Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Das kernige Wort aus dem Munde von Schillers Wilhelm Tell scheint ein machtvolles Prachtkapitel anzukündigen. Tatsächlich setzt sich Hitler in diesem kurzen Abschnitt aber auf recht kleinkarierte Weise mit konkurrierenden Parteien im völkischen Lager auseinander. Die Formationen mit Namen wie Nationalsozialer Volksbund, Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund, Deutschvölkische Freiheitspartei und Deutschsozialistische Partei sind heute vergessen, weil sie sich noch vor 1933 auflösten oder in der NSDAP aufgingen. Zu ihrer Zeit aber waren sie zeitweise größer und einflussreicher als die NSDAP.

Hitler unterschied zwischen zwei Sorten von Konkurrenten, den ehrlichen und den diebischen. Jene hatten aus eigenem Antrieb eine der NSDAP verwandte Sendung, diese kopierten bloß nachträglich das Programm der Nationalsozialisten, um an ihrem Erfolg teilzuhaben. Hitlers Grenzziehung zwischen beiden Gruppen war allerdings willkürlich. Und in Wirklichkeit war es natürlich Hitler selbst gewesen, der seine Ideologie bedenkenlos bei Vorgängern zusammengestohlen hatte. Zumeist würdigte er die beklauten völkischen Vordenker in Mein Kampf nicht einmal namentlich. Lobend erwähnt er hingegen in diesem Kapitel Julius Streicher, den wohl widerlichsten aller Antisemiten, weil dieser ehemalige Konkurrent in beispielhafter Weise aus freien Stücken mit seinen fränkischen Anhängern zur NSDAP gekommen sei. (Tatsächlich wurde er auch gut bezahlt.)

Hitlers Taktik im Umgang mit politischen Konkurrenten war ein Kurs der Ausschließlichkeit:

Durch die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft werden schwache Verbände niemals in kräftige verwandelt, wohl aber kann und wird ein kräftiger Verband durch sie nicht selten eine Schwächung erleiden. Die Meinung, daß aus der Zusammenfassung schwacher Gruppen sich ein Kraftfaktor ergeben müsse, ist unrichtig, da die Majorität in jeglicher Form und unter allen Voraussetzungen erfahrungsgemäß die Repräsentantin der Dummheit und Feigheit sein wird und mithin jede Vielheit von Verbänden, so wie sie durch eine selbstgewählte mehrköpfige Leitung dirigiert wird, der Feigheit und Schwäche ausgeliefert ist. Auch wird durch solchen Zusammenschluß das freie Spiel der Kräfte unterbunden, der Kampf zur Auslese des Besten abgestellt und somit der notwendige und endgültige Sieg des Gesünderen und Stärkeren für immer verhindert.

Um seinen totalen Führungsanspruch und die programmatische Uniformität der NSDAP nicht zu gefährden, lehnte Hitler jede dauerhafte Zusammenarbeit mit anderen Parteien ab. Zusammenschlüsse akzeptierte er nur in der Form einer bedingungslosen Unterordnung der anderen. Zugleich achtete er darauf, alle Konkurrenten an Radikalität immer zu überbieten. Alle innerparteilichen Gegner, die einen gemäßigteren Kurs verfolgten, zwang er nieder oder zum Austritt. Am Ende hatte diese Taktik Erfolg – allerdings auch, weil die katastrophale Wirtschafts- und Staatskrise Anfang der dreißiger Jahre eben der Partei die günstigste Position beim Publikum verschaffte, die am aggressivsten alles Bestehende verneinte. Und das war die NSDAP.

Gewohnt größenwahnsinnig erhob Hitler seine Strategie gleich zum Gesetz der Weltgeschichte:

Man vergesse niemals, daß alles wirklich Große auf dieser Welt nicht erkämpft wurde von Koalitionen, sondern daß es stets der Erfolg eines einzelnen Siegers war. Koalitionserfolge tragen schon durch die Art ihrer Herkunft den Keim zu künftigem Abbröckeln, ja zum Verlust des schon Erreichten. Große, wahrhaft weltumwälzende Revolutionen geistiger Art sind überhaupt nur denkbar und zu verwirklichen als Titanenkämpfe von Einzelgebilden, niemals aber als Unternehmen von Koalitionen.
So wird auch vor allem der völkische Staat niemals geschaffen werden durch das kompromißhafte Wollen einer völkischen Arbeitsgemeinschaft, sondern nur durch den stahlharten Willen einer einzigen Bewegung, die sich durchgerungen hat gegen alle.

1933 gelangte Hitler dann an die Macht – allerdings dank einer Koalition. Einige konservative Trottel glaubten allen Ernstes, sich Hitler „engagieren“ zu können. Offenbar zählten sie zu den vielen, die Mein Kampf nicht sehr aufmerksam gelesen hatten.

Ist es übertrieben, ja vielleicht gar hysterisch, wenn ich in Mein Kampf schon wieder etwas über Björn Höcke von der Alternative für Deutschland zu lesen glaube? Dessen im schönen Dresden ausgesprochene „Machtergreifungsphantasie“ (Achim Wesjohann) entspricht aber eben leider nur allzu deutlich der Strategie des Führers. Höcke tritt dafür ein, eine „Fundamentalopposition“ zum bestehenden „Regime“ zu betreiben, allerdings eine „inhaltliche“, keine „strukturelle“. Dies entspricht dem Vorgehen der NSDAP, die das Weimarer „System“ inhaltlich radikal ablehnte, sich aber dennoch an Wahlen beteiligte und in die Parlamente ging, um die Republik von innen zu zersetzen. Höcke verlangt auch, die AfD müsse eine „Bewegungspartei“ bleiben, engstens vernetzt mit den Protestformen der Straße. Welchen Wert die Nazis darauf legten, als „Bewegung“ zu gelten und die Parlamente wie die Straßen zu erobern, ist bekannt. Schließlich finden wir auch Hitlers Anspruch auf Ausschließlichkeit bei Höcke wieder:

Die AfD ist die letzte evolutionäre, sie ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland. Damit sie es sein kann, muss sie sich als inhaltliche – nicht als strukturelle, als inhaltliche! – Fundamentalopposition verstehen, denn sie ist die einzig relevante politische Kraft des Bewahrenden, die gegen die kollektiven Kräfte der Auflösung der One-World-Ideologen und ihrer Verbündeten steht.

