Große Satiriker erkennt man daran, dass sie uns auf ihre Seite ziehen und dazu bringen, mit ihnen über ihre Gegner zu lachen, selbst wenn wir diese Gegner gar nicht kennen und deswegen eigentlich auch kein Urteil fällen können. Wie viele Menschen, die mit Freude Heinrich Heines satirische Schriften lesen, haben wohl August von Platen, Ludwig Börne oder Wolfgang Menzel studiert? Macht nichts, uns überzeugt die Virtuosität des Spotts und der Schelte. Ist die Satire große Kunst, wird ihr Ziel zur Nebensache, wo nicht gar belanglos – auch wenn den Opfern ihr Schmerz etwas anderes sagt. Auch deswegen lassen sich die Schriften von Jonathan Swift oder Karl Kraus noch immer mit Vergnügen und Gewinn lesen, obwohl die Opfer, die sie auf die Feder spießten, größtenteils längst vergessen sind. Satiriker strafen doppelt: Sie richten nicht nur hin, sondern sorgen auch noch dafür, dass die Hingerichteten überleben – aber nur in dem Spott, der tödlich für sie war. Der Schriftsteller Wiglaf Droste mochte nicht als Satiriker bezeichnet werden. Aber es dürfte doch diese Seite seines Werks sein, die ihm bleibenden literarischen Ruhm sichert.
Danke für die kluge Rezension. Wer Droste in seinen letzten Lebensjahren sah (mal aufgeschwemmt, mal grotesk abgemagert), hätte eigentlich wissen müssen, wie es um ihn stand, aber er wirkte zugleich auch so, als könnte ihm die Sauferei wenig anhaben. Und auch wenn solche Spekulationen überflüssig sind, hätte mich doch interessiert, ob ihn der stramm antisemitische Zug der „jungen Welt“ (mit der Jubelzeile „Gaza schlägt zurück“) seit dem 7.10. nicht doch ähnlich abgestoßen hätte wie, zum Beispiel, mich.