Warum wir nicht verzweifeln müssen

Dieser Vortrag wurde am 19. Januar 2019 beim Landestreffen des Netzwerks Tolerantes Sachsen in Dresden gehalten. Für die Veröffentlichung hier habe ich ihn noch einmal durchgesehen und an wenigen Stellen verbessert.

Zunächst möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, hier beim Landestreffen des Netzwerks Tolerantes Sachsen reden zu dürfen. Als ich eingeladen wurde, erreichte mich auch die Bitte, wenn möglich ein paar aufmunternde Worte angesichts der in diesem Jahr anstehenden Wahlen zu sagen. Es fällt mir nicht ganz leicht, diesen Wunsch zu erfüllen. Ich bin kein geschulter Motivationsredner und neige persönlich auch nicht übermäßig stark zum Optimismus. Aber schließlich fand ich es doch reizvoll, unsere gegenwärtige Lage einmal ganz anders als sonst zu betrachten, gleichsam im Licht der Hoffnung.

Man muss allerdings zunächst zugeben: Gerade für Sachsen sind die Aussichten nicht die besten. Es ist möglich, dass in Sachsen am Ende des Jahres die Partei Alternative für Deutschland in irgendeiner Form an der Regierung beteiligt sein wird. Doch scheint es auch Raum für andere Bündnisse zu geben. Die AfD hat ihre Kraft derzeit ausgeschöpft und erlahmt, mancherorts ist sie sogar auf dem Rückzug und verliert an Zustimmung. Nicht einmal mehr die Maulwürfe vom Verfassungsschutz können inzwischen übersehen, dass es sich um eine rechtsradikale Partei handelt. Aber selbst wenn es gelingt, genügend demokratische Wähler zur Abstimmung zu ermuntern, sodass die AfD bei den Wahlen dieses Jahres eine Enttäuschung erlebt, ist damit die Gefahr nicht gebannt. Deutschland ist nur ein Paradies auf Zeit. Den meisten Deutschen geht es noch vergleichsweise gut. In vielen anderen Ländern sind jene Bewegungen und Parteien, die man „rechtspopulistisch“ nennt, längst an der Macht. Auch in Deutschland könnte dies schon im Laufe der nächsten Krise geschehen.

Was ist eigentlich dieser „Rechtspopulismus“ und wie lässt sich sein Erfolg erklären? Auch wenn es nicht schwer ist, auf braune Stellen zu stoßen, wenn man bei den „neuen Rechten“ ein bisschen an der Oberfläche kratzt, ist es doch irreführend, sie ausschließlich als Wiedergänger des Nationalsozialismus zu betrachten. Auf diese Weise wird man nämlich blind für die neuartigen Strategien, denen sie ihren Erfolg verdanken. Der ideologische Kern ist allerdings tatsächlich alt. Die „neuen Rechten“ sind radikale Nationalisten wie die alten es waren. Ausgangs- und Zielpunkt ihrer Forderungen ist nicht der einzelne Mensch oder die Menschheit, sondern die Nation – richtiger gesagt: jenes Bild der Nation, das die Nationalisten sich machen. Die Rechte der einzelnen Bürger wie die Interessen anderer Völker werden dem nationalen Egoismus rücksichtslos untergeordnet. Deswegen ist dieser Nationalismus auch notwendig rassistisch. Er betrachtet die eigenen Bürger wie die Fremden nur als Exemplare von Typen, als Menschenmaterial oder als Feind. Menschenrechte sind für ihn nur eine Illusion. Die nationalistische Vision für die Welt ist der ewige Krieg der Kulturen. Damit dieser Krieg nie endet, müssen die Gegensätze zwischen den Völkern bestehen bleiben. Sie dürfen sich einander nicht annähern, nicht räumlich und nicht politisch, erst recht dürfen sie sich nicht miteinander vermischen oder gar vereinigen.

Diese ebenso sinn- wie trostlose Weltanschauung ist natürlich nicht für den Erfolg der Nationalisten verantwortlich. Würden mehr Menschen diese Ideologie klar erkennen, fühlten sie sich von ihr sicher eher abgestoßen. Aber es ist für manche nicht leicht, diesen ideologischen Kern zu sehen, weil der Nationalismus sich attraktiv verkleidet hat.