Dementsprechend zählt für Höcke nichts außer einem „vollständigen Sieg der AfD“:

Wir werden das so lange durchhalten, bis wir in diesem Lande 51 Prozent erreicht haben, oder aber als Seniorpartner – als Seniorpartner! – in einer Koalition mit einer Altpartei sind, die durch ein kathetisches [gemeint wohl: kathartisches] Fegefeuer gegangen ist, die sich selbst wiedergefunden hat, und die abgeschworen hat von einer Politik gegen das Volk, um endlich wieder zu einer Politik für das eigene Volk […].

Nur ein totaler Sieg der AfD, die sich zuvor ganz dem kompromisslosen Höcke-Kurs angeschlossen hat, kann also Deutschland noch vor dem Untergang retten. Allenfalls um die Macht zu erringen, wäre eine Koalition mit einer anderen Partei denkbar, die zuvor allerdings ihren alten, eigenen Charakter völlig aufzugeben hätte. Mal sehen, ob die blauen Augen von Björn Höcke verführerisch genug sind, um eine andere Partei zu einer solchen Heirat zu bewegen.

***

Mein Kampf mit Mein Kampf (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (2): Im Elternhaus

Mein Kampf mit Mein Kampf (3): Wiener Lehr- und Leidensjahre (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (4): Wiener Lehr- und Leidensjahre (2)

Mein Kampf mit Mein Kampf (5): Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (6): München

Mein Kampf mit Mein Kampf (7): Der Weltkrieg

Mein Kampf mit Mein Kampf (8): Kriegspropaganda

Mein Kampf mit Mein Kampf (9): Die Revolution

Mein Kampf mit Mein Kampf (10): Beginn meiner politischen Tätigkeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (11): Die Deutsche Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (12): Ursachen des Zusammenbruches

Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Mein Kampf mit Mein Kampf (14): Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (15): Weltanschauung und Partei

Mein Kampf mit Mein Kampf (16): Der Staat

Mein Kampf mit Mein Kampf (17): Staatsangehöriger und Staatsbürger

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Mein Kampf mit Mein Kampf (23): Grundgedanken über Sinn und Organisation der S.A.

Mein Kampf mit Mein Kampf (24): Der Föderalismus als Maske

Mein Kampf mit Mein Kampf (25): Propaganda und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (26): Die Gewerkschaftsfrage

Mein Kampf mit Mein Kampf (27): Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Mein Kampf mit Mein Kampf (28): Ostorientierung oder Ostpolitik

Mein Kampf mit Mein Kampf (29): Notwehr als Recht

***

Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin hg. von Christian Hartmann, Thomas Vordermeyer, Othmar Plöckinger und Roman Töppel unter Mitarbeit von Pascal Trees, Angelika Reizle und Martina Seewald-Mooser. Zwei Bände. München/Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 4., durchges. Aufl. 2016

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Für Hitler war die Politik nicht nur eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, sie war sogar eine Fortsetzung mit denselben Mitteln. Er verachtete als das, was eine liberale Demokratie ausmacht: den Gewaltverzicht, die Diskussion, den Kompromiss, die Toleranz. Für ihn gab es keine politischen Gegner, sondern nur existenzielle Feinde. Seine Freude am Kampf war aber auch eine ganz persönliche Lust an der Gewalt, wie er sie im Krieg erlebt hatte. Im Kapitel Das Ringen mit der roten Front erzählt er von einer Saalschlacht bei einer der Massenversammlungen in der Frühzeit der NSDAP:

Der Tanz hatte noch nicht begonnen, als auch schon meine Sturmtruppler, denn so hießen sie von diesem Tage an, angriffen. Wie Wölfe stürzten sie in Rudeln von acht oder zehn immer wieder auf ihre Gegner los und begannen sie nach und nach tatsächlich aus dem Saale zu dreschen. Schon nach fünf Minuten sah ich kaum mehr einen von ihnen, der nicht schon blutüberströmt gewesen wäre. […] Nur in der linken rückwärtigen Saalecke hielt sich noch ein großer Haufen und leistete erbitterten Widerstand. Da fielen plötzlich vom Saaleingang zum Podium her zwei Pistolenschüsse, und nun ging eine wilde Knallerei los. Fast jubelte einem doch wieder das Herz angesichts solcher Auffrischung alter Kriegserlebnisse.

Solche Schilderungen in Mein Kampf hatten natürlich auch den Zweck, alte Frontkämpfer und abenteuerlustige junge Männer anzusprechen, die sich nicht in die bürgerliche Spießerwelt finden wollten:

Und wie hatte sich diese Jugend nicht nach einer solchen Parole gesehnt!
Wie ist diese Feldzugsgeneration enttäuscht und entrüstet gewesen, voll Ekel und Abscheu über die bürgerliche Schlappschwänzigkeit.

Der Plan ging auf, Offiziere und Studenten zählten bald zu den glühendsten Vorkämpfern des Nationalsozialismus. Wie Hitler mit einem Seitenblick auf den italienischen Bürgerkrieg rasch erkannte, wirkt Gewalt im politischen Kampf durchaus nicht nur abschreckend, sondern auf viele einschüchternd oder sogar anziehend. Zum Beweis der Stärke forcierte er die Gründung paramilitärischer Einheiten:

So wie ein mutiger Mann Frauenherzen leichter erobern wird als ein Feigling, so gewinnt eine heldenhafte Bewegung auch eher das Herz eines Volkes als eine feige, die nur durch polizeilichen Schutz am Leben erhalten wird.

Auf jeden Fall sorgte die Gewalt für Aufmerksamkeit, Überfälle auf feindliche Politiker und deren Versammlungen wurden zur Routine. Beachtung hatte die NSDAP als unbedeutende Splitterpartei am rechten Rand anfangs auch besonders nötig. Die Art der Aufmerksamkeit war dabei nebensächlich, auch negative Publizität erschien Hitler zweckmäßig:

Ganz gleich, ob sie über uns lachen oder schimpfen, ob sie uns als Hanswürste oder als Verbrecher hinstellen; die Hauptsache ist, daß sie uns erwähnen, daß sie sich immer wieder mit uns beschäftigen und daß wir allmählich in den Augen der Arbeiter selber wirklich als die Macht erscheinen, mit der zur Zeit allein noch eine Auseinandersetzung stattfindet.

Die NSDAP sollte nach Hitler nicht einfach nur ein Teil des Ganzen sein, also „Partei“ im eigentlichen Sinne. Vielmehr verkörperte sie für ihn eine „Weltanschauung“, die nicht weniger als die absolute Macht im Staat beanspruchte. Die Partei brauchte daher eine eigene „Parteiflagge“, die sich vom Schwarz-Rot-Gold der Republik, aber auch vom Schwarz-Weiß-Rot der reaktionären Monarchisten unterschied. Gewohnt bescheiden behauptete Hitler, er allein habe schließlich die Lösung gefunden:

Ich selbst hatte unterdes nach unzähligen Versuchen eine endgültige Form niedergelegt: eine Fahne aus rotem Grundtuch mit einer weißen Scheibe und in deren Mitte ein schwarzes Hakenkreuz.

Diese Flagge war in der Tat eine geschickte Versinnbildlichung der Idee von der „konservativen Revolution“, wie sie u.a. Arthur Moeller van den Bruck in seinem Buch Das dritte Reich vorgetragen hatte. Die Flagge nimmt die traditionellen Reichsfarben auf, was der Demokratie der Weimarer Republik eine Absage erteilt. Aber auch von den rückwärtsgewandten Konservativen unterscheidet sich die Flagge durch eine revolutionäre Umordnung der Farben. Grundfarbe wird das Rot, die traditionelle Farbe der Revolution und der Arbeiterbewegung. Das zentrale Hakenkreuz deutet diese Anspielung auf die Bildtradition des Sozialismus jedoch völlig um. Hitler selbst interpretiert:

Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Programm. Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird.

Heben wir den Blick aus dem Buch und schauen auf die Gegenwart, erkennen wir ohne große Mühe politische Bewegungen, die sich heute wieder an den Ratschlägen Hitlers orientieren. Muss man deswegen befürchten, dass die neue Rechte demnächst nach der totalen Herrschaft greift? Ich glaub’s nicht. Es ist offenkundig, welche Zutat in den Ländern des Westens – anders als etwa in der arabischen Welt – fehlt: eine große, beschäftigungslose, opferbereite Jugend. Es gibt einfach zu wenige junge Männer, die bereit wären, ihr Leben für eine Weltanschauung hinzugeben, denn es lebt sich doch insgesamt noch recht angenehm in der befriedeten Konsumgesellschaft. Der Kollege Götz Kubitschek spricht deswegen verächtlich von der „Verhausschweinung“ der Deutschen. Es gibt zwar das Häuflein der „Identitären“ mit ihren Lambda-Ersatzhakenkreuzen, ihren uniformen Scheiteln und ihren billigen, aber wirkungsvollen Provokationen. Doch selbst von diesen rechten Poseuren will sich doch in Wirklichkeit keiner totschießen lassen. Derweil ist der gewöhnliche Wähler der neuen Rechten ohnehin ein frustrierter Frührentner, der ganz sicher keine Barrikaden mehr baut. Mit einer nationalen Revolution wird es also nichts. Durchaus nicht unrealistisch ist aber eine andere Variante: Die neuen Rechten könnten durch Wahlen an die Macht kommen und die Gesellschaft nicht gewaltsam, sondern schleichend umbauen, nicht in einen totalitären, aber in einen autoritären Staat. In Ungarn scheint es schon zu funktionieren. Ob dies auch in einem Land des Westens gelingen kann, wird wohl das Trump-Experiment in den USA zeigen – sofern nicht im Laufe des Versuchs vorher schon die ganze Welt in die Luft fliegt.

***

Mein Kampf mit Mein Kampf (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (2): Im Elternhaus

Mein Kampf mit Mein Kampf (3): Wiener Lehr- und Leidensjahre (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (4): Wiener Lehr- und Leidensjahre (2)

Mein Kampf mit Mein Kampf (5): Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (6): München

Mein Kampf mit Mein Kampf (7): Der Weltkrieg

Mein Kampf mit Mein Kampf (8): Kriegspropaganda

Mein Kampf mit Mein Kampf (9): Die Revolution

Mein Kampf mit Mein Kampf (10): Beginn meiner politischen Tätigkeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (11): Die Deutsche Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (12): Ursachen des Zusammenbruches

Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Mein Kampf mit Mein Kampf (14): Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (15): Weltanschauung und Partei

Mein Kampf mit Mein Kampf (16): Der Staat

Mein Kampf mit Mein Kampf (17): Staatsangehöriger und Staatsbürger

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Mein Kampf mit Mein Kampf (23): Grundgedanken über Sinn und Organisation der S.A.

