Wenn es in der BILD-Zeitung einmal nicht um Titten, Tod und Teufel geht, sondern um Arbeitslosigkeit, kann man sicher sein, dass nicht die Probleme der Arbeitslosen beschrieben werden, sondern die Arbeitslosen als Problem. „Das läuft falsch beim Bürgergeld!“, lautete vor einer Weile eine schlagende Zeile. Naiv, wer hofft, der zugehörige Artikel würde die Frage stellen, warum das sogenannte Bürgergeld immer noch so erbärmlich niedrig ist, dass es „Hartz 5“ heißen müsste, wenn das nicht zu ehrlich wäre. Aber selbstverständlich ist solches Sozialgedöns die Sache der BILD nicht.
Stattdessen erfahren wir von einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die habe ergeben, eine Mehrheit der Beschäftigten in den Jobcentern lehne das Bürgergeld ab, weil die Arbeitslosen in Zukunft nicht mehr ganz so leicht sanktioniert werden können. Denn, so steht es zwischen den Zeilen, die Arbeitslosen seien nun einmal faul und benötigten den strafenden Tritt in den Hintern. Wie seltsam liest sich jedoch folgender Satz: „Zwischen Februar und Dezember 2023 waren es aber nur 15774 Fälle, in denen Leistungen wegen der Weigerung zur ‚Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses‘ gekürzt wurden – gerade einmal 0,4 Prozent.“ Gibt es also die militanten Sozialschmarotzer in Deutschland fast gar nicht, vor denen uns die Politiker von SPD bis AfD regelmäßig warnen? Das kann nicht sein. Nein, die niedrige Zahl der Strafen darf kein Beleg dafür sein, dass es kaum Übeltäter gibt – sie muss vielmehr zeigen, dass nur zu lasch bestraft wird. Sanktionen gegen Arbeitslose müssen sein, das sagt inzwischen sogar eine Frau Wagenknecht, die Sanktionen sonst entschieden ablehnt.
„Sogar bei Jobcenter-Mitarbeitern stößt die aktuelle Praxis auf heftigen Widerstand!“, verkündet uns die BILD. Selten wurde das Wort „sogar“ auf drolligere Weise verwendet. Soll es doch hier andeuten, die Mitarbeiter der Jobcenter empfänden besonderes Mitgefühl mit den ihnen anvertrauten Arbeitslosen, sodass ihrer Kritik doppeltes Gewicht beizumessen wäre. Die Arbeitslosen selbst wissen es besser. Sie misstrauen zumeist denen, die ihnen vom Amt zur Betreuung vorgesetzt werden. Denn üblicherweise gilt: Die Mitarbeiter des Arbeitsamts hassen die Arbeitslosen, weil die ihnen Arbeit machen. Dass die Arbeitslosen ihnen auch den Arbeitsplatz sichern, vergessen die Festangestellten im Arbeitsamt gern. Es handelt sich nicht selten um Nulpen, die selbst auf der Straße sitzen würden, wenn sie nicht ihr Pöstchen als amtliche Einpeitscher ergattert hätten. Es hat schon eine gewisse Komik: Ausgerechnet Leute, die sich fünf Tage die Woche in einem lauwarmen Büro den Arsch plattsitzen, fordern andere auf, sich durch Mut, Fleiß und Opferbereitschaft auf dem harten Markt einen Job zu erkämpfen, wie widerlich der auch sein möge. Diese Leute dürfen auch noch darüber richten, ob die Arbeitslosen den Befehlen unterwürfig genug gehorcht haben. Es gilt die Regel: Wer ein mieses Angebot rundweg ablehnt, wahrt nicht etwa seine Würde, sondern zeigt seine sündige Trägheit. Auf diese Macht möchten die Miniaturbonzen verständlicherweise nicht verzichten, sind die Sanktionen, mit denen sie andere geißeln dürfen, doch der größte Spaß ihrer sonst durchweg öden Existenz. Ich will nicht ausschließen, dass es vielleicht auch Menschen gibt, die ihren Job beim Jobcenter mit dem Wunsch antreten, Arbeitslosen wirklich zu helfen. Doch sie müssen erklären, warum sie nicht gegen das perfide System rebellieren, in dem sie sich dann wiederfinden. Wahrscheinlich gewöhnt man sich einfach zu schnell an die regelmäßigen Überweisungen vom Staat. Das Würgergeld ist auch noch deutlich höher als das Bürgergeld.
Unsere Gesellschaft beruht auf Arbeit. Und es gibt harte und unangenehme Arbeit, die dennoch erledigt werden muss. Es gäbe aber mehr als einen Weg, dafür zu sorgen, dass dies geschieht. Man könnte diejenigen, die bereit sind, diese schwere Arbeit zu tun, Kranke zu pflegen, Dächer zu decken oder den Müll abzuholen, wertschätzen und sie besonders gut bezahlen. So fänden sich Freiwillige. Zum Ausgleich könnte man anderen Leute, die für die Gesellschaft eher verzichtbar sind, PR-Beratern, Immobilienmaklern und Kolumnisten zum Beispiel, weniger Geld in den Rachen werfen. Das aber geschieht nicht. Stattdessen werden gerade die härtesten Jobs am schlechtesten bezahlt. Möglich ist das nur, weil viele Menschen das Pech haben, nicht über Kapital zu verfügen. Sie haben keine Wahl. Man kann sie zur Arbeit zwingen, indem man ihnen droht, sie sonst verhungern zu lassen. Mit der Angst vor diesem Schicksal lassen sich gleich auch noch diejenigen disziplinieren, die in einem Scheißjob gefangen sind und davon träumen, endlich zu kündigen.
Währenddessen leben in Deutschland 800000 fröhliche Leute, denen so viel Kapital in den Schoß gefallen ist, dass sie nicht arbeiten müssen. Sie leben von der Arbeit der anderen, wissen davon aber oft nichts, weil sie glauben, ihr Geld arbeite für sie. Auf die Idee, diese Leute zur Arbeit zu zwingen, kommt niemand, auch bei der BILD-Zeitung nicht. Allenfalls schickt die ab und zu einen Fotografen los, um die Reichen auf ihren Yachten in der sozialen Hängematte abzulichten. Manche Menschen, die nicht arbeiten müssen, wecken bei der arbeitenden Bevölkerung nicht Verachtung, sondern Bewunderung. Man muss sie nur richtig in die BILD setzen.