Der Überfall der russischen Armee auf Befehl Wladimir Putins verwüstet weiter die Ukraine, zwingt Menschen zur Flucht oder raubt ihnen das Leben. Die Diskussion darüber, ob man Putin schon einen Kriegsverbrecher nennen dürfe, bevor ein internationales Strafgericht seine Schuld festgestellt hat, scheint mir albern. Das Wort „Kriegsverbrecher“ kommt mir schon immer wie ein Pleonasmus vor. Denn jeder, der einen Krieg beginnt, ist schon dadurch ein Verbrecher.
Termine der Woche
Vom 25. bis 27. März, nämlich am Freitag, Sonnabend (jeweils 19:30 Uhr) und am Sonntag (18 Uhr) bin ich als Gastautor bei der Kabarettshow frisch gepresst im Berliner Kabarett Distel mit dabei. Die Gastgeber Tilman Lucke und Henning Ruwe begrüßen bei ihrem satirischen Monatsrückblick auch noch den Slam-Poeten Paul Weigl.
Termine der Woche
Am Mittwoch (9. März) lese ich wieder neue Geschichten gemeinsam mit den Kollegen Roman Israel, Max Rademann und Stefan Seyfarth bei unserer Lesebühne Sax Royal in Dresden. Ich freue mich sehr, dass wir zum zweiten Mal den Schriftsteller Anselm Neft aus Hamburg als Gastautor begrüßen werden. Karten gibt’s am Einlass ab 19 Uhr oder schon im Vorverkauf. Ort des Geschehens ist die GrooveStation, los geht es um 20 Uhr.
Am Sonnabend (12. März) bin ich auf der Bühne beim Kantinenlesen, dem Gipfeltreffen der Berliner Lesebühnen. Mit mir lesen neben dem Gastgeber Dan Richter auch die Kolleginnen Jacinta Nandi, Ruth Herzberg und Lea Streisand. Los geht’s um 20 Uhr in der Alten Kantine. Tickets gibt’s vor Ort oder im Vorverkauf.
Am Sonntag (13. März) spreche ich auch in diesem Jahr wieder bei der Gedenkveranstaltung „Lasst uns das Erinnern nicht vergessen“, die an die nationalsozialistische Bücherverbrennung in Dresden gemahnt. Ohne Zweifel werden diesmal auch die gegenwärtigen Kriegsereignisse zur Sprache kommen. Die Veranstaltung beginnt um 11 Uhr im Kabarett FriedrichstaTTPalast.
Kriegsblinde von links
Es gibt eine Sorte von altlinken Rechthabern, die gerade nurmehr schwer zu ertragen ist. Noch vor einer Woche verkündeten sie im Ton überlegenen Spottes, nie und nimmer werde Russland in die Ukraine einmarschieren. Derartige Behauptungen seien nur plumpe Propaganda der USA, Wladimir Putin wolle in Wahrheit den Frieden! Nun, da die russische Armee die Ukraine auf Befehl Putins überfallen hat, zucken sie nicht mit der Wimper, lassen sich auch nicht einen Hauch von Selbstkritik zuschulden kommen, sondern wissen schon wieder in gewohnter Lautstärke Bescheid. Die Ukraine habe den Krieg ja auch provoziert (vermutlich durch einen zu kurzen Rock) und stehe nun dem Frieden im Weg, weil sie nicht schnell genug kapituliere. Was verdreht sonst klugen Menschen so den Kopf?
Kulturkonservatismus der plumpen Art. Über Daniela Kriens Roman „Der Brand“
Nicht schon wieder Brandenburg! So mag man ausrufen, liest man vom Inhalt des aktuellen Romans der Leipziger Schriftstellerin Daniela Krien. Haben doch in jüngster Zeit schon allzu viele Autorinnen und Autoren in ihren Büchern Menschen in die preußische Provinz verfrachtet, zuletzt Juli Zeh, die in „Über Menschen“ eine unglückliche Berlinerin mit der kernigen Kraft echten Deutschtums in Berührung brachte. In Daniela Kriens „Der Brand“ ist es ein Paar, das sich in Brandenburg neu finden muss.
