Satire mit Hitlerbärtchen

Wieder einmal haben die Deutschen zwei Wochen mit Gerede über Gerede vergeudet. Ein Satiriker fand es eine gute Idee, mal spaßeshalber den türkischen Despoten Erdoğan zu beleidigen. Und das ganze Land diskutierte so eifrig wie ergebnislos die Frage: War das Satire oder eine Grenzverletzung, die bestraft werden muss? Als ob nicht auch gut beides der Fall sein könnte! Der Satiriker kann stolz darauf sein, einen Despoten beleidigt zu haben, sollte nun aber auch nicht jammern, sondern eine Strafe mannhaft tragen. So einfach ist das. Politisch ist allerdings mit dem Nachweis, dass Erdoğan sehr tierlieb ist, nicht viel gewonnen. Dieser Despot, der an einer seltsamen Mischung von Größen- und Verfolgungswahn leidet, sollte nicht nur beleidigt, sondern verhaftet werden.

Leider haben nur wenige den eigentlichen Witz der Grenzverletzung mit Ansage verstanden. Jan Böhmermann hat ja nur die Taktik parodiert, die bei der jungen Satirepartei „Alternative für Deutschland“ längst gängig ist. Diese selbst ernannten Grenzschützer sind nämlich auch äußerst talentierte Grenzverletzer. Es gibt kaum noch Grenzen des Anstands, des guten Geschmacks oder der Verfassung, vor denen sie Respekt hätten. Das funktioniert immer gleich: Einer von ihnen äußert irgendeine Bestialität, erntet dafür dann den erwünschten Sturm der Entrüstung und lässt sich von seinen Anhängern als Märtyrer der Meinungsfreiheit feiern.

Als neuesten Streich haben die Alternativen nun kurzerhand die Abschaffung einer Weltreligion beschlossen. Der Islam ist für sie ab sofort keine Glaubensgemeinschaft mehr, sondern eine „politische Ideologie“. Vier Millionen Menschen, die in Deutschland wohnen, lassen sich so ganz einfach zu Staatsfeinden erklären. Bloß originell ist der Spaß nicht. Eine Minderheit, die angeblich als „Fremdkörper“ die deutsche Identität bedroht und nach der Weltherrschaft strebt, sodass sie notfalls mit Gewalt unterdrückt werden muss? Der Witz hat ein Hitlerbärtchen, denn genau so redete man einst auch über die Juden.

Müssen wir uns nun deswegen vor den Vertretern dieser alternativen Spaßpartei fürchten? Vor dieser Armee von Gartenzwergen, sie sich selbst für Kreuzritter halten? Besser wäre es, wir behandelten sie einfach wie die Witzfiguren, die sie sind.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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