Mein Kampf mit Mein Kampf (24): Der Föderalismus als Maske

Mein Kampf mit Mein Kampf (25): Propaganda und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (26): Die Gewerkschaftsfrage

Mein Kampf mit Mein Kampf (27): Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Mein Kampf mit Mein Kampf (28): Ostorientierung oder Ostpolitik

Mein Kampf mit Mein Kampf (29): Notwehr als Recht

***

Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin hg. von Christian Hartmann, Thomas Vordermeyer, Othmar Plöckinger und Roman Töppel unter Mitarbeit von Pascal Trees, Angelika Reizle und Martina Seewald-Mooser. Zwei Bände. München/Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 4., durchges. Aufl. 2016

Das Lächeln der Schweine

Wer an einer Fleischerei vorbeikommt, der wundert sich über das Pappschild, das fast immer vor der Tür steht. Es zeigt ein lächelndes Schwein, das die Angebote des Tages präsentiert. Man fragt sich: Würde irgendein Schwein wirklich so lächeln, wenn es wüsste, dass es Schweinemedaillons zum Sonderpreis anbieten soll? Sind das Schwein und der Metzger denn Kollegen? Sind sie nicht eher so etwas wie natürliche Feinde? Immerhin lebt ja der eine davon, dass der andere erledigt, ausgenommen und verzehrt wird. Ist es da nicht geradezu zynisch, wenn Fleischer mit Bildern von lächelnden Schweinen werben? Andererseits: Banken werben ja auch mit Bildern von lächelnden Kunden.

WEITERLESEN BEI DER TAZ

Zwischen Terror und Wahn

Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass die neuen sozialen Medien keineswegs automatisch zum Triumph der Aufklärung führen. Das Medium ist eben nicht schon selbst die Botschaft. Jede neue Technik lässt sich für schlechte Zwecke ebenso gebrauchen wie für gute. Und so sollte es auch keinen überraschen, dass sich im Internet auch Hetzparolen, Lügengeschichten und Verschwörungsideologien tummeln und fleißig vermehren.

Wir machen es uns etwas zu einfach, wenn wir die Opfer solcher Verschwörungsideologien als lächerliche „Aluhüte“ abtun. Denn der Wahn ist nicht so weit von der Vernunft entfernt wie wir gerne glauben möchten. Wir alle neigen dazu, Tatsachen zu ignorieren, die uns unangenehm sind, während wir freudig jede Nachricht begrüßen, die in unser Weltbild passt. Im Verschwörungswahn dreht diese selektive Wahrnehmung bloß völlig frei. Und auch intelligente Menschen sind gegen solche Verirrungen nicht immun.

Der Verschwörungswahn ist auch nicht auf ein einziges politisches Lager beschränkt. Rechte leugnen vorzugsweise deutsche Verbrechen, weil solche Tatsachen ihre patriotischen Gefühle schmerzvoll verletzen. Nach dem jüngsten Terroranschlag in Berlin konnte man aber im Netz bestaunen, wie auch einige Linke plötzlich seltsamste Dinge von sich gaben. Der LKW könne ja wohl auch von einem Nazi gesteuert worden sein, um die Stimmung gegen Flüchtlinge zu kehren, wurde da geraunt. Und die Polizei, die verdächtig spät erst die Identität des mutmaßlichen Täters entdeckt habe, erzähle womöglich nicht die Wahrheit über den Anschlag.

Mit solchen Mutmaßungen schützen sich einige vor einer unangenehmen Einsicht: Getarnt als Flüchtlinge haben sich in den vergangenen Jahren auch Terroristen nach Europa geschmuggelt. Dass diese sich nach Anschlägen keine Mühe geben, ihre Identität zu verschleiern, ist nicht merkwürdig, sondern verständlich. Denn der Islamische Staat will durch solche Taten die echten Flüchtlinge diskreditieren und die Europäer demoralisieren. Auf diese Weise stärken die Islamisten ihre geistigen Komplizen, die europäischen Faschisten, auf dass es zum beidseitig ersehnten Krieg der Kulturen komme. Um den abzuwenden, bleibt uns nur die Macht der Vernunft. Ihr Sieg ist aber alles andere als gewiss.

***

Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

„Filterblase“ und „Echokammer“ sind neue Worte für alte Phänomene. Jedes politische Milieu ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich beständig wechselseitig in ihren Anschauungen bestätigen. Solche Milieus verfügen auch immer über ihre eigenen Medien. Stimmen von außen dringen daher nur selten ein, und wenn doch, dann weltanschaulich gefiltert und eingefärbt. Schon der Kopf jedes Einzelnen funktioniert ja ebenso: Das Gehirn wählt aus den Informationen der Außenwelt jene, die zum schon vorhandenen Weltbild passen. Äußerungen, die uns bestätigen, finden wir spontan glaubhafter als Äußerungen, die uns ärgern. Ein Politiker, der nicht nur die Überzeugten überzeugen, sondern die Anhänger des politischen Gegners abwerben will, muss nach Wegen suchen, diese Barrieren zu überwinden.

Im Kapitel Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede kehrt Hitler nach einigen programmatischen Kapiteln wieder zu seiner Biografie zurück. Er erzählt von den ersten Jahren der NSDAP – seltsam entrückt, so als läge diese Zeit schon in ferner Vergangenheit, so als blickte ein erfolgreicher Staatsmann auf seine Jugend. Die Autosuggestion, mit der Hitler seinen eigenen Erfolg vorwegnahm, erstaunt immer wieder aufs Neue. In seiner Erzählung verbreitet er eine Legende, an die er womöglich selber glaubte. Einzig die NSDAP habe es nach dem Krieg gewagt, gegen den Frieden von Versailles anzureden. Und er allein sei so mutig gewesen, vor Tausenden von feindlich eingestellten Zuhörern für die neue, nationalsozialistische Weltanschauung zu werben – natürlich mit Erfolg. Tatsächlich wurde der Friedensvertrag von allen politischen Parteien als ungerecht kritisiert. Und Hitler redete auch nicht vor feindlich eingestellten Arbeitern, sondern zumeist vor Gleichgesinnten, deren Applaus ihm sicher war. In seiner Erzählung nahm er aber nur vorweg, was ihm später tatsächlich teilweise gelingen sollte: „diejenigen Menschen durch Aufklärung und Propaganda zu gewinnen, die bisher ihrer Erziehung und Einsicht nach auf gegnerischem Boden standen.“

Hitler vertritt die These, nicht die Schriftsteller, sondern die genialen Redner verfügten über die Kunst der „Massenwirkung und Massenbeeinflussung“. Ein Motiv hinter dieser Behauptung war natürlich der Minderwertigkeitskomplex eines Mannes, der nicht schreiben, aber mitreißend reden konnte:

Es entspricht ganz der verbohrten Weltfremdheit unserer deutschen Intelligenz, zu glauben, daß zwangsläufig der Schriftsteller dem Redner an Geist überlegen sein müsse.

Allerdings kann auch eine These, die dem Ressentiment entsprungen ist, zutreffen. Das ist hier wohl der Fall. Zurecht merkt Hitler an, gewöhnliche Menschen läsen keine politische Bücher. Sie lesen vielleicht Zeitungen, aber kaum solche des politischen Gegners. Die Masse erreiche man also nur durch das gesprochene Wort. Wichtigstes Mittel war für Hitler dabei die „Massenversammlung“. Hier fand er ideale Bedingungen, um sein Ziel zu erreichen, das nicht darin bestand, Menschen argumentativ zu überzeugen, sondern ihren Geist zu vernebeln und ihren Willen zu brechen. Politische Massenversammlungen sollten deswegen auch möglichst immer abends stattfinden:

Morgens und selbst tagsüber scheinen die willensmäßigen Kräfte der Menschen sich noch in höchster Energie gegen den Versuch der Aufzwingung eines fremden Willens und einer fremden Meinung zu sträuben. Abends dagegen unterliegen sie leichter der beherrschenden Kraft eines stärkeren Wollens. Denn wahrlich stellt jede solche Versammlung einen Ringkampf zweier entgegengesetzter Kräfte dar. Der überragenden Redekunst einer beherrschenden Apostelnatur wird es nun leichter gelingen, Menschen dem neuen Wollen zu gewinnen, die selbst bereits eine Schwächung ihrer Widerstandskraft in natürlichster Weise erfahren haben, als solche, die noch im Vollbesitz ihrer geistigen und willensmäßigen Spannkraft sind.

Hitler verstand das ganze Leben als Krieg, darum natürlich auch die politische Rede. Sie war ein „Ringkampf des Redners mit den zu bekehrenden Gegnern“. Wenn sich der Möchtegern-Mabuse Hitler selbst den „zauberhaften Einfluß“ der „Massensuggestion“ zuschreibt, dann ist natürlich auch eitle Selbstinszenierung im Spiel. Aber suggestive Wirkung auf bestimmte Menschen wurde Hitler auch von kritischen Zeitgenossen bescheinigt. Entscheidend dafür war auch nach Hitlers eigener Einsicht die Umgebung, die uniformierende Wirkung, die von einer Massenversammlung ausgeht:

Die Massenversammlung ist auch schon deshalb notwendig, weil in ihr der einzelne, der sich zunächst als werdender Anhänger einer jungen Bewegung vereinsamt fühlt und leicht in Angst verfällt, allein zu sein, zum erstenmal das Bild einer größeren Gemeinschaft erhält, was bei den meisten Menschen kräftigend und ermutigend wirkt.

Auch heute noch ersetzen die sozialen Medien für politische Bewegungen nicht die Einheit stiftende Präsenz, die erst von der Massenversammlung geschaffen wird. Manch einer hat solch eine Angst vor der Vereinsamung, dass er sogar der Langeweile trotzt und sich montags mit Gleichgesinnten auf immer demselben Platz versammelt.

Hitler nennt noch einige andere geeignete Propagandamittel. So etwa das gleichsam „geredete“ Flugblatt, das ebenfalls noch heute durch die Straßen und durchs Internet flattert. Eine noch durchschlagendere Waffe kommt aber ganz ohne Worte aus:

Das Bild bringt in viel kürzerer Zeit, fast möchte ich sagen, auf einen Schlag, dem Menschen eine Aufklärung, die er aus Geschriebenem erst durch langwieriges Lesen empfängt.

Das Bild einer sich lindwurmartig vorwärtsschlängelnden Masse von dunkelhäutigen Einwanderern erzielt auch heute noch eine größere Wirkung als ein differenziert argumentierendes Buch zur Migrationspolitik. Es ist traurig, aber es ist so. Deshalb sollten kluge Leute sich nicht damit begnügen, in philosophischen Wälzern gegen die Gesellschaft recht zu behalten. Auch sie sollten sich mit Bild und Flugblatt und Rede ins Getümmel der Masse stürzen.

***

Mein Kampf mit Mein Kampf (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (2): Im Elternhaus

Mein Kampf mit Mein Kampf (3): Wiener Lehr- und Leidensjahre (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (4): Wiener Lehr- und Leidensjahre (2)

Mein Kampf mit Mein Kampf (5): Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (6): München

Mein Kampf mit Mein Kampf (7): Der Weltkrieg

Mein Kampf mit Mein Kampf (8): Kriegspropaganda

Mein Kampf mit Mein Kampf (9): Die Revolution

Mein Kampf mit Mein Kampf (10): Beginn meiner politischen Tätigkeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (11): Die Deutsche Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (12): Ursachen des Zusammenbruches

Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Mein Kampf mit Mein Kampf (14): Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (15): Weltanschauung und Partei

Mein Kampf mit Mein Kampf (16): Der Staat

Mein Kampf mit Mein Kampf (17): Staatsangehöriger und Staatsbürger

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Mein Kampf mit Mein Kampf (23): Grundgedanken über Sinn und Organisation der S.A.