Termine der Woche
Am Mittwoch (16. Februar) wagen wir mit der Lesebühne Sax Royal in Dresden die Rückkehr auf die Bühne der GrooveStation. Freut euch auf neue Geschichten, Satiren und fragwürdige Späße von den Kollegen Roman Israel, Max Rademann, Stefan Seyfarth und mir. Als Gast begrüßen wir die Schriftstellerin Daniela Böhle aus Berlin. Beachtet bitte: Es gelten die aktuellen Corona-Regeln, d.h. ihr müsst dreimal geimpft oder zweimal geimpft und getestet sein. Außerdem herrscht durchgängig FFP2-Maskenpflicht. Es gibt diesmal keinen Vorverkauf, kommt einfach spontan vorbei zur Abendkasse. Einlass um 19 Uhr, Start um 20 Uhr. Wenn ihr nicht kommt, hat das Virus gewonnen!
Max Otte, Präsident der Herzen
Die deutschen Parteien haben sich fast einstimmig darauf geeinigt, dass Frank-Walter Steinmeier noch eine Runde lang als Bundespräsident Flatterbänder durchschneiden und Sonntagsreden halten darf. Seine Leistung bei der gesellschaftlichen Versöhnung wird gepriesen, allerdings nur von denen, die sich nicht mehr daran erinnern, dass er einst zu den Erfindern der Hartz-IV-Infamie gehörte. Er wird nicht nur von den Regierungsparteien gewählt, sondern auch von CDU und CSU, weil man eine gesunde Demokratie bekanntlich daran erkennt, dass bei Wahlen alle für denselben stimmen und keine Alternativen angeboten werden. Die nationale Eintracht wird leider von der Linkspartei gestört, die den Armenarzt Gerhard Trabert aufgestellt hat. Die größte Aufmerksamkeit in den Medien aber erntete nicht er, sondern – wie schon so oft zuvor – eine Provokation der AfD.
Stacheldraht aus Dänemark
Geduldet und leise für gut befunden werden die brutalen und illegalen Methoden, mit denen Polen derzeit Menschen an der Grenze das Recht auf Asyl verweigert, von der ganzen Europäischen Union. Aber es gibt auch lauten Applaus, nicht nur aus Ungarn. Auch die dänische Regierung zeigte sich öffentlich begeistert.
Planschen mit dem Immobilienhai
Eine der Erfolgsgeschichten des Jahres 2021 war gewiss die der Berliner Zeitung. Seit der Ostzonenesohipsterkapitalist Holger Friedrich sich das Blatt gekauft hat, rast die Traditionszeitung bergab in eine ganz neue Zeit. Alte Autorinnen und Autoren fliehen oder werden kurzfristig freigesetzt, junge Nachwuchskräfte schreiben stattdessen die Seiten voll mit dem, was sie für wichtig und gegenwärtig halten, sofern nicht Holger Friedrich selbst Lust hat, seine persönlichen Macken ins Blatt drucken zu lassen. Neben der Kritik an der Corona-Diktatur ist dem Holger besonders eine Sache wichtig: Unternehmer sollen endlich nicht mehr als kaltherzige Egoisten wahrgenommen werden, sondern als die spannenden und liebenswerten Geschöpfe, die sie eigentlich sind. So werden dann regelmäßig Jungredakteure abkommandiert, um einfühlsame Kapitalistenporträts zu schreiben, wie jüngst Jesko zu Dohna und Maximilian Both über einen ganz besonderen Mann: den Immobilienunternehmer Jakob Mähren.
Müssen wir diesen Mann enteignen?
Auf den ersten Blick würde ich sagen: Ja. Aber ich bin bereit, mir die Gegenargumente anzuhören.
Warum die Sache komplizierter ist. Der Berliner Immobilienzar Jakob Mähren im Porträt.
Jetzt verstehe ich, warum dieser Mann auf dem Titelfoto so traurig schaut. Ein Immobilienzar hat es schwer dieser Tage. Nicht nur rufen dauernd irgendwelche Mieter an, die sich über verstopfte Abflüsse beschweren. Nein, es drohen auch noch Kommunisten damit, dem Immobilienzar seine eigenhändig errichteten Immobilien gegen eine angemessene Entschädigung wegzunehmen. Und die Mehrheit der Berliner hat dem sogar zustimmt, wohl wissend, dass es trotzdem nie passieren wird, weil die Stimme des Volkes in Deutschland nur dann zählt, wenn sie „Ausländer raus!“ ruft. Trotzdem saust dem Jakob Mähren offenbar so sehr die Muffe, dass er zwei unvoreingenommene Journalisten zur Audienz empfangen hat, um sich so sympathisch zu zeigen, wie er ist.
