Liebe Freundinnen und Freunde!
Eigentlich sind Geburtstage fröhliche Anlässe zum Feiern. Das ist heute ein wenig anders, denn das Geburtstagskind namens PEGIDA ist ziemlich unangenehm, obwohl es erst vier Jahre alt ist. Das mag am Vater des Kindes liegen, dem Kleinstadtbanditen Lutz Bachmann. PEGIDA ist zweifellos ein ganz besonderes Kind. Zum einen sieht es mit seinen vier Jahren schon ziemlich alt aus. Zum anderen ist es wohl das erste Kind, zu dessen Vaterschaft sich Lutz Bachmann ohne einen Gerichtsbeschluss bekannt hat. Das mag daran liegen, dass dieses Kind seinem Vater keine Alimente kostet, sondern ihm sogar Geld eingebracht hat. Immerhin so viel, dass es für einen Domizil auf Teneriffa gereicht hat. Man sieht: Politisches Engagement kann sich durchaus lohnen, zumindest dann, wenn man gerissen genug ist, gutgläubigen Menschen dabei Geld aus der Tasche zu ziehen. Inzwischen hat die AfD das Kindlein PEGIDA adoptiert, um sich einen Teil des Profits zu sichern. Man muss die Partei fast bedauern, denn um ihr Ziel zu erreichen, war sie zu einem wirklich widerwärtigen Schritt gezwungen: die Ehe mit Lutz Bachmann einzugehen.
Aber PEGIDA ist mehr als die politische Variante des Enkeltricks. Es ist auch eine fremdenfeindliche und nationalistische Bewegung, die das Zusammenleben in Dresden stört, die das öffentliche Gespräch vergiftet, die zu Hass und Gewalt ermuntert. Es gibt allerdings Leute, die behaupten genau das Gegenteil: Wer gegen PEGIDA und die AfD auf die Straße gehe, der spalte die Gesellschaft. Der Protest sei doch ganz hysterisch, schließlich gebe es bei den neuen Rechten zwar auch zwei bis drei Rechtsradikale, aber ansonsten handele es sich um demokratische Patrioten, vor denen sich niemand fürchten müsse. Wenn man sich anschaut, wer solche Thesen vertritt, dann merkt man: Es handelt sich meistens um weiße, christliche, wohlhabende Männer, im günstigsten Fall sind sie sogar Professoren der Politikwissenschaft. Es sind Leute, die noch nie den Mumm hatten, sich öffentlich mit der AfD anzulegen. Zu denen kann ich nur sagen: Ich glaub euch schon, dass ihr keine Angst habt! Ihr habt ja auch wirklich nichts zu befürchten! Aber es gibt Menschen, die nicht so vorsichtig waren wir ihr. Es gibt Menschen, die durchaus etwas zu befürchten haben, wenn die AfD in Sachsen und anderswo demnächst regieren sollte, nämlich all jene, die eine Herkunft, eine Religion, eine Sexualität oder eine Gesinnung haben, die der AfD nicht passt. Diese Menschen würden in Zukunft wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Deswegen sollten alle Demokraten gemeinsam dafür sorgen, dass der AfD nirgendwo politische Macht übertragen wird.
In vielen Zeitungen wird neuerdings, wenn irgendwo Proteste gegen Neonazi-Aufmärsche stattfinden, davon geschrieben, Rechte und Linke seien aufeinandergetroffen. Wir sollten uns auf diese Verzerrung der Wahrheit nicht einlassen: Faschisten sind keine gewöhnlichen Rechten und man muss nicht links sein, um gegen sie auf die Straße zu gehen. Es gibt linke Antifaschisten, es gibt liberale Antifaschisten und es gibt auch konservative Antifaschisten. Winston Churchill zum Beispiel war so einer und sogar ein recht erfolgreicher. In unseren Tagen allerdings kann man sich schon wünschen, mehr Konservative würden sich klar gegen Rassisten und Nationalisten aussprechen. Ich finde es richtig und lobenswert, dass der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hat. Bloß leider hat er eine Reihe von Parteifreunden, die sich diese Möglichkeit zum Machterhalt offenlassen. Und diese Männer erzählen uns, der Respekt vor dem Wähler gebiete es, keine Koalition vor der Wahl auszuschließen. Kann man die Wahrheit noch dreister verdrehen? Der Respekt vor dem Wähler gebietet es, vor der Wahl offen und klar zu sagen, was man nach der Wahl tun will. Weiterhin sagen uns diese Leute, es sei undemokratisch, eine Partei, die von so vielen Menschen gewählt werde, von der Regierung auszuschließen. Aber ist es nicht seltsam: Die Linkspartei wird in Sachsen schon seit Jahrzehnten von ebenso vielen Menschen gewählt, aber ich habe noch nie einen sächsischen CDU-Politiker vernommen, der daraus die Folgerung abgeleitet hätte, es sei nun an der Zeit, mit ihr gemeinsam zu regieren. Im Gegenteil: Als der Wahlgewinner Bodo Ramelow in Thüringen völlig demokratisch zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, da demonstrierte die CDU in Erfurt gemeinsam mit Rechtsradikalen gegen die neue Regierung. Ich habe letztens vernommen, die CDU in Sachsen wolle jetzt den Bürgern öfter zuhören. Vielleicht hört sie mir zu, wenn ich sage: Hört auf, mit den Nationalisten zu liebäugeln, ihr schadet dadurch nicht nur Sachsen, sondern auch euch selbst.
Es wird zur Zeit viel darüber gesprochen, warum der Kampf gegen die AfD nicht erfolgreicher ist. Die einen meinen, der Kampf werde noch nicht energisch genug geführt. Die anderen sagen, der Kampf werde zu energisch geführt, man treibe auf diese Weise den Rechten nur neue Wähler zu. Ich glaube, es geht nicht darum, mehr Härte oder mehr Nachgiebigkeit zu zeigen. Es geht darum, in der Auseinandersetzung klüger zu sein. Wir sollten aufhören, auf die AfD wie ein Kaninchen auf die Schlage zu starren und uns mit nichts anderem mehr zu beschäftigen. Die demokratischen Parteien sollten auch aufhören, einander bei jeder Gelegenheit gegenseitig für den Erfolg der AfD verantwortlich zu machen – die einzigen, die davon profitieren, sind die Gartenzwerge von der AfD, die sich plötzlich wie Riesen vorkommen. Wir sollten aber auch Probleme, die es wirklich gibt, nicht beschweigen. Dazu gehört es, Rassismus, Frauenverachtung, Hass gegen Muslime und Homophobie auch dann nicht zu tolerieren, wenn sie von Zuwanderern ausgehen. Und schließlich glaube ich, dass der Kampf gegen rechts erfolglos bleibt, wenn er nur ein Kampf gegen etwas, nicht aber auch ein Kampf für etwas ist. Und es gibt wahrlich genug, für das es sich zu kämpfen lohnt, nicht ängstlich, sondern selbstbewusst: eine bessere Bildung, bezahlbare Mieten und gerechte Löhne für alle Menschen, die in Sachsen wohnen – sogar für die Leute, die sich heute auf die falsche Seite verirrt haben.
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Diese Rede wurde am 21. Oktober 2018 in Dresden gehalten bei der Abschlusskundgebung der Demonstrationen für Solidarität und gegen Rassismus anlässlich des vierten Jubiläums der PEGIDA-Bewegung.