Die folgenden Bemerkungen sind nur verständlich für jene, die meinen Beitrag zur PEGIDA-Studie von Prof. Werner Patzelt und dessen Erwiderung gelesen haben.
Prof. Patzelt fand meine beiden früheren Beiträge (1,2) zum Thema schlecht. Das mag jeder beurteilen, wie er will. Mir scheint, sie enthielten in Form von – im ersten Text wohl überhitzter – Polemik durchaus schon ein bisschen Rationalität. Dass sie auch „dünngeistige Beifallsbekundungen“ hervorgerufen haben, kann sein. Gleichwohl wird man dafür doch nicht ohne Weiteres den Autor haftbar machen dürfen. Das Phänomen peinlicher Anhängerschaft müsste Prof. Patzelt auch aus den Kommentarspalten seiner eigenen Facebook-Beiträge bekannt sein.
Prof. Patzelts merkwürdiger Vorwurf, ich suchte immer nur meine eigenen Vorurteile zu bestätigen und nähme Fakten daher nur selektiv zur Kenntnis, scheint mir unbegründet. (An einer Stelle klingt sogar der Verdacht an, ich hätte die aktuelle PEGIDA-Studie gar nicht ganz gelesen – eine Insinuation, die ich etwas beleidigend finde.) Meine Beiträge zeigen, wie mir scheint, ziemlich offen, dass ich einige frühere Positionen überdacht und verändert habe. Kritik und Selbstkritik gehören meiner Ansicht nach zusammen. Aber natürlich ist jeder Mensch mit seiner persönlichen Blindheit geschlagen. Deswegen sind Diskussionen nützlich, um Vorurteile abzubauen. Es stünde übrigens auch Prof. Patzelt gut an, zur Abwechslung auch einmal ein bisschen Selbstkritik zu üben. Wer darauf hofft, in seinen Texten auch einmal das Eingeständnis eines Fehlers zu finden, der wird enttäuscht und vom immer gleichen Ton herablassender Rechthaberei vielleicht sogar abgestoßen. Aber es kann natürlich sein, dass Prof. Patzelt einfach immer recht hat und nur deswegen nie etwas korrigieren muss.
Prof. Patzelt verweist darauf, eine Analyse der PEGIDA-Äußerungen bei Reden und im Internet stehe noch aus, werde aber keinesfalls unterlassen. Das ist erfreulich. In der jetzigen Analyse, aus der Prof. Patzelt allerdings schon umfassende politische Handlungsempfehlungen ableitet, fehlen diese Aspekte aber fast ganz. Darf man das nicht kritisieren? Warum ist es denn unmöglich, markante Äußerungen schon jetzt zur Analyse heranzuziehen? Weil Forschung „schrittweise“ vorgehen muss? Sehr überzeugend ist das nicht. Also offen gesprochen: Ich vermute, dass Prof. Patzelt die gutwilligen Demonstranten – vielleicht unbewusst – vor ihren eigenen oft unüberlegten Äußerungen und vor den Hetzreden ihrer Anführer gleichsam in Schutz nehmen möchte. Ich halte das sogar für sympathisch, nur eben nicht für ganz objektiv. Wenn das eine „Unterstellung“ ist, von mir aus, es gibt auch zutreffende Unterstellungen. Das versprochene PEGIDA-Buch mag mich widerlegen.
Prof. Patzelt weist meine Einschätzung, er interpretiere einseitig, entschieden zurück. Ich will damit nur so viel sagen: Prof. Patzelt hat immer sowohl PEGIDA-Gegner als auch -anhänger kritisch analysiert. Aber er hat PEGIDA weniger häufig und weniger scharf kritisiert als die PEGIDA-Gegner – was sein gutes Recht ist. Nichts anderes meine ich mit „einseitig“. Prof. Patzelt ist bei den Anhängern von PEGIDA beständig auf der Suche nach „Gutwilligkeit“, bei den Gegnern hingegen wittert er überall Arroganz und Intoleranz. Ich glaube, dass die PEGIDA-Anhänger, noch mehr aber ihre Führer, eine weit größere Schuld an der Verhärtung der Fronten trifft als die – in Dresden hoffnungslos unterlegenen – Gegendemonstranten. Das ist meine Sicht, die auch einseitig sein mag.
Prof. Patzelt hält mir einige Kommentare zu den Umfrageergebnissen vor, indem er auf meine freche Zuspitzung mit seriöser Differenzierung antwortet. Hier muss ich mich geschlagen geben, meine satirische Natur geht eben einfach ab und zu mit mir durch. Natürlich sind z.B. die knapp 20 % PEGIDA-Anhänger mit rassistischen Auffassungen und bekundeter Gewaltbereitschaft nicht alle „Nazis“ im strengen, historischen Wortsinne. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass Differenzierung irgendwann auch in Haarspalterei übergehen kann. Wie viele Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung hätte man wohl 1933 empirisch einwandfrei per Fragebogen als Nationalsozialisten im ideologischen Sinne identifizieren können? Auch diese Bewegung war heterogen und wirkte doch am Ende in eine Richtung. Dass „normale Bürger“ von rechtsradikalen Anführern vereinnahmt wurden, war ja eben das viele Menschen Empörende und Erschreckende. Insofern habe ich für die „Hysterie“ mancher PEGIDA-Gegner, über die Prof. Patzelt gern spottet, großes Verständnis.