„Jakob Bester Mann.“ Ehemaliger Dienstbotenaufgang, heute Spiegelkabinett. Der Berliner Immobilienunternehmer Jakob Mähren startete seine Unternehmerkarriere im Kinderzimmer eines Plattenbaus in Tegel, heute hat er seine Firmenzentrale am Kurfürstendamm.
Hätten die Berliner doch nur schon früher etwas von diesem absolut volksverbundenen, hart arbeitenden Immobilienzaren erfahren, sie hätten sich beim Enteignungsvolksentscheid gewiss nicht verführen lassen. Aber halt! Sind denn die beiden Journalisten, die ihn uns schildern, auch wirklich unbestechlich und kompetent? Am besten, wir lesen uns einmal den ersten Satz des Porträts durch, an den ersten Sätzen sollst du sie erkennen.
Das Berlin der Brückenstraße zwischen Kreuzberg und Mitte hat sich in den letzten 20 Jahren scheinbar kaum verändert: graue Häuserfassaden, eine Alt-deutsche Kneipe (das Würzfleisch kostet hier noch immer 7,95 Euro), Spätis, in die Jahre gekommene Thai Restaurants und ein Nagelstudio.
Ach, Jesko zu Dohna und Maximilian Both! Wie gerne hätte ich euch vertraut! Aber zwei Journalisten, die glauben, man hätte in der guten, alten Zeit in Berliner Kneipen 16 Mark für ein Würzfleisch bezahlt, kann ich leider nicht ernst nehmen. Hoffentlich habt ihr euch im Zuge dieses Artikels wenigstens einen kleinen Rabatt für eine Eigentumswohnung erschrieben. Mühe habt ihr euch jedenfalls gegeben:
Mit leuchtenden Augen erzählt Mähren, wie er seine erste Immobilie für 40.000 Euro kauft, wie er selber mit dem Vorschlaghammer Wände einschlägt und eigenhändig mit Schulfreunden die marode Immobilie auf Vordermann bringt. Und wie er direkt gegenüber des Kitkat 2002, da war er gerade mal 20 Jahre alt, ein unsaniertes Mietshaus für heute eher läppische 200.000 Euro kauft. Wenn er vom Kauf eines seiner ersten Mietshäuser in der Brückenstraße und dem Immobilienmarkt der 2000er-Jahre in der Hauptstadt erzählt, dann klingt das fast so, wie wenn ein Teenager von den Erlebnissen seiner ersten Weltreise schwärmt.
Warum nur vergeuden so viele Teenager ihr Leben damit, auf Weltreise zu gehen, statt sich einfach ein Haus für läppische 200000 Euro zu kaufen und damit den Grundstein für unermesslichen Reichtum zu legen? Es ist so einfach, man muss doch nur den Vorschlaghammer rausholen! Auf die Dauer geht die jugendliche Unschuld auf so einem Lebensweg allerdings leider verloren:
Der Jakob Mähren, der heute über den Immobilienmarkt der Hauptstadt berichten will, hat nur noch wenig mit dem Teenager zu tun, der zu Hause im Kinderzimmer in Tegel Süd einst seine ersten 1000 Euro mit Börsengeschäften verdiente. Als seine Vorbilder nennt er die berühmten CEOs aus dem Silicon Valley – Elon Musk oder Jeff Bezos. Und der Berliner Unternehmer hat sich den asketischen Lebensstil der neuen global agierenden Firmenchefs angeeignet. Jeden Morgen wird er von einem Tageslichtwecker pünktlich um sechs Uhr geweckt, macht mit einem Personal Trainer Workout, trinkt stilles Wasser, isst gerne gesundes Essen ohne hochkalorische Soßen und verachtet weitestgehend auf Alkohol und Kohlehydrate.
Fast bekommt man Mitleid mit diesem Mönch des Immobilienkapitals. Aber auch nur fast, denn dass sich Miethaie jetzt bewusst ernähren, macht sie nicht ungefährlicher.
Dass sich der Markt erstmals auch für Eigentümer wie Mähren verbessert, habe er erstmals vor zwölf Jahren begriffen. Da will er eine Wohnung in Neukölln für 5,50 Euro pro Quadratmeter vermieten und lädt um 13 Uhr zur Wohnungsbesichtigung an der Bushaltestelle vor dem Haus. Doch plötzlich steht da nicht eine Handvoll Interessenten, sondern Hunderte wollen die Wohnung haben. Die Firma bekommt zwischenzeitlich sogar eine Anzeige wegen einer vermeintlich illegalen Demonstration, weil die Wohnungssuchenden die Straße versperren. Heute können Mähren und Laube darüber nur lachen.
