Termine der Woche

Am Donnerstag (20. März) gibt es eine neue Ausgabe unserer Lesebühne Prunk & Prosa im Varieté Salon der UFA-Fabrik. Mit dabei sind die Stammautoren Tilman Birr, Noah Klaus, Christian Ritter, Piet Weber und ich sowie als besondere Gästin die Kabarettistin Mia Pittroff. Wie immer gibt es nicht nur neue Geschichten, sondern auch Musik und allerlei andere Späße. Start um 20 Uhr. Tickets könnt ihr gern auch schon im Vorverkauf erwerben.

Am Sonntag (23. März) bin ich endlich einmal wieder als Gastautor bei der Lesebühne Schwabinger Schaumschläger in München. Mit dabei im gemütlichen Vereinsheim sind auch die Stammkräfte Moses Wolff, Anne Meinhardt und Christoph Theussl sowie Mandana und Silke Franz. Los geht es um 19:30 Uhr.

Termine der Woche

Am Dienstag (11. März) feiere ich die Premiere meines neuen Buches Deutsche im Wind mit einer ganz besonderen Lesung in Berlin. Es gibt nicht nur einige Geschichten aus dem neuen Band zu hören, sondern auch Musik vom sehr guten Songwriter Doc Schoko. Ort des Geschehens ist die gemütliche Kulturwirtschaft Baiz. Achtung: Start schon um 19 Uhr! Der Eintritt kostet zwischen 5 und 10 Euro.

Am Donnerstag (13. März) folgt dann gleich die nächste Buchvorstellung von Deutsche im Wind, diesmal in Chemnitz. Auch in der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 ist Doc Schoko mit seiner Musik dabei, wenn ich ab 20 Uhr im Kulturhaus Arthur lese. Der Eintritt kostet 8 Euro ermäßigt, 12 normal.

Faschisten machen Spaß. Beitrag zur Gedenkveranstaltung „Lasst uns das Erinnern nicht vergessen“ der Friedrich-Ebert-Stiftung Sachsen am 2. März 2025

„Wenn jetzt der Donald Trump wieder an der Macht ist, dann ist das doch für Sie als Satiriker eine gute Nachricht, oder?“ Auf diese Frage musste ich in jüngster Zeit mehrfach den Kopf schütteln. Auch satirische Schriftsteller genießen schlimme Zeiten nicht. Sie leiden vielleicht sogar noch mehr unter ihnen als andere Leute, sonst würden sie sich nicht die fast immer vergebliche Mühe machen, gegen das Übel anzuschreiben. Aber wahrscheinlich wollten die Fragesteller nur ihre Vermutung zum Ausdruck bringen, unsere Gegenwart mit ihren abscheulichen, aber dennoch erfolgreichen Gestalten liefere dem Satiriker wenigstens viel Material und erleichtere ihm so die Arbeit. Aber leider ist nicht einmal diese Vermutung zutreffend. Ich muss ganz im Gegenteil zugeben: Es ist immer schwierig, Satiren zu schrieben, aber noch nie war’s so schwierig wie heute.

Die gute Satire versucht, die Verlogenheit, Korruption oder Bosheit von mächtigen Menschen zu entlarven und sie öffentlich zu beschämen, um sie für ihre Untaten zu bestrafen. Die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Unternehmens schwinden. Donald Trump wurde hunderttausendfach der Lüge überführt, doch es kümmert ihn nicht, weil es seine Fans nicht kümmert. Eine Öffentlichkeit gibt es in den USA nicht mehr, sondern mindestens zwei, in denen unterschiedliche Begriffe der Wahrheit gelten. Ist die Welt im Kopf erst einmal in Freund und Feind geschieden, haben einfach immer die Eigenen recht und die Anderen unrecht. Und wie sollte man jemanden beschämen, der keine Scham kennt? Donald Trump verdankt seinen Erfolg ja nicht nur seinen Lügen, sondern auch der Ehrlichkeit, mit der er kein Geheimnis daraus macht, dass er von nichts anderem angetrieben wird als von rücksichtslosem Egoismus. Seine Fans lieben ihn gerade dafür – vielleicht nicht einmal, weil sie ebenso brutal sind, sondern weil sie gerne so wären. Die Satire operiert von einem moralischen Standpunkt aus und ihre Waffen werden stumpf im Kampf gegen einen Feind, der nicht nur keine Moral hat, sondern nicht einmal mehr Interesse daran, so zu tun, als hätte er eine. Karl Kraus hat seine heute berühmte Dritte Walpurgisnacht, in der ihm zu Hitler und den Nazis sehr viel eingefallen ist, zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht – nicht etwa aus Feigheit, sondern weil ihm bewusstwurde, dass Satire nichts ausrichten kann gegen einen Faschismus, der Wahrheit, Moral und Stil für nichts achtete und reine Gewalt an ihre Stelle setzte.