Mein Kampf mit Mein Kampf (24): Der Föderalismus als Maske

Mein Kampf mit Mein Kampf (25): Propaganda und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (26): Die Gewerkschaftsfrage

Mein Kampf mit Mein Kampf (27): Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Mein Kampf mit Mein Kampf (28): Ostorientierung oder Ostpolitik

Mein Kampf mit Mein Kampf (29): Notwehr als Recht

***

Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin hg. von Christian Hartmann, Thomas Vordermeyer, Othmar Plöckinger und Roman Töppel unter Mitarbeit von Pascal Trees, Angelika Reizle und Martina Seewald-Mooser. Zwei Bände. München/Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 4., durchges. Aufl. 2016

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Wenn man erfahren will, was Faschisten vorhaben, muss man nur darauf achten, was sie ihren Feinden vorwerfen. Eben die Verbrechen, die sie anderen unterstellen, planen sie selbst. Sie fühlen sich geknebelt, denn sie wollen ihre Gegner mundtot machen. Sie jammern über Brutalität und schicken nachts Schlägertrupps in die Straßen. Sie klagen über die Lügenpresse und lügen unablässig. Sie nennen ihre Feinde Volksverräter und schrecken vor keinem Verrat ihres Landes zurück, um an die Macht zu kommen. Ihr Ziel ist die totale Herrschaft, den Wunsch danach schreiben sie aber dem Gegner zu. Modell dieser Argumentation der radikalen Umkehrung waren die Protokolle der Weisen von Zion, mit denen die Antisemiten dem Juden das Streben nach jener absoluten Diktatur andichteten, die sie selbst begehrten.

Hitler machte nie einen Hehl daraus, dass er nicht weniger als die totale Herrschaft anstrebte:

Denn die Weltanschauung ist unduldsam und kann sich mit der Rolle einer »Partei neben anderen« nicht begnügen, sondern fordert gebieterisch ihre eigene, ausschließliche und restlose Anerkennung sowie die vollkommene Umstellung des gesamten öffentlichen Lebens nach ihren Anschauungen. Sie kann also das gleichzeitige Weiterbestehen einer Vertretung des früheren Zustandes nicht dulden.

Diese Intoleranz, die mit der Tradition der bürgerlichen Aufklärung radikal brach, musste begründet werden. So erklärte Hitler sein eigenes Machtstreben zur Notwehr im Kampf gegen eine Macht, die angeblich nach der Weltherrschaft strebte.

Man kann nun sehr wohl den Einwand bringen, daß es sich bei derartigen Erscheinungen in der Weltgeschichte meist um solche spezifisch jüdischer Denkart handelt; ja, daß diese Art von Unduldsamkeit und Fanatismus geradezu jüdische Wesensart verkörpere. Dies mag tausendmal richtig sein, und wohl kann man diese Tatsache tief bedauern und mit nur allzuberechtigtem Unbehagen ihr Erscheinen in der Geschichte der Menschheit als etwas feststellen, was dieser bis dahin fremd gewesen war, – so ändert dies doch nichts daran, daß dieser Zustand heute eben da ist. Die Männer, die unser deutsches Volk aus seinem jetzigen Zustand erlösen wollen, haben sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, wie schön es wäre, wenn dieses und jenes nicht wäre, sondern müssen versuchen festzustellen, wie man das Gegebene beseitigt. Eine von infernalischer Unduldsamkeit erfüllte Weltanschauung wird aber nur zerbrochen werden durch eine von gleichem Geist vorwärts getriebene, vom gleichen stärksten Willen verfochtene, dabei aber in sich reine und durchaus wahrhaftige neue Idee.

„Nur Barbaren können sich verteidigen.“ Dieses Zitat, vom nationalistischen Ideologen Götz Kubitschek ohne Quellenangabe Friedrich Nietzsche zugeschrieben, geistert durch die rechtsradikale Szene der Gegenwart. Ich finde bei Nietzsche zwar nicht diese Worte, aber ein nachgelassenes Fragment aus dem Herbst 1887:

Mit was für Mitteln man rohe Völker zu behandeln hat, und daß die „Barbarei“ der Mittel nichts Willkürliches und Beliebiges ist, das kann man in praxi mit Händen greifen, wenn man mit aller seiner europäischen Verzärtelung einmal in die Notwendigkeit versetzt wird, am Congo oder irgendwo Herr über Barbaren bleiben zu müssen.

Hier entschuldigt die blonde Bestie in der Tat ihre eigene Barbarei durch die Notwendigkeit, fremde Barbaren zu beherrschen. Die Brutalität des Faschismus beruhte, wie Hannah Arendt schon feststellte, auch darauf, dass er die Methoden der imperialistischen Kolonisatoren nach Europa verpflanzte. Hitler gab seine eigenen Verbrechen als Reaktion auf die Verbrechen der unzivilisierten „jüdischen Bolschewisten“ aus, was vielen Deutschen glaubhaft schien, auch dann noch, als der offensive und exterminatorische Charakter von Hitlers Krieg unübersehbar geworden war.

Bei unseren heutigen Programmatikern der „Alternative für Deutschland“ wird die Sache etwas milder ausgedrückt: Die Europäer litten unter einer „thymotischen Unterversorgung“, einer Armut an Zorn und Wut, die ihnen im Kampf der Kulturen womöglich eine Niederlage bescheren werde. Es ist bei den Neurechten auch nicht mehr der Bolschewismus, sondern der mit dem Islam identifizierte militante Islamismus, der als Entschuldigung für die eigene Verrohung herhalten darf. Die Gleichförmigkeit der Argumentation indes ist nur schwer zu verkennen. Wie irrig diese Vorstellungen sind, hat die Geschichte gezeigt. Man kann die Zivilisation nicht verteidigen, indem man sie im Kampf selbst aufgibt. Man besiegt die Barbarei nicht, indem man selbst zum Barbaren wird. Es ist die Barbarei, die dann siegt.

