Das Elend der Kultur

Ich fürchte, ich bin nicht ganz normal. Wenigstens kam mir jüngst dieser Verdacht, nachdem mir Folgendes widerfuhr: Ich saß mit Freunden zu recht später Stunde in einer Bar in Dresden. Wir plauderten angeregt, mein Bewusstsein war nicht mehr ganz ungetrübt. Da stieß mich ein Freund an: „Pass auf, deine Tasche!“ Ich schaute mich um und sah einen Mann, der meine Tasche schon beim Tragegurt gefasst hatte. Als ich aufstand, ließ er von ihr ab und verschwand eilig. Dem Augenschein nach handelte es sich wohl um ein Mitglied jener Diebesbande von Männern aus Tunesien, die seit einigen Jahren in Dresden ihr Unwesen treibt, ohne von der Justiz gestoppt zu werden.

Mehr als über die versuchte Tat erschrak ich über mich selbst. Als besorgter Bürger hätte ich doch nun auf der Stelle etwas skandieren müssen wie „Die Ausländer nehmen uns die Taschen weg!“ oder „Das Abendland ist in Gefahr!“ Ich dachte aber erstaunlicherweise bloß: Was für ein Arsch, der mir arglos Trunkenem die Tasche klauen will!

Eine wahre Seuche, die unsere Gesellschaft befallen hat, ist die Mode, nicht mehr über einzelne Menschen, sondern nur noch über „Kulturen“ zu reden. Wir schauen nicht mehr auf das Individuum und sein persönliches Handeln, sondern glauben, schon alles über Menschen zu wissen, wenn wir sie nur einer bestimmten „Kultur“ zugeordnet haben. So können wir ganze Gruppen kollektiv entschuldigen oder verdammen. Manch allzu Gutmütiger versucht, Gewaltausbrüche von Islamisten kleinzureden mit der Begründung, deren Kultur lasse sie nun einmal bei jeder Beleidigung explodieren. Umgekehrt erklären rechte Hetzer alle Menschen aus der islamischen Welt zu potenziellen Verbrechern, denn die Bosheit liege nun einmal in ihrer Kultur. Wer so redet, benutzt „Kultur“ aber nur als scheinheiligen Ersatz für das nicht mehr so gut angesehene Wörtchen „Rasse“. Als ob es nicht in allen Völkern und Religionen viele anständige Menschen und daneben leider auch noch einige Bachmänner gäbe!

Wie soll man umgehen mit kriminellen Ausländern? Ich denke: genauso wie mit kriminellen Inländern. Man sollte die Schuldigen bestrafen und die Unschuldigen in Ruhe lassen. Muss man denn so etwas Selbstverständliches überhaupt sagen? Vermutlich ja, denn zurzeit versteht sich in unserem Land ja kaum noch etwas von selbst.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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