Es gelingt den neuen Rassisten, ihren Anhängern das gute Gefühl zu vermitteln, sie propagierten ja gar keinen Rassismus. Wir sind „Ethnopluralisten“, sagen sie, wir wollen keine fremden Rassen diskriminieren oder unterjochen, wir möchten nur, dass alle Kulturen in ihrer Eigenart erhalten bleiben. Auf diese trickreiche Argumentation fällt nur der herein, der sich nicht erinnert, dass der Rassismus von jeher einen doppelten Charakter hatte. Der offensive Rassismus war die Ideologie, mit der die Kolonialisten und Imperialisten die Eroberung und Ausbeutung von vermeintlich unterlegenen Völkern rechtfertigten. Dieser Rassismus findet heute in der Tat kaum noch Unterstützung. Sehr wohl aber floriert der defensive Rassismus, der lehrt, verschiedene Kulturen wären unvereinbar und eine Vermischung müsste katastrophale Auswirkungen haben. Diese Vorstellung ist offenkundig Unsinn, denn es hat in der Geschichte kulturell homogene Staaten nie gegeben. Der nationalistische Versuch, sie herzustellen, führte in den letzten beiden Jahrhunderten zu Krieg und Völkermord. Der Wahn der Reinheit entspricht aber genau den heutigen Bedürfnissen der schrumpfenden, alternden, verängstigten Gesellschaften des Nordens, die nach einer Rechtfertigung dafür suchen, sich die Probleme und die Menschen des armen Südens vom Leibe zu halten.

Zum Erfolg der Nationalisten trägt auch die Kunst bei, mit der sie sich als fürsorgliche Vertreter der „kleinen Leute“ kostümieren, selbstverständlich nur der „kleinen Leute“ der eigenen Nation. Es gibt in allen Ländern der Welt Menschen, die von der Globalisierung nicht profitieren, sondern sie nur als Ursache für verschärften Wettbewerb und wachsende Unsicherheit wahrnehmen. Von den traditionellen Parteien der Linken fühlen diese Menschen sich vielfach vernachlässigt oder verraten. Ihnen erscheint die Behauptung einleuchtend, dass wir uns mehr um uns selbst und weniger um Fremde und das Ausland kümmern sollten. Und sie fragen sich nicht, ob dieses „Wir“ nicht eine Illusion ist, die ihnen von nationalistischen Propagandisten wie Thilo Sarrazin vorgespiegelt wird, die tatsächlich mit der neoliberalen Entfesselung des Kapitalismus ganz einverstanden sind.

Es sind also weder allein notorische Rassisten, die aus Überzeugung die neuen Nationalisten wählen, noch sind es allein sozial Abgehängte, die ihnen aus bloßem Frust ihre Stimme geben. Der neue Nationalismus ist so erfolgreich, weil er gleichzeitig die Menschen anspricht, die viel zu verlieren haben, und die Menschen, die nichts zu verlieren haben.

Der Erfolg der neuen Nationalisten auf der ganzen Welt versetzt viele Menschen in Angst und Schrecken. Einige sehen eine Wiederkehr des Faschismus unmittelbar bevorstehen. Auch in Deutschland fürchten einige das kommende Vierte Reich. Ich halte diese Ängste zwar nicht für unbegründet, aber doch für übertrieben. Um meine Auffassung zu erklären, möchte ich einmal nicht über die Gemeinsamkeiten unserer Zeit mit der Ära des Faschismus sprechen, was schon vielfach getan wurde, auch von mir selbst. Stattdessen will ich auf die Unterschiede hinweisen.

Der Faschismus stammt zwar ideologisch bereits aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als politische Massenbewegung wurde er aber erst nach dem Krieg wirksam. Er wäre nicht möglich gewesen ohne die Brutalisierung der Massen, ebenso nicht ohne eine Vielzahl von jungen, oft beschäftigungslosen Männern, die bereit waren, für ihre Weltanschauung in den Kampf zu ziehen, zu töten und zu sterben. Nichts davon gibt es heute in den überalterten Wohlstandsgesellschaften der westlichen Welt. Deswegen klagt zum Beispiel Götz Kubitschek so anrührend über die „Verhausschweinung“ der Deutschen, die lieber mit einem Bier am Strand sitzen als zum Schwert zu greifen. Die neuen Nationalisten haben keine kampfbereiten Massen, sie haben ein Häuflein identitäre Nazi-Hipster, deren Mut gerade dazu reicht, ein paar Knallfrösche oder Stinkbomben zu zünden. Sie träumen vom Bürgerkrieg, aber sie sind nicht bereit und nicht fähig, ihn auszufechten. Sie wissen auch, dass die große Mehrheit der Menschen heute politischen Terror verabscheut. Die Faschisten und Nationalsozialisten protzten einst mit ihren Gewalttaten, die neuen Nationalisten sind gezwungen, Gewalt aus ihren eigenen Reihen wenigstens halbherzig zu verurteilen. Es geschehen dennoch Verbrechen, doch werden diese meist von Vermummten im Schutz der Dunkelheit oder in der Anonymität der Masse begangen. Jeder, der die Geschichte der Weimarer Republik kennt, wird es absurd finden, unsere Zustände mit den damaligen Verhältnissen gleichzusetzen. Unsere Zeit ist noch nicht einmal so brutal und chaotisch wie die frühen neunziger Jahre, in denen zeitweise jeden Monat ein Mensch von Neonazis ermordet wurde. Dieser Rückgang der Gewalt hat einen banalen Grund: Die radikalen Rechten sind nur deswegen weniger gewalttätig, weil sie durch ihren Erfolg bei Wahlen die Chance wittern, legal an die Macht zu kommen. Die Gefahr, dass dies tatsächlich geschieht, ist also der Preis, der wir dafür zahlen, dass das Leben der Menschen etwas sicherer ist.