Ja, sie konnten und können lachen, den Leuten in der Schlange ist weniger danach zumute. Sie sind die Objekte der Heiterkeit und machen sie erst möglich. Aber der Immobilienzar versichert den beiden Journalisten, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist:
Es werde trotz der Wertsteigerung immer schwieriger, in Berlin mit Wohnungen Geld zu verdienen, erklärt der Unternehmer. Die zunehmende Regulierung, klagefreudige Mieter und das kommunale Vorkaufsrecht machen den Unternehmern, die am Markt Geld verdienen wollen, das Leben zunehmend schwerer.
Das Leben als Kapitalist, es ist schwer. Was sind die Sorgen der Leute, die vorm Hauseingang schlafen, verglichen mit denen der Hausbesitzer? Läppisch.
Bei allem Verständnis für den angespannten Wohnungsmarkt in Berlin und für diejenigen Bürger, die unter den vielfältigen negativen Auswirkungen leiden, darf man sich den Unternehmer Jakob Mähren nicht als reinen Wohltäter vorstellen.
Schade, genau das hätten wir nur zu gerne getan. Aber der Mann macht es einem nicht einfach, da hilft nicht einmal das größte journalistische Einfühlungsvermögen:
Wenn man Mähren durch seine Firmenzentrale begleitet, dann bekommt man ein ziemlich gutes Gefühl dafür, dass der Unternehmer auch ein knallharter Geschäftsmann sein kann. Überall an den Wänden hängen Poster mit Motivationssprüchen, die auch von Gordon Gekko oder Tony Montana stammen könnten. Im Erdgeschoss, dort, wo die Sales-Abteilung ihre Schreibtische hat, stehen lebensgroße Pappaufsteller von Wladimir Putin und Donald Trump, und dort hängt auch die große Glocke aus Messing, die an die Glocke einer Börse erinnert und mit der jeder große Deal der Firma gefeiert wird.
Hat es auch gebimmelt, als dieser Reportagedeal abgeschlossen war? Wurde ordentlich gefeiert? Der letzte Absatz klingt danach:
Wer denkt, mit Jakob Mähren nur einen kühl berechnenden Kapitalisten vor sich zu haben, an dem die Enteignungsdebatte und die damit verbundene Abneigung gegen Unternehmer wie ihn spurlos vorbeigeht, der liegt vielleicht falsch: „Am Ende bin ich auch nur ein Mensch“, sagt er, „ich will nicht in zehn Jahren im Sportwagen durch die Stadt fahren und angespuckt werden.“ Und wenn Jakob Mähren das sagt, dann glaubt man ihm das sogar.
Ich glaub’s ihm auch. Wer will schon angespuckt werden? Aber ich bin mir auch sicher, dass er sich eher anspucken lassen würde, als auf seinen Sportwagen zu verzichten. Auch Kapitalisten sind nur Menschen. Schade, dass der Kapitalismus unmenschlich ist.
***
Dieser Text entstand für die satirische Medienschau Phrase & Antwort, die ich gemeinsam mit dem Kollegen Maik Martschinkowsky in Berlin im Salon des Franz-Mehring-Platz 1 präsentiere. Unsere Show am 29. Dezember musste krankheitsbedingt leider ausfallen, wir gehen jetzt erst einmal in eine Pause und kehren zurück, wenn das unsympathische Virus unbeschwerte Veranstaltungen wieder zulässt.
Termine der Woche
Am Donnerstag (16. Dezember) lese ich neue Geschichten bei meiner Berliner Lesebühne Zentralkomitee Deluxe. Mit dabei sind nicht nur wie immer die Kollegen Christian Ritter, Piet Weber, Tilman Birr und Noah Klaus, sondern auch – haltet euch fest! – die Autorin, Satirikerin und Titanic-Kolumnistin Ella Carina Werner! Karten bekommt ihr im Vorverkauf oder an der Abendkasse im Crack Bellmer ab 19:30 Uhr. Um 20 Uhr geht’s los! Es gilt 2G+, ihr braucht also einen tagesaktuellen Test.