Donald Trump hat in den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit eigenmächtig ein Meer umbenannt, Dänemark mit der Eroberung Grönlands gedroht und sich als neuen König feiern lassen. Wie soll die Satire, die so gerne zum Mittel der Übertreibung greift, um Absurdität ins Licht zu rücken, mit einer Absurdität umgehen, die selbst schon ohne jede Scheu auftritt? Trump präsentierte sich als Stimme des kleinen Mannes und übergab dem reichsten Mann der Welt die Regierungsgeschäfte. Alle Versuche, darauf hinzuweisen, dass hier ein kleiner Widerspruch vorliegen könnte, verhallen bisher ohne Wirkung. Trumps Fans lieben ihn mehr denn je, auch in den Umfragen schneidet er nicht so schlecht ab, wie es jede Vernunft erwarten würde. Schaue ich mir derzeit die Versuche von Fernsehsatirikern an, Trump zu entlarven und zu verspotten, seien es US-amerikanische oder deutsche, dann überkommt mich oft ein großes Unbehagen. Vieles wirkt wie eine hilflose Witzelei, die Trump in keiner Weise gefährdet. Womöglich hilft uns all das sogar dabei, das unvermeidliche Grauen leichter zu verdauen und uns an das Unerhörte zu gewöhnen. Das liegt nicht an der Unfähigkeit der Spaßmacher, zumindest nicht immer, sondern daran, dass mit dem Faschismus nicht zu spaßen ist.

Die Faschisten selbst amüsieren sich und andere hingegen derzeit bestens. Viele der neuen Rechten zeichnen sich durch eine exzentrische Frisur aus, wie man sie früher eher von Entertainern gewohnt war: Geert Wilders in den Niederlanden, Javier Milei in Argentinien, Donald Trump in den USA. Die strengen Scheitel der rechten Diktatoren alter Schule sind aus der Mode gekommen. Die Haartracht ist ein Accessoire der neuen Selbstinszenierung: Die rechten Demagogen unserer Zeit verhalten sich gerne wie Spinner und Clowns. Für ihren Erfolg ist es dabei gar nicht wichtig, wie groß der Anteil echten Wahnsinns und der des Theaters ist. Ist es bedrohlich oder lustig, wenn Milei seine Kettensäge schwingt? Das kommt wohl darauf an, ob man damit rechnen muss, von ihm gekürzt zu werden. Zählt man nicht zu seinen Opfern, kann man sich vom Spektakel gut unterhalten fühlen.

Was bezwecken die rechten Spaßmacher mit ihren Verrücktheiten? Erstens dient ihnen ihr exzentrisches Verhalten dazu, sich von der Ödnis des gewöhnlichen politischen Betriebs abzuheben. Dankbar berichten die Medien über den Irrsinn, der immerhin unterhaltsam ist, und werben so für die Fun-Faschisten sogar unbezahlt. Zweitens setzen sich die Populisten von der Seriosität der regierenden Elite ab. Dieser herrschende Ernst ist auch gespielt, aber meist deutlich schlechter. Tatsächlich gehören die rechten Pseudorebellen selbst zur Elite, doch ihr halbstarkes Grölen und Randalieren macht sie in den Augen der Bevölkerung zu kecken Außenseitern. Drittens dienen die schlechten Witze der Rechten der Verharmlosung ihrer selbst: Sie können krasseste Sprüche klopfen und sich danach damit herausreden, es sei doch alles nicht gar so ernst gemeint gewesen. Weil ihr Hass stets unterhaltsam ist, genießen selbst Fans die Show, die ihn im Ernst gar nicht ganz teilen. Man wählt die Rechten, um den Laden mal ein bisschen aufzumischen – gar so bös wie angekündigt wird es schon nicht kommen, es ist doch wohl vor allem ein großer Spaß. Aber das Clownskostüm kann sehr schnell durch die Uniform ersetzt werden. Auch Mussolini und Hitler wirken nicht erst heute komisch, wenn wir alte Filmaufnahmen betrachten, sie waren es auch zu ihrer Zeit schon für alle, die nicht in ihrem Bann standen. Aber lachen konnte man über sie nur so lange, wie man dafür nicht hinter Gittern oder tot im Straßengraben landete.

Es gibt zwei sehr verschiedene Arten des Witzes. Der erste verbindet Menschen miteinander. Mit ihm spotten wir über die