Was aber ist in den Ländern geschehen, in denen die Nationalisten an die Macht gekommen sind? Wenn wir einmal unseren Blick nicht durch unsere berechtigte Abscheu trüben lassen, erkennen wir klar: Die neurechten Regierungen haben fast überall bei Weitem nicht den radikalen Umsturz bewirkt, den sie selbst versprochen und viele Gegner befürchtet hatten. Donald Trump ist zum Beispiel nicht Diktator der USA geworden. Viele seiner Vorhaben sind am Widerstand von Abgeordneten und Richtern gescheitert. Er hat schon einige seiner Anhänger und eine Wahl verloren. International hat er Unruhe gestiftet, aber weder die Weltordnung zerstört noch einen Eroberungskrieg begonnen. Kaum eine seiner schädlichen Maßnahmen könnte nicht von einer neuen Regierung rückgängig gemacht werden. Und schon die nächste Wahl könnte eine neue Regierung bringen. Es zeigt sich, dass Länder mit alten demokratischen Traditionen sich gar nicht so leicht umstürzen lassen.

Ein Erstarken der liberalen und linken Gegenkräfte nach einer Phase der Schwäche kann man auch in anderen Ländern beobachten. Fast in allen demokratischen Staaten der Welt zeigen sich die gleichen politischen Auseinandersetzungen, was beweist, dass die Weltgesellschaft, die von den Nationalisten so heftig geleugnet und zugleich bekämpft wird, tatsächlich im Entstehen begriffen ist. Dass die Jugend fast überall in ihrer Mehrheit auf der Seite der Gegner des Nationalismus steht, stimmt mich besonders zuversichtlich. Auch in Europa haben die neuen Nationalisten es nirgendwo gewagt, eine Diktatur zu errichten. Ihr Bekenntnis zur Demokratie mag oft geheuchelt sein. Aber auch Heuchelei bindet, weil man die Verstellung nicht ohne Gesichtsverlust aufgeben kann. Aus der Tatsache, dass die Nationalisten nirgendwo gewaltsam die Alleinherrschaft übernommen haben, folgt natürlich nicht, dass keine Gefahr mehr bestünde. Eine Demokratie kann auch schleichend zum autoritären Staat umgebaut werden. Auf jeden Fall aber bleiben demokratische Institutionen, eine Öffentlichkeit und eine Opposition erhalten und damit auch die Möglichkeit, Widerstand zu leisten, selbst wenn es die Nationalisten tatsächlich an die Macht geschafft haben. Es kommt darauf an, diese Möglichkeit zu nutzen.

Worum geht es bei diesem Widerstand aber eigentlich? Ich glaube, es geht um mehr als Toleranz, also die bloße Duldung der anderen. Es geht um die Verteidigung der Diversität, um die Überzeugung, dass eine vielfältige und offene Gesellschaft auch eine gerechtere und bessere Gesellschaft ist. Vielfalt ist zugleich Bedingung und Ergebnis der Demokratie, des Zusammenspiels von Freiheit und Gleichheit. Vielfalt ergibt sich aus der gleichen Freiheit aller Menschen, ihr Leben so zu führen, wie sie es wollen. Vielfalt in allen Institutionen der Gesellschaft würde zeigen, dass in ihr Gleichheit der Möglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen besteht. Vielfalt und soziale Gerechtigkeit gehören also, im umfassenden Sinne verstanden, zusammen. Sie widersprechen einander nur, wenn sie einseitig aufgefasst werden und ein Ziel auf Kosten des anderen angestrebt wird. Das Gleiche gilt für das Verhältnis von Demokratie und Offenheit. Eine Demokratie muss nicht offen für ihre Feinde sein. Aber eine Demokratie, die nicht grundsätzlich offen für Menschen ist, die friedlich in ihr leben wollen, verrät die Idee der Menschenrechte, auf der sie selbst beruht. Wer Demokratie und soziale Gerechtigkeit gegen Vielfalt und Offenheit ausspielt, unterstützt willentlich oder unwillentlich die Propaganda der Nationalisten.

