Geld oder Volk

Durch Elemente direkter Demokratie könnte unsere Gesellschaft politisch belebt werden. Diese Idee hat Prof. Patzelt in der vergangenen Woche überzeugend vertreten. Hoffen wir, dass es ihm gelingt, auch noch seine Parteifreunde von der CDU zu überzeugen, die sich mit der direkten Demokratie bislang noch nicht anfreunden wollen. In Sachsen zum Beispiel gab es seit der Wende die Rekordzahl von genau einem Volksentscheid, weil die Hürden in der Verfassung so hoch gelegt wurden, dass sie kaum zu überwinden sind.

Man sollte allerdings auch keine übertriebenen Hoffnungen in solchen Reformen setzen. Eine direkte Demokratie im eigentlichen Sinne kann es nur in kleinen Kommunen geben. Größere Staaten sind auf das Vertrauen der Bürger in gewählte Repräsentanten angewiesen. Wie aber soll man Vertreter wertschätzen, die sich selbst für machtlos und überflüssig erklären? Nichts anderes haben jene Politiker verschiedener Parteien getan, die sich in den vergangenen Jahrzehnten der neoliberalen Lüge unterwarfen, die Politik wäre nur dazu da, die „ökonomischen Sachzwänge“, also die Wünsche der Unternehmer, praktisch durchzusetzen. Was getan werden müsse, sei ohnehin klar, es gelte nur noch, das Unvermeidliche möglichst reibungslos zu realisieren, notfalls an störrischen Bürgern vorbei.

Wo Menschen gegen Spardiktat, Privatisierung und Lohndrückerei protestierten, wurden sie milde als aus der Zeit gefallene Sozialromantiker belächelt. Gelegentlich rang sich mal ein Politiker zu dem Eingeständnis durch, man habe die notwendigen Maßnahmen wohl noch nicht „ausreichend erklärt“. Was sich jeder leicht übersetzen kann in: Die Politik ist spitze, die Bürger nur zu blöd, das auch zu begreifen. Angela Merkels triste Phrasen von der „Alternativlosigkeit“ und der „marktkonformen Demokratie“ fassen diese Ideologie trefflich zusammen.

Unterdessen lassen sich Ministerien ihre Gesetzentwürfe von Unternehmenslobbyisten schreiben und gewählte Volksvertreter kuschen vor Kapitalisten, die mit dem Verschwinden von Jobs drohen. Politiker aber, die sich selbst zu Erfüllungsgehilfen der ökonomisch Mächtigen erniedrigen, werden zu Recht missbilligt. Und unsere Demokratie bleibt unvollkommen, so lange entscheidende Macht nicht vom Volke ausgeht, sondern vom Gelde.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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