Die fremde Kost

Ein Grund für die miese Stimmung, die im Lande herrscht, wird nur selten genannt: Es gibt zu viele einsame Männer, die zu viel Zeit allein mit ihrem Computer verbringen. Stundenlang hocken sie vorm Bildschirm und durchsuchen das Netz nach Geschichten über kriminelle Ausländer. Und sie werden überreichlich fündig, denn neben den Straftaten, die wirklich geschehen, tummeln sich da auch noch tausende Lügengeschichten, die von denen gerne geglaubt werden, die glauben wollen. Gingen die einsamen Männer öfter einmal an die frische Luft, dann sähen sie, dass die Welt doch nicht gar so hässlich ist, wie sie im Internet ausschaut.

Wer so lebt, der sieht im Fremden irgendwann den leibhaftigen Teufel, aber nicht mehr den Menschen, der isst und schläft, der liebt und hofft, der mit seinen Kindern spielt und ins Kino geht. Dabei ist es gar nicht so schwer, den rätselhaften Fremden kennenzulernen. Man kann bei ihm essen gehen. Die Liebe geht bekanntlich durch den Magen, die Liebe zwischen den Völkern auch. Seit Italiener in Deutschland Pizza backen, glauben wir nicht mehr, dass sie alle bei der Mafia beschäftigt sind. Und dass Türken ab und zu auch mal etwas anderes machen, als mit dem Säbel in der Hand Wien zu belagern, wissen wir, seit sie uns köstliche Döner verkaufen.

Seit einer Weile eröffnen nun auch immer mehr syrische Restaurants in deutschen Städten, so auch bei mir um’s Eck. Zugegeben, ein wenig umgewöhnen musste ich mich bei meinem ersten Besuch: Freundliche Gastgeber, die ihre Gäste mit Tee begrüßen und ungefragt Brot und Weintrauben auf den Tisch stellen – solch exotisches Verhalten ist man aus deutschen Imbissen nicht gewohnt. Aber auch bei den Speisen kann man Entdeckungen machen, zum Beispiel Kibbeh, frittierte Bällchen, gefüllt mit Weizengrütze und Fleisch, oder auch Foul, ein schmackhafter Saubohneneintopf.

Oft klagen die Sachsen darüber, der Rest der Deutschen bringe ihnen keine Zuneigung entgegen. Und in der Tat werden wir Sachsen gelegentlich in ungerechter Weise verspottet und gescholten. Aber geben die Sachsen sich denn genügend Mühe, Liebe zu erwecken? Sind sie nicht oft zu stolz dazu oder zu ängstlich – oder beides zugleich? Merkwürdig jedenfalls: Ich kann mich nicht daran erinnern, außerhalb Sachsens jemals ein sächsisches Restaurant gesehen zu haben.

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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.

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