Ein weiterer Grund für Zuversicht ist die Tatsache, dass die neuen Nationalisten eigentlich nur ein zugkräftiges Thema haben: die Zuwanderung. In allen anderen Feldern der Politik haben sie entweder keine eigenständige Position oder keine mehrheitsfähige. Niemand riecht gern den reaktionären Muff, den lebende Mumien wie Alexander Gauland oder Beatrix von Storch in gesellschaftlichen oder sexuellen Fragen verbreiten. Ihr Plan zur Auflösung der Europäischen Union ist so unpopulär, dass sie selbst gezwungen sind, ihn zu verschleiern. In der Sozialpolitik kommen sie nur deswegen durch, weil sie sich noch gar nicht auf ein Programm festgelegt haben. Wo sie schon an der Regierung sind, ist ihre Politik zumeist eine Erniedrigung der „kleinen Leute“, um die sie sich vorgeblich sorgen. Stünde die Zuwanderungspolitik nicht mehr im Mittelpunkt aller öffentlichen Diskussionen, würde der Nationalismus erheblich an Anziehungskraft verlieren.

Welche Schlüsse ziehe ich aus diesen Überlegungen für die politische Praxis?

Für falsch halte ich die Idee, man könnte Menschen, die heute immer noch Anhänger der AfD sind, zurückgewinnen, indem man sich sprachlich oder inhaltlich bei ihnen anbiedert. Diese Bürger haben sich durch keine rassistische Entgleisung, durch keinen Skandal und durch keine Spaltung der AfD von ihrem Bekenntnis abbringen lassen. Es geht ihnen weniger um konkrete politische Fragen als darum, verhasste Politiker zu bestrafen und einen Zorn zu entladen, der manchmal mit Politik gar nichts zu tun hat. Sie fühlen sich bestärkt, wenn man ihnen zustimmt, und sie fühlen sich bestärkt, wenn man ihnen widerspricht. Die Vorstellung, man könnte die AfD-Wähler „zurückholen“, ignoriert den erkennbaren Willen eben dieser Wähler. Sie wollen nicht zurückgeholt werden. Sie fühlen sich ganz wohl, dort wo sie sind. Es ist sinnvoll, auch mit diesen Menschen im Gespräch zu bleiben, aber man muss sich eingestehen, dass viele von ihnen für immer verloren sind.

Es ist wichtig, den Nationalisten in der Öffentlichkeit zu widersprechen. Um ihnen aber die Hoheit über den Diskurs zu entreißen, ist es entscheidend, nicht nur „gegen rechts“ aktiv zu werden, sondern auch für etwas anderes. Auf diese Weise entstehen möglicherweise neue Bündnisse, die den Wunsch der Nationalisten nach klaren Fronten vereiteln. Auf einer Demonstration gegen Verdrängung und Mietwucher beispielsweise können Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zusammenfinden, die der Nationalist gerne auf unterschiedlichen Seiten der Barrikade sähe. Ein anderer Gegensatz, von dem die Nationalisten profitieren, und den es deshalb zu überwinden gilt, ist der zwischen Stadt und Land. So erfreulich das hundertste Benefizkonzert für Weltoffenheit im urbanen Szeneviertel ist, mein größter Respekt gilt den Initiativen, die auf dem Land die Stellung halten und die Dörfer nicht der rechten Hegemonie überlassen. Erschwert werden alle alternativen sozialen Bewegungen im Augenblick allerdings durch die Verwirrung und Zerstrittenheit auf der linken Hälfte des politischen Spektrums, wo man sich derzeit auf kaum mehr einigen kann als darauf, dass man keine Nazis will. Mir scheint, Liberale und Linke sollten sich weniger an den Rechten abarbeiten und stattdessen mehr Zeit darauf verwenden, ihren eigenen Programmen Klarheit und Überzeugungskraft zu geben.

