Noch etwas zum Streit bei konkret

Aus kosmischer Sicht ist es ziemlich gleichgültig, wer für eine linke Zeitschrift schreibt und wer nicht. Schon drei Meter außerhalb der linken Blase interessiert sich für die ganze Affäre rund um konkret kein Mensch mehr. Aber mich beschäftigt und betrübt die Sache dann doch, denn es ist bitter, zu sehen, wie sich da Autorinnen und Autoren zerfleischen, die man in unterschiedlicher Weise alle schätzt. Es wird teilweise auf einem Niveau gepöbelt, das Fremdscham auslöst. Wie kommt es, dass Linke nicht miteinander streiten können, ohne in Verachtung zu verfallen und sich die Vernichtung des Gegners zu wünschen? Die Spezis bei der CSU bleiben noch mit den größten Versagern in ihren Reihen solidarisch, unter Linken reicht manchmal schon ein falsches Wort, um für immer geächtet zu werden. Ein Grund ist sicher, dass unter dem Banner mit der Aufschrift „links“ sehr unterschiedliche Leute nebeneinander laufen. Was hat eine Frau, die von der herrschaftsfreien Weltgesellschaft träumt, mit einem Mann gemein, der gerne in einem System wie der Volksrepublik China leben möchte? Ehrlich müsste man sagen: gar nichts. Statt das einzusehen, streitet man sich darüber, wer denn nun „wahrhaft links“ sei. Aber es zoffen sich auch Leute, die sachlich voneinander in Wirklichkeit gar nicht so weit entfernt sind. Das kann sich allerdings nicht herausstellen, denn der Gegner wird einer argumentativen Auseinandersetzung für unwürdig erklärt. So wirft man dem Feind lieber polemische Verzerrungen und böswillige Unterstellungen vor, während man selbst polemisch verzerrt und böswillig unterstellt. Wechselseitig werfen die Fraktionen einander vor, sich bei den Herrschenden anbiedern und die linke Sache verraten zu wollen. Ich glaube, hier spielt die soziale Lage der meisten linken Autorinnen und Autoren eine fatale Rolle. Die prekäre Existenz frustriert und nährt das Ressentiment. Der Mangel an materiellem Ertrag wird kompensiert durch moralische Aufladung. Während Rechte im politischen Kampf zumeist einfach unverhohlen ihre Interessen verfolgen, investieren Linke immer ihre ganze Persönlichkeit. So schießt schon bei kleinsten Auseinandersetzungen eine unangemessene Aggression über. In der existenziellen Situation des Krieges kann es dann erst recht nur noch Freund und Feind geben. – Ich will hier aber auch kein versöhnlerisches Eiapopeia anstimmen, meine Meinung ist außerdem ohnehin belanglos. Ich denke, dass die Kritiker der außenpolitischen konkret-Linie im Wesentlichen recht haben. Nur auf den polemischen Vorwurf der „Nähe“ zu AfD, junge Welt etc. hätten sie verzichten sollen. Objektiv wird von vielen in der konkret zwar wirklich das Gleiche gefordert wie von der AfD: keine Unterstützung für die Ukraine, insbesondere keine militärische; keine Sanktionen gegen Russland, sondern schnellstmöglicher Frieden, zur Not auch auf Kosten der Souveränität und Integrität der Ukraine. Aber es ist nicht ganz fair davon abzusehen, dass die meisten Autoren der konkret in dieser Haltung von ganz anderen Motiven angetrieben werden als die Rechten. – Aber es ist jetzt ohnehin nichts mehr zu kitten. Laute Entzweiungen gab’s ja in der Linken auch schon bei früheren Kriegen. Vielleicht sieht die Sache dann schon wieder anders aus, wenn es endlich Frieden gibt, worauf ich vor allem hoffe.

3

Kommentare
  1. David

    Ich denke, der Vergleich mit der jW ist nur recht und billig, schließlich gibt es bei den Autoren hier zunehmend Überschneidungen, natürlich allen voran Kronauer.
    Ich denke, auch der Vergleich mit AfD ist völlig im Rahmen, denn tatsächlich ähneln sich hier auch die Argumente frappierend (NATO ist der wahre Aggressor, Russland ist notwendig als stabilisierender Gegenpol zu den USA, Russland ist wichtig für Deutschlands Wirtschaft und am Ende leiden an Sanktionen doch nur die „kleinen Leute“ die das Gas nicht mehr zahlen können, usw. usf.). Deshalb zieht auch der Vergleich mit Harz4-Kritik in der Konkret „Richtigstellung“ meines Erachtens nicht. Ganz ähnlich übrigens auch beim Thema China, wo ja das große Y in der aktuellen Ausgabe erstmal wieder erklären durfte, dass das mit den Uiguren alles halb so wild ist und es ohnehin ja auch die richtigen trifft. Ich sehe in dem Artikel wenig, was nicht auch jeder AfDler ohne weiteres unterschreiben würde.

    Die einzige Unterscheidung ist die Unterstützung Putins gegen den „dekadenten Westen“, wobei man allerdings auch konstatieren muss, dass LGBQT* in Konkret – wenn überhaupt – nur am Rand vorkommt, und schaut man sich die Liste der verbleibenden Autoren an, wird das sicherlich nicht besser werden. Ich will nicht unterstellen, dass die Redaktion hier Putin insgeheim unterstützt, ich glaube aber durchaus, dass das Thema als nicht sonderlich wichtig angesehen wird. Der mittlerweile völlig in der Verschnarchung versunkene Kulturteil tut da noch sein übriges.

    Antworten
    • Michael Bittner

      Vergleiche sind immer recht und billig, nur müssen sie eben Gemeinsamkeiten UND Unterschiede herausstellen. Mir ging es eher um überzogene Gleichsetzungen. Eine Formulierung wie „Nähe“ zur AfD etc. ist zu schwammig, um zu erkennen, was eigentlich gemeint ist. Ich stimme zu, dass es einige höchst unerfreuliche Gemeinsamkeiten in der Argumentation von konkret und AfD gibt, Sie haben die richtig aufgezählt. Aber ich kenne niemanden bei der konkret, der den Angriffskrieg guthieße oder unterstützte. (Was in den Köpfen vorgeht, kann ich nicht sagen.) Dass die Fraktion, die Russland und China ziemlich unkritisch gegenübersteht, jetzt ganz dominieren wird, steht leider wirklich zu befürchten.

      Antworten
  2. Thomas Schweighäuser

    Wenn die letzten Wochen und Monate etwas bewiesen haben, dann, dass ein Ende des Krieges allein schon deswegen zu wünschen wäre, damit nicht noch mehr „jungle World“-Autoren fantasieren, die Russen seien zum „Tätervolk“ geworden, oder Menschen, die von sich behaupten, sie seien Konkret-Leser seit 1987, nationalistische Filmchen des ukrainischen Militärs veröffentlichen, die sie auf Twitterkanäle gefunden haben, in denen Russen als „Orks“ bezeichnet werden.
    Und, vor allem, damit dieses elende Blutvergießen vorbei ist.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert