In vielen Ländern, besonders solchen mit krassen Gegensätzen zwischen Arm und Reich, leben immer mehr Menschen in „Gated Communities“. Diese Stadtviertel sind auf privatem Grund errichtet und nicht öffentlich zugänglich. In ihnen wohnen all jene, die reich genug sind, sich von der Armut und dem aus ihr entspringenden Verbrechen abzuschotten. Die strengen Grenzwächter winken an den Toren nur jene Armen durch, die als Putzfrau, Warenlieferant oder Kindermädchen den Reichen nützlich sind. Was sich außerhalb der Mauern abspielt, wo der Rest der Bevölkerung ums tägliche Überleben kämpft, muss die bestens geschützten Einwohner des Paradieses nicht mehr kümmern.
Zu einer so geschlossenen Gesellschaft wird auch die Welt des westlichen Wohlstands ausgebaut. Eine alternde, schrumpfende und verängstigte Bevölkerung sucht, sich vor der Armut und dem Chaos in den Staaten des Südens abzuschotten. Der Reichtum, den der Westen nicht zuletzt seiner Ausbeutung des Restes der Welt verdankt, soll unter keinen Umständen geteilt werden. Allenfalls Einwanderer, die ökonomisch nützlich sind, werden noch widerwillig akzeptiert. An den Grenzen wird nur deswegen noch nicht scharf geschossen, weil die Mordarbeit bislang ausreichend von der Wüste, dem Meer und den Schergen korrupter Drittweltdiktatoren geleistet wird. Für all jene, die doch irgendwie durchkommen, werden Internierungslager errichtet. Selbst für Kinder gibt’s passende Käfige.
Die Bestialisierung des Bürgertums, die für eine solche Politik notwendig ist, macht Fortschritte. Doch regt sich noch manches Gewissen, das beruhigt werden will. Dem dient das Geschwätz vom „Erhalt der Kultur“, wo es offenkundig um die Sicherung des Sparbuchs geht. Reiche Fremde haben überhaupt keine Probleme, sich eine europäische Staatsbürgerschaft zu kaufen, auch in Ungarn nicht. Ein gutes Trostpflaster für den Zweifelnden ist auch das Versprechen, man wolle den Armen „vor Ort helfen“. Tatsächlich werden die reichen Länder sich nur mehr einen Dreck um die armen scheren, sind die Grenzen erst einmal völlig dicht. Die Mehrheit der Wohlstandsbürger unserer Tage will es aber so. Angesichts der triumphierenden Häme der Sieger bin ich aber nur noch sicherer, auf der Seite der Verlierer richtig zu stehen.
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Dieser Text erschien zuerst als Kolumne der Rubrik Besorgte Bürger in der Sächsischen Zeitung.