„Wenn jetzt der Donald Trump wieder an der Macht ist, dann ist das doch für Sie als Satiriker eine gute Nachricht, oder?“ Auf diese Frage musste ich in jüngster Zeit mehrfach den Kopf schütteln. Auch satirische Schriftsteller genießen schlimme Zeiten nicht. Sie leiden vielleicht sogar noch mehr unter ihnen als andere Leute, sonst würden sie sich nicht die fast immer vergebliche Mühe machen, gegen das Übel anzuschreiben. Aber wahrscheinlich wollten die Fragesteller nur ihre Vermutung zum Ausdruck bringen, unsere Gegenwart mit ihren abscheulichen, aber dennoch erfolgreichen Gestalten liefere dem Satiriker wenigstens viel Material und erleichtere ihm so die Arbeit. Aber leider ist nicht einmal diese Vermutung zutreffend. Ich muss ganz im Gegenteil zugeben: Es ist immer schwierig, Satiren zu schrieben, aber noch nie war’s so schwierig wie heute.
Die gute Satire versucht, die Verlogenheit, Korruption oder Bosheit von mächtigen Menschen zu entlarven und sie öffentlich zu beschämen, um sie für ihre Untaten zu bestrafen. Die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Unternehmens schwinden. Donald Trump wurde hunderttausendfach der Lüge überführt, doch es kümmert ihn nicht, weil es seine Fans nicht kümmert. Eine Öffentlichkeit gibt es in den USA nicht mehr, sondern mindestens zwei, in denen unterschiedliche Begriffe der Wahrheit gelten. Ist die Welt im Kopf erst einmal in Freund und Feind geschieden, haben einfach immer die Eigenen recht und die Anderen unrecht. Und wie sollte man jemanden beschämen, der keine Scham kennt? Donald Trump verdankt seinen Erfolg ja nicht nur seinen Lügen, sondern auch der Ehrlichkeit, mit der er kein Geheimnis daraus macht, dass er von nichts anderem angetrieben wird als von rücksichtslosem Egoismus. Seine Fans lieben ihn gerade dafür – vielleicht nicht einmal, weil sie ebenso brutal sind, sondern weil sie gerne so wären. Die Satire operiert von einem moralischen Standpunkt aus und ihre Waffen werden stumpf im Kampf gegen einen Feind, der nicht nur keine Moral hat, sondern nicht einmal mehr Interesse daran, so zu tun, als hätte er eine. Karl Kraus hat seine heute berühmte Dritte Walpurgisnacht, in der ihm zu Hitler und den Nazis sehr viel eingefallen ist, zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht – nicht etwa aus Feigheit, sondern weil ihm bewusstwurde, dass Satire nichts ausrichten kann gegen einen Faschismus, der Wahrheit, Moral und Stil für nichts achtete und reine Gewalt an ihre Stelle setzte.
Donald Trump hat in den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit eigenmächtig ein Meer umbenannt, Dänemark mit der Eroberung Grönlands gedroht und sich als neuen König feiern lassen. Wie soll die Satire, die so gerne zum Mittel der Übertreibung greift, um Absurdität ins Licht zu rücken, mit einer Absurdität umgehen, die selbst schon ohne jede Scheu auftritt? Trump präsentierte sich als Stimme des kleinen Mannes und übergab dem reichsten Mann der Welt die Regierungsgeschäfte. Alle Versuche, darauf hinzuweisen, dass hier ein kleiner Widerspruch vorliegen könnte, verhallen bisher ohne Wirkung. Trumps Fans lieben ihn mehr denn je, auch in den Umfragen schneidet er nicht so schlecht ab, wie es jede Vernunft erwarten würde. Schaue ich mir derzeit die Versuche von Fernsehsatirikern an, Trump zu entlarven und zu verspotten, seien es US-amerikanische oder deutsche, dann überkommt mich oft ein großes Unbehagen. Vieles wirkt wie eine hilflose Witzelei, die Trump in keiner Weise gefährdet. Womöglich hilft uns all das sogar dabei, das unvermeidliche Grauen leichter zu verdauen und uns an das Unerhörte zu gewöhnen. Das liegt nicht an der Unfähigkeit der Spaßmacher, zumindest nicht immer, sondern daran, dass mit dem Faschismus nicht zu spaßen ist.