***

Mein Kampf mit Mein Kampf (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (2): Im Elternhaus

Mein Kampf mit Mein Kampf (3): Wiener Lehr- und Leidensjahre (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (4): Wiener Lehr- und Leidensjahre (2)

Mein Kampf mit Mein Kampf (5): Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (6): München

Mein Kampf mit Mein Kampf (7): Der Weltkrieg

Mein Kampf mit Mein Kampf (8): Kriegspropaganda

Mein Kampf mit Mein Kampf (9): Die Revolution

Mein Kampf mit Mein Kampf (10): Beginn meiner politischen Tätigkeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (11): Die Deutsche Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (12): Ursachen des Zusammenbruches

Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Mein Kampf mit Mein Kampf (14): Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (15): Weltanschauung und Partei

Mein Kampf mit Mein Kampf (16): Der Staat

Mein Kampf mit Mein Kampf (17): Staatsangehöriger und Staatsbürger

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Mein Kampf mit Mein Kampf (23): Grundgedanken über Sinn und Organisation der S.A.

Mein Kampf mit Mein Kampf (24): Der Föderalismus als Maske

Mein Kampf mit Mein Kampf (25): Propaganda und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (26): Die Gewerkschaftsfrage

Mein Kampf mit Mein Kampf (27): Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Mein Kampf mit Mein Kampf (28): Ostorientierung oder Ostpolitik

Mein Kampf mit Mein Kampf (29): Notwehr als Recht

***

Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin hg. von Christian Hartmann, Thomas Vordermeyer, Othmar Plöckinger und Roman Töppel unter Mitarbeit von Pascal Trees, Angelika Reizle und Martina Seewald-Mooser. Zwei Bände. München/Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 4., durchges. Aufl. 2016

Termine der Woche

Am Mittwoch (18. Januar) bin ich Gast der literarischen Reihe Turboprop Literatur im Schauspiel Chemnitz. Ich bringe mein aktuelles Buch „Das Lachen im Hals“ (edition AZUR) mit, lese aber auch andere Sachen und plausche mit dem Gastgeber Claudius Nießen. Es wird vermutlich besonders und schön, wie immer in Karl-Marx-Stadt. Los geht es um 20 Uhr.

Am Sonntag (22. Januar) bin ich einer der Autoren beim traditionellen Lesebühnenbrunch zum Kabaretttreffen in Cottbus. Mit mir dabei sind die Kollegen Andreas „Spider“ Krenzke, Udo Tiffert, Ivo Lotion und Jonas Galm. Die kulinarische Rezeption beginnt um 11 Uhr.

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Hitlers Erfolg beruhte darauf, dass er wenigstens zum Teil wirklich war, was zu sein er beanspruchte: eine Verkörperung des deutschen Volkes. Er personifizierte tatsächlich die Ängste, Vorurteile und Leidenschaften eines erheblichen Teils der Deutschen, nämlich jener Mittelschicht, die auf die Masse der Armen mit Angst und Verachtung und auf die Eliten mit Neid blickte. Hitler verstand diese Deutschen so gut, weil er selbst den gleichen autoritären Charakter besaß. Das Führerprinzip, das er im Kapitel Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke vorstellt, wirkt daher wie eine Variante der Maxime des deutschen Untertans, nach der aufwärts zu buckeln und abwärts zu treten sei:

Autorität jedes Führers nach unten und Verantwortlichkeit nach oben

Hitler konstruierte seine Partei und seinen Idealstaat nach dem Vorbild der Armee, der einzigen Gemeinschaft, in der er sich im Leben je wohlgefühlt hatte. Und gewiss verschafft bedingungsloser Gehorsam wirklich Befriedigung. Gehorsam befreit von der Qual des Nachdenkens, von der lästigen Pflicht, selbst Entscheidungen zu treffen. Gehorsam schafft auch eine Art von Gleichheit, denn vor dem Kommandierenden sind die Befehlsempfänger gleich. Streit wird überflüssig, soziale und intellektuelle Unterschiede verschwinden vor dem Rang. So kann sich die männerbündische Nestwärme ausbreiten, die man gewöhnlich Kameradschaft nennt. Hitler erträumte sich einen Staat, der aufgebaut sein sollte wie eine militärische Befehlspyramide. Am besten hat es in solch einem Gebilde natürlich derjenige, der ganz oben auf der Spitze thront: Er kann befehlen, muss aber, anders als alle anderen, niemandem gehorchen – ein Schulbubentraum. Für diesen verantwortungsvollen Posten stellte sich Hitler opferbereit selbst zur Verfügung.

Nun braucht aber auch ein solcher Staat eine Legitimation. Sonst könnte ja jeder kommen und fragen: Warum stehst denn eigentlich du da oben? Warum bin nicht stattdessen ich der Führer? Hier hilft der Rassismus, die Lehre von der natürlichen Ungleichheit. Der Glaube an die natürliche Überlegenheit wirkt nicht ohne Grund auch heute noch besonders anziehend auf Menschen, die tatsächlich unterlegen sind oder sich zumindest unterlegen fühlen. Hier unterschied sich Hitlers Appell an die Massen auch fundamental von dem der Sozialisten. Während diese von der natürlichen Gleichheit ausgingen und in ihrem Namen die politische und soziale Gleichheit erkämpfen wollten, ging Hiter von der natürlichen Ungleichheit aus und wollte die vermeintlich biologische Hierarchie auch im Staat durchsetzen.

Es wäre ein Wahnwitz, den Wert des Menschen nach seiner Rassenzugehörigkeit abschätzen zu wollen, mithin dem marxistischen Standpunkt: Mensch ist gleich Mensch den Krieg zu erklären, wenn man dann doch nicht entschlossen ist, auch die letzten Konsequenzen zu ziehen. Die letzte Konsequenz der Anerkennung der Bedeutung des Blutes, also der rassenmäßigen Grundlage im allgemeinen, ist aber die Übertragung dieser Einschätzung auf die einzelne Person. So wie ich im allgemeinen die Völker auf Grund ihrer rassischen Zugehörigkeit verschieden bewerten muß, so auch die einzelnen Menschen innerhalb einer Volksgemeinschaft.

Es mag nun noch verhältnismäßig einfach sein, die Juden auszusondern – aber wie stellt man den unterschiedlichen Rassenwert von Ariern fest? Hier hilft Hitler wieder einmal das „aristokratische Prinzip“ der Natur.

