Kunstblut und Wurzelsucher

Die Wut, die zivilisierte Menschen angesichts der Erfolge Donald Trumps überkommt, lässt sich durch die unverschämte Unanständigkeit erklären, der er seine Siege verdankt. Trump verkörpert den Charaktertyp des „Bully“ vollkommen, er ist ein Meister des Mobbings, der es glänzend versteht, seine Gegner lächerlich zu machen, zu erniedrigen und zu beleidigen. Dies alles gelänge ihm nicht ohne ein feines Gespür für die Schwächen seiner Feinde. Ein Schimpfname wie „Crooked Hillary“ (korrupte Hillary) konnte an seiner Gegnerin im Präsidentschaftswahlkampf nur hängenbleiben, weil Clintons tatsächlich intrigantes und rücksichtsloses Wesen ihm Halt bot.

Eine andere Lieblingsgegnerin Trumps ist die Senatorin Elizabeth Warren, eine Juraprofessorin, die in der Ära Barack Obamas als Vorkämpferin des Verbraucherschutzes und der Bankenregulierung zu einiger Popularität gelangte und inzwischen zu den Stars des linken Flügels der Demokratischen Partei zählt. Trump bezeichnet sie mit Vorliebe als „Pocahontas“, ein Spottname, der sich auf Warrens Behauptung bezieht, sie stamme mütterlicherseits von amerikanischen Ureinwohnern ab. Scott Brown, ihr Gegner im Kampf um einen Senatssitz von Massachusetts, erhob als erster den Vorwurf, Warren habe sich zu Unrecht als Person of Color ausgegeben, um berufliche Vorteile zu erlangen. Er forderte sie auf, ihre angebliche Abstammung durch einen Gentest nachzuweisen. Warren lehnte das ab. Sie beruft sich statt dessen auf Erzählungen ihrer Eltern sowie die »hohen Wangenknochen« in ihrer Familie. Spott über ihre Behauptungen wies Warren als „rassistisch“ zurück. Wie alle Rassisten der Gegenwart versäumte es der US-Präsident nicht, den Vorwurf zurückzugeben: „Sie hat ihre Herkunft erfunden, ich denke, das ist rassistisch. Ich denke, sie ist eine Rassistin, denn was sie gemacht hat, war wirklich sehr rassistisch.“

Die Motive, die Trump zu diesem Angriff treiben, sind durchsichtig. Dennoch bleibt auch bei Beobachtern, die nicht zu den Fans des Präsidenten zählen, ein Unbehagen zurück. Wieso dilettiert eine angeblich progressive Politikerin in der zum Glück vergessenen Wissenschaft der Schädelkunde? Weshalb bemühen sich ihre Anhänger, Belege dafür zu sammeln, Warren sei wirklich und wahrhaftig zu „1/32 amerikanische Ureinwohnerin“? Welch seltsamem Blutkult frönen hier plötzlich Linke?

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Kommentare
  1. Frans Bonhomme

    Genau dieser Einwand, dass die Identitätspolitik sich am Ende ob ihrer inneren logischen Widersprüche als substanzlos herausstellt, die Linken spaltet und sie in den Augen des potentiellen Wählers als die wunderliche Bizarr-Linke erscheinen lässt, wurde vor ca. 1 Jahr selbst noch als „braun“ abgeschmettert. Schön, das so langsam das Nachdenken einsetzt, da besteht also noch Hoffnung für die Linke.

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    • Michael Bittner

      Die Identitätspolitik ist sicher nicht „substanzlos“, sonst müsste man sich mit ihr gar nicht beschäftigen. Ihr Anliegen, der sexuellen und kulturellen Diversität gesellschaftlich zum Durchbruch zu verhelfen, ist auch nicht falsch. Erst die Verabsolutierung ist gefährlich, wenn nämlich der Kampf für bestimmte, von Vornherein festgelegte Gruppen die eigentliche linke Grundidee zersetzt, die universelle Solidarität.

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