petition zur Rettung des Abendlandes der Menschheit zur Unterschrift vorlegt. Jüngst versammelte sich eine Auswahl der intellektuellen Elite Sachsens (Werner J. Patzelt, DJ Happy Vibes u.a.), um der Weltöffentlichkeit einen Aufruf zugunsten des Kabarettisten Uwe Steimle anzutragen. Eine „Ökumenische FriedensDekade“ hatte Steimle erst zum Schirmherrn erkoren, dann die Ernennung nach Protesten rückgängig gemacht – gewiss kein guter Stil. Steimle trug’s mit Fassung, seine Unterstützer aber nicht, denn sogleich war wieder einmal nichts Geringeres als die Redefreiheit in Gefahr.

Ich glaube, Uwe Steimle kann besser als eine Petition ein paar offene Worte gebrauchen. Es ist für jeden mitfühlenden Menschen traurig anzuschauen, wie Steimle sich in den verbitterten Jammerossi verwandelt, den er früher so komisch und anrührend nur gespielt hat. In seinen monotonen Tiraden gegen die bösen Amis und den Kriegstreiber Israel, seinen Hymnen auf die Friedensmacht Russland, klingt er nicht mehr wie ein Kabarettist, sondern wie ein Staatsbürgerkundelehrer. Seine Gedanken gelten dem Frieden, was lobenswert wäre, begriffe er auch noch, dass man dem Frieden nicht dient, wenn man sich in einem Kampf auf eine Seite schlägt, in dem beide Seiten Schuld auf sich laden.

„Ein guter Kabarettist hält den Regierenden den Spiegel vors Gesicht und nicht dem Volke!“, so lautet der dümmste Satz aus der Petition. Als wäre nicht jenes öde Keifen gegen „die Politiker“, das sich auf dem Niveau von Witzen über „die Ostfriesen“ und „die Blondinen“ bewegt, längst auch den Klügeren unter den Kabarettisten peinlich. Der Satz fordert Feigheit vor dem Volk. Ein guter Satiriker aber deckt auch dessen Schwächen und Vorurteile auf, biedert sich beim Publikum nicht an, selbst wenn ihn das Applaus kostet. Ein Volk hat die Politiker, die es verdient. Vielleicht sieht es im Osten auch deswegen so trübe aus, weil hier so viele wohlfeil gegen „die da oben“ meckern, die Schuld immer bei anderen suchen, aber selbst nicht mit anpacken wollen. Da reichen sich schlechtes Kabarett und Populismus die Hand. Das musste ich einfach mal sagen, auch wenn es nur wenige unterschreiben werden.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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Kommentare
  1. Frans Bonhomme

    „Frieden nicht dient, wenn man sich in einem Kampf auf eine Seite schlägt, in dem beide Seiten Schuld auf sich laden.“

    Prinzipiell zwar richtig, doch ich habe mir gerade die Folien angesehen, mit dem UK „beweisst“, dass Russland für den Anschlag verantwortlich ist. Ich gehe davon aus, dass diese geleakten Folien echt sind. Selbst wenn Russland verantwortlich wäre, zeigt Folie Nr. 4 ganz offen, dass man hier jede Form von Fairness und Verantwortung über Board geworfen hat und das sich unsere Regierung ganz klar auf eine Seite schlägt.

    Das Sie in diesem Kontext Steimle dafür anzählen, nicht 100% ausgewogen zu sein, finde ich vor dem Kontext des erdrückenden Übergewicht der staatlichen und der medialen Meinung zu dem Thema einfach lächerlich.
    Da dient Steimle eher noch dem Frieden als Sie.

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    • Pedroleum

      Zitat: „Prinzipiell zwar richtig, doch ich habe mir gerade die Folien angesehen, mit dem UK ,beweisst‘, dass Russland für den Anschlag verantwortlich ist. Ich gehe davon aus, dass diese geleakten Folien echt sind. Selbst wenn Russland verantwortlich wäre, zeigt Folie Nr. 4 ganz offen, dass man hier jede Form von Fairness und Verantwortung über Board geworfen hat und das sich unsere Regierung ganz klar auf eine Seite schlägt.“

      Wie kommen Sie darauf, dass es bei Steimles Äußerungen um den Fall Skripal geht? Meines Wissens sind geht es um Äußerungen, die er vor diesem Ereignis getätigt hat. Der Anschlag auf Skripal und seine Tochter ereignete sich am 4.3., die Kontroverse um Steimle als Schirmherr der Ökumenischen Friedensdekade fand in den Tagen davor statt (vgl. https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2018/02/Kontroverse-um-Uwe-Steimle-als-Schirmherr-der-Oekumenischen-Friedensdekade-2018-207434 ).

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  2. Frans Bonhomme

    Es ging um seine „Hymnen auf die Friedensmacht Russland“. Diese Unausgewogenheit sei ihm gegönnt, denn für die „Gräuelgeschichten vom Reich des Bösen Russland“ sorgt Steimle ja schon zwangsweise mit seinen GEZ-Beiträgen. Da scheint es nur wohlfeil, wenn er sich privat ganz zwanglos zum Ausgleich eine russophile Meinung leistet.

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    • Pedroleum

      Ja klar, wegen des vermeintlichen „erdrückenden Übergewichts der staatlichen und der medialen Meinung“ zu Russland, darf Hr. Bittner Steimle nicht kritisieren. Total logisch.

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        • Pedroleum

          Natürlich dürfen Sie Dr. Bittner kritisieren, aber Sie sollten ihm nichts in den Mund legen, was er nicht gesagt hat. Und er bezieht sich ganz sicher nicht auf den Fall Skripal, wenn er ironisch von der „Friedensmacht Russland“ spricht.

          Mir scheint, Sie konstruieren mit dem Verweis auf den Fall Skripal einen Strohmann bzw. Pappkameraden, auf den Sie argumentativ einschlagen können, weil Sie sonst keine Argumente in der Hand haben, mit denen Sie Steimles peinliche Anbiederung an Russland verteidigen können.

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          • Frans Bonhomme

            Ich weiß, dass Bittner sich nicht auf Skripal bezieht. Es geht um den generellen Umgang mit Russland, für den ich exemplarisch Skripal angeführt habe. Auf Folie 4 führt GB doch alle jüngsten „Schandtaten“ Russlands auf. Gerne können Sie sich eine andere als Skripal heraussuchen (Georgien?), über die Sie lieber diskutieren möchten.
            Ob man Steimle’s Art mag hin oder her, hier geht es darum, ob man sein Gehirn abschalten will sobald im UN Sicherheitsrat mal wieder ein weisses Fläschchen als „Beweis“ hochgehalten wird.

  3. Frans Bonhomme

    Nachtrag: Frau Friedenskanzlerin hatte sich damals im Bundestag ja vehement für den Irakkrieg eingesetzt. Und der soll ja irgendwie was mit dem Aufstieg des IS und der Zerstörung Syriens zutun haben. Aber Migration, Feinstaub und Euro-Krise sind eher unwichtig Probleme, wenn es zum Krieg an der neuen Ostgrenze kommt, hinter der sich der Russe dank NATO-Osterweiterung zunehmen eingekreist fühlt. Von daher finde ich Steimle garnicht mal so verpeilt, wie er vom Establishment dargestellt wird.

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  4. Frans Bonhomme

    Dieses Europa ist ein Europa des Krieges. Hier zählten nicht Beweise oder Fakten, hier zählte nur der Wille zu bomben. Nun wissen wir: das Bauchgefühl eines Steimle hatte wohl mehr recht als die ganzen P.C. Klugscheisser zusammen.

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