Eine Weltanschauung, die sich bestrebt, unter Ablehnung des demokratischen Massengedankens, dem besten Volk, also den höchsten Menschen, diese Erde zu geben, muß logischerweise auch innerhalb dieses Volkes wieder dem gleichen aristokratischen Prinzip gehorchen und den besten Köpfen die Führung und den höchsten Einfluß im betreffenden Volke sichern. Damit baut sie nicht auf dem Gedanken der Majorität, sondern auf dem der Persönlichkeit auf.

Der „Kampf des täglichen Lebens“ ist ein „Ausleseprozeß“, der eine „Siebung nach Fähigkeit und Tüchtigkeit“ besorgt. Wer sich in diesem Kampf durchsetzt, beweist damit auch den Wert seines Blutes. Schlichter, in Beamtensprache ausgedrückt: Wer es schafft, einen Posten zu ergattern, der hat ihn auch verdient. So wird der naturalistische Fehlschluss zum Staatsgrundsatz. Wie logisch verkorkst dieses Denken ist, lässt sich leicht zeigen: Wenn die Starken sich eigentlich von allein durchsetzen, wozu braucht es dann noch einen Staat, der ihnen dabei hilft, gegen die Schwachen zu siegen? Wenn zurzeit die Schwachen regieren, zeigt dies nicht, dass sie tatsächlich die Stärkeren sind? Hitler wurde durch solche Widersprüche nicht irritiert, denn er besaß als ideologische Allzweckwaffe ja „den Juden“, der zur Erklärung für alles herhalten konnte. Es war eben „der Jude“, der zurzeit noch die Spielregeln so manipulierte, dass immer die Falschen das Spiel gewannen.

Hitler vergötzte den Wettkampf zum Fetisch, der Nationalsozialist war also letztlich ein haltloses geistiges Opfer der kapitalistischen Ideologie. Seine eigene Karriere zeigt tatsächlich aber aufs Deutlichste: Es sind meist nicht die Besten, die sich im politischen Daseinskampf durchsetzen, sondern die Gerissensten und Rücksichtslosesten.

***

Mein Kampf mit Mein Kampf (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (2): Im Elternhaus

Mein Kampf mit Mein Kampf (3): Wiener Lehr- und Leidensjahre (1)

Mein Kampf mit Mein Kampf (4): Wiener Lehr- und Leidensjahre (2)

Mein Kampf mit Mein Kampf (5): Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (6): München

Mein Kampf mit Mein Kampf (7): Der Weltkrieg

Mein Kampf mit Mein Kampf (8): Kriegspropaganda

Mein Kampf mit Mein Kampf (9): Die Revolution

Mein Kampf mit Mein Kampf (10): Beginn meiner politischen Tätigkeit

Mein Kampf mit Mein Kampf (11): Die Deutsche Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (12): Ursachen des Zusammenbruches

Mein Kampf mit Mein Kampf (13): Volk und Rasse

Mein Kampf mit Mein Kampf (14): Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

Mein Kampf mit Mein Kampf (15): Weltanschauung und Partei

Mein Kampf mit Mein Kampf (16): Der Staat

Mein Kampf mit Mein Kampf (17): Staatsangehöriger und Staatsbürger

Mein Kampf mit Mein Kampf (18): Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke

Mein Kampf mit Mein Kampf (19): Weltanschauung und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (20): Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

Mein Kampf mit Mein Kampf (21): Das Ringen mit der roten Front

Mein Kampf mit Mein Kampf (22): Der Starke ist am mächtigsten allein

Mein Kampf mit Mein Kampf (23): Grundgedanken über Sinn und Organisation der S.A.

Mein Kampf mit Mein Kampf (24): Der Föderalismus als Maske

Mein Kampf mit Mein Kampf (25): Propaganda und Organisation

Mein Kampf mit Mein Kampf (26): Die Gewerkschaftsfrage

Mein Kampf mit Mein Kampf (27): Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Mein Kampf mit Mein Kampf (28): Ostorientierung oder Ostpolitik

Mein Kampf mit Mein Kampf (29): Notwehr als Recht

***

Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin hg. von Christian Hartmann, Thomas Vordermeyer, Othmar Plöckinger und Roman Töppel unter Mitarbeit von Pascal Trees, Angelika Reizle und Martina Seewald-Mooser. Zwei Bände. München/Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 4., durchges. Aufl. 2016

Termine der Woche

Am Donnerstag (12. Januar) feiert unsere Dresdner Lesebühne Sax Royal ihren 12. Geburtstag! Kaum zu glauben, aber wahr: Seit nunmehr bereits zwölf Jahren erfreuen wir allmonatlich in der Scheune unser Publikum mit Geschichten, Gedichten und Liedern zwischen Tiefsinn und Hochkomik. Humoristischer Ausbruch und literarischer Anspruch schließen sich dabei nicht aus, sondern finden zueinander wie Faust und Auge. Zur Feier des Tages präsentieren wir nicht nur wie immer neue Texte, sondern auch einige unserer größten Erfolge aus den vergangenen Jahren sowie diverse, voraussichtlich größtenteils positive Überraschungen. Es lesen mit mir die Stammautoren Julius Fischer, Roman Israel und Stefan Seyfarth sowie als besonderer Gast der Leipziger Schriftsteller Michael Schweßinger. Tickets gibt es im Vorverkauf oder ab 19:30 Uhr an der Abendkasse. Los geht es um 20 Uhr.

Am Freitag (13. Januar) startet auch die Görlitzer Lesebühne Grubenhund ins neue Jahr. Frische Geschichten und Gedichte gibt es diesmal von mir und Stammautor Udo Tiffert sowie von zwei Gastautoren, Roman Israel aus Berlin und Michael Schweßinger aus Leipzig. Los geht es wie immer um 19:30 Uhr im Kino Camillo. Karten gibt es an der Abendkasse ab 19 Uhr.