Es reicht jedoch nicht, vom Streit über Migration durch alternative Projekte abzulenken, man muss auch für die Probleme in diesem Feld Lösungen anbieten. Die rechte Antwort lautet: Reduzieren wir einfach durch „Abschreckung“ die Zahl der Fremden, die zu uns kommen, dann gibt es auch weniger Fremdenfeindlichkeit! Wer so argumentiert, will wahrscheinlich auch den Antisemitismus bekämpfen, indem er die Zahl der Juden verringert. Die besten Wahlergebnisse erzielen die Nationalisten in Regionen, in denen es kaum Zuwanderer gibt. Die lebendige Erfahrung der persönlichen Begegnung mit Menschen anderer Herkunft ist offenkundig das beste Mittel, Vorurteile abzubauen und Rassismus zu überwinden. Wir sollten die Vorteile der Zuwanderung verteidigen, auch wenn dies gerade nicht populär ist. Gerade auf dem Land, wo es so sehr an jungen Menschen fehlt, sind die Chancen dafür meiner Ansicht nach prinzipiell gar nicht schlecht.

Wer sich die Wahlergebnisse der AfD genau anschaut, der stellt aber auch fest, dass die Partei in Regionen wie dem Ruhrgebiet ebenfalls gut abgeschnitten hat, wo ökonomischer Niedergang und Probleme bei der Integration von Einwanderern zusammentreffen. Auch Menschen, die sich gegen Rassismus engagieren, sollten keine Hemmungen haben, offen über Fragen wie die folgenden zu diskutieren, die doch der Sache nach progressive Anliegen sind: Wie verhindern wir, dass Kinder von fundamentalistischen Sekten verblödet werden? Was können wir tun, damit junge Männer nicht in die Kriminalität abrutschen oder aus ihr wieder herausfinden? Wie helfen wir Frauen, die in patriarchalischen Verhältnissen gefangen sind? Über solche Probleme sollte man reden, aber nicht aus der Pose des disziplinierenden Richters, sondern im Dialog mit den Gemeinschaften der Zuwanderer und im Bewusstsein der Tatsache, dass es Dummheit, Gewalt und Frauenverachtung auch unter vermeintlichen Normaldeutschen überreichlich gibt.

Ein letzter Einwand treibt einige Zuhörer vielleicht schon die ganze Zeit um: Warum müssen wir uns eigentlich überhaupt beständig mit den Nöten und Nörgeleien der besorgten Bürger befassen? Sollten wir uns nicht besser einfach nur um die Leute kümmern, die unter Diskriminierung und rassistischer Gewalt leiden? Dieser Einspruch ist verständlich, aber er beruht auf einem falschen Gegensatz. Man kann nämlich das eine tun, ohne das andere zu lassen. Man kann den Menschen, die unter Vorurteilen leiden, auch helfen, indem man die Menschen, die Vorurteile haben, von diesen befreit.

Derzeit zweifeln viele allerdings am Erfolg der Aufklärung. Die Aufklärung scheint machtlos gegen eine rasende Dummheit. Darum möchte ich zum Schluss an eine Einsicht von Voltaire erinnern: Das Wüten des Fanatismus ist ein Zeichen dafür, dass die Vernunft langsam Fortschritte macht.

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Kommentare
  1. wiccariad@aol.com

    Sehr geehrter Herr Bittner,
    haben Sie das Patzelt Bashing an der Uni in die Wege geleitet?
    Sie und Ihre linken Journalisten Kollegen.

    Die AfD wird mindestens 25 Prozent der Wähler in Sachsen und Thüringen überzeugen.

    Diese als Faschisten zu bezeichnen ist absurd.

    A.K.

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    • Michael Bittner

      Sehr geehrte(r) A.K.,

      selbstverständlich leite ich alles in die Wege, was an der Technischen Universität Dresden geschieht. Seit ich dort meinen Abschluss gemacht habe, tanzen alle nach meiner Pfeife, Professoren, Dekane, Kanzler und Rektor, ohne Ausnahme. Allerdings weiß ich gerade nicht genau, von welchem „Bashing“ Sie sprechen, da mir bloß einige teilweise berechtigte Kritik an Prof. Patzelt bekannt ist, dem ich einen friedlichen Ruhestand wünsche.

      Dass die AfD in Sachsen und Thüringen um die 25% der Wählerstimmen bekommen wird, scheint mir auch wahrscheinlich. Alle Wähler in ihrer Gesamtheit als Faschisten zu bezeichnen, hielte ich auch für übertrieben.

      Mit freundlichen Grüßen, Michael Bittner

      Antworten

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