Prof. Patzelt scheint zu glauben, ich wollte den Begriff „Rassismus“ überdehnen und ich negierte das Bekenntnis der Mehrheit der PEGIDA-Demonstranten zur „Demokratie“. Meine Bemerkungen zu den Begriffen „Rassismus“ und „Demokratie“ sollten darauf hinweisen, dass eine weitere Klärung notwendig wäre. Ich bin gerade nicht für einen überspannten Rassismusbegriff, deswegen hielte ich es für gut, wenn genauer nach den Gründen der Ablehnung von Fremden gefragt worden wäre. So hätte man besser zwischen antireligiös und rassistisch motivierter Ablehnung unterscheiden können. Ebenso bei der Demokratie: Wenn bei PEGIDA an prominenter Stelle ein Spruchband mit der Aufschrift „Wir – nur wir sind das Volk!“ getragen wird, wäre es nicht doch gut, mal genauer zu fragen, was die PEGIDA-Anhänger unter Volksherrschaft verstehen? Wenn auf den Kundgebungen beständig Andersdenkende rhetorisch aus dem „Volk“ ausgebürgert werden, muss man dann nicht von einer anti-demokratischen Stimmung, ja einer teilweise faschistoiden Grundhaltung bei PEGIDA sprechen?
Prof. Patzelt verteidigt seinen Spott gegen die verebbende Bewegung der PEGIDA-Gegner. Anfangs sei sie hysterisch gewesen, nun lethargisch geworden, anfangs habe sie die Gefahr durch PEGIDA überschätzt, nun bleibe sie bequem zuhause. Die angeblichen Defizite, die Prof. Patzelt ausmacht, kann ich nicht erkennen: Es gab gerade anfangs viele Gründe, PEGIDA als bedrohlich wahrzunehmen. Und es ist verständlich, dass angesichts der Selbstentlarvung, Spaltung und Schrumpfung von PEGIDA der Gegenprotest aufhört, denn PEGIDA erscheint jetzt – aber eben erst jetzt! – kaum mehr gefährlich, eher lächerlich.
Prof. Patzelt stört sich an meinem Satz: „Der Therapievorschlag von Professor Patzelt: Man müsse mit den Rechten auf der Straße in einen Dialog treten, ihre Sorgen ernst nehmen und ihre Forderungen womöglich erfüllen.“ Ich will versuchen, weniger missverständlich zu formulieren: „Der Therapievorschlag von Prof. Patzelt: Man müsse mit Menschen auf der rechten Seite des politischen Spektrums auf der Straße und in der Gesellschaft in einen Dialog treten, ihre Sorgen ernst nehmen und die von ihnen angesprochenen Probleme wenn möglich einer politischen Lösung durch Gesetzgebung zuführen.“ Der Satz ist nicht als Vorwurf zu verstehen. Ich begreife nicht, warum Prof. Patzelt der Meinung ist, ich verstünde sein Anliegen überhaupt nicht. Er möchte Menschen auf der rechten Seite des politischen Spektrums für die Demokratie erhalten und gewinnen, damit sie nicht in den Radikalismus oder die Politikverdrossenheit abdriften. Ich habe dagegen nichts einzuwenden. Nur möchte ich deswegen kein Verständnis für rechte Ideen und Komplexe heucheln müssen, das ich nicht habe.
Prof. Patzelt bringt mich mit jenen linken Gegendemonstranten in Verbindung, die ihre eigenen pluralistischen Grundsätze verraten, indem sie das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit der PEGIDA-Anhänger infrage stellen. Um meine eigene Position klarzumachen, erlaube ich mir, aus einem schon 2013 von mir veröffentlichten Buch zu zitieren: „Jedenfalls scheint es mir, als sollte man die Grenzen der Redefreiheit lieber zu weit als zu eng fassen. Das gleiche Prinzip scheint mir auch für den Umgang mit Nazis richtig. […] ich möchte denen, die fordern, man solle Naziaufmärsche verbieten, widersprechen. Ich bin dafür, dass die Nazis marschieren, denn dann kann man sie sehen und nachzählen.“ Was für Nazis gilt, gilt natürlich noch weit mehr für die nur teilweise rechtsradikale PEGIDA. Aber! Es sind die Anhänger von PEGIDA, die beständig bloße Kritik an ihrer Bewegung als „Unterdrückung“ geißeln. Sie verraten dadurch, dass sie selbst mit der Meinungsfreiheit prinzipielle Probleme haben. Sie führen das große Wort, ertragen aber nicht die kleinsten Widerworte.
Prof. Patzelt erläutert die von ihm diagnostizierte und mir geleugnete „Repräsentationslücke“ dahin, es gehe nicht nur um Repräsentation überhaupt, sondern um „staatstragende“. Mit dieser für mich neuen Information verstehe ich nun besser, was er meint. Was ich meinte, hat Prof. Patzelt allerdings auch nicht verstanden. Ich wollte darauf hinweisen, dass es einen Bereich des politischen Spektrums gibt, nennen wir ihn: den Rechtsradikalismus, der in der repräsentativen Demokratie notwendig frustriert bleiben muss. Wenn Rechtsradikale wählen, dann werden sie nach der Wahl immer enttäuscht, weil die von ihnen gewählte Partei ihre Wünsche unmöglich umsetzen kann. Ein Teil der PEGIDA-Anhänger gehört zu diesem Spektrum – nicht alle, vielleicht nicht einmal die Mehrheit. Natürlich sollte man versuchen, auch diese Menschen für die Demokratie zu gewinnen! Aber es wird immer einen Rest geben, bei dem alle Mühe vergebens bleibt. Und ein Teil der Leute, die angeben, sich nicht repräsentiert zu fühlen, sind eben jener Rest von unwandelbaren Rechtsradikalen. Wenn es für diese Leute eine Repräsentationslücke gibt, dann finde ich das gut.
Auf eine Beurteilung der satirischen Künste von Prof. Patzelt verzichte ich, um die sich anbahnende Versöhnung nicht am Schluss doch noch zu gefährden.