Die Faschisten selbst amüsieren sich und andere hingegen derzeit bestens. Viele der neuen Rechten zeichnen sich durch eine exzentrische Frisur aus, wie man sie früher eher von Entertainern gewohnt war: Geert Wilders in den Niederlanden, Javier Milei in Argentinien, Donald Trump in den USA. Die strengen Scheitel der rechten Diktatoren alter Schule sind aus der Mode gekommen. Die Haartracht ist ein Accessoire der neuen Selbstinszenierung: Die rechten Demagogen unserer Zeit verhalten sich gerne wie Spinner und Clowns. Für ihren Erfolg ist es dabei gar nicht wichtig, wie groß der Anteil echten Wahnsinns und der des Theaters ist. Ist es bedrohlich oder lustig, wenn Milei seine Kettensäge schwingt? Das kommt wohl darauf an, ob man damit rechnen muss, von ihm gekürzt zu werden. Zählt man nicht zu seinen Opfern, kann man sich vom Spektakel gut unterhalten fühlen.
Was bezwecken die rechten Spaßmacher mit ihren Verrücktheiten? Erstens dient ihnen ihr exzentrisches Verhalten dazu, sich von der Ödnis des gewöhnlichen politischen Betriebs abzuheben. Dankbar berichten die Medien über den Irrsinn, der immerhin unterhaltsam ist, und werben so für die Fun-Faschisten sogar unbezahlt. Zweitens setzen sich die Populisten von der Seriosität der regierenden Elite ab. Dieser herrschende Ernst ist auch gespielt, aber meist deutlich schlechter. Tatsächlich gehören die rechten Pseudorebellen selbst zur Elite, doch ihr halbstarkes Grölen und Randalieren macht sie in den Augen der Bevölkerung zu kecken Außenseitern. Drittens dienen die schlechten Witze der Rechten der Verharmlosung ihrer selbst: Sie können krasseste Sprüche klopfen und sich danach damit herausreden, es sei doch alles nicht gar so ernst gemeint gewesen. Weil ihr Hass stets unterhaltsam ist, genießen selbst Fans die Show, die ihn im Ernst gar nicht ganz teilen. Man wählt die Rechten, um den Laden mal ein bisschen aufzumischen – gar so bös wie angekündigt wird es schon nicht kommen, es ist doch wohl vor allem ein großer Spaß. Aber das Clownskostüm kann sehr schnell durch die Uniform ersetzt werden. Auch Mussolini und Hitler wirken nicht erst heute komisch, wenn wir alte Filmaufnahmen betrachten, sie waren es auch zu ihrer Zeit schon für alle, die nicht in ihrem Bann standen. Aber lachen konnte man über sie nur so lange, wie man dafür nicht hinter Gittern oder tot im Straßengraben landete.
Es gibt zwei sehr verschiedene Arten des Witzes. Der erste verbindet Menschen miteinander. Mit ihm spotten wir über die Widersprüche und Ungereimtheiten des Lebens, auch über die Schwächen der Menschen, doch schließen wir dabei uns selbst mit ein. Dieser Witz ist ein Gleichmacher, weil er alle trifft, auch jene Großen, die sich über ihn erhaben dünken. Die andere Art des Witzes ist Ausdruck der Verachtung. Hier dient der Witz dazu, die Angst, das Unglück und die Verletzlichkeit anderer zu verlachen, um uns über sie zu erheben. Das ist der Witz der Mächtigen. Wer die neurechten Demagogen beobachtet, wird immer wieder diesen hämischen, herabsetzenden Witz erkennen. Sie sind keine Narren, die Mächtige verspotten, sondern Horrorclowns, die Menschen auf der Straße mit einer laufenden Kettensäge erschrecken, um sich an ihrer Panik zu erfreuen. Ihr Extrem findet diese Lust in dem, was Klaus Theweleit „das Lachen der Täter“ genannt hat: der Spaß der Mörder am Leid ihrer Opfer.
Ich weiß nicht, ob es uns gelingen wird, den Faschisten den Spaß zu verderben, aber wir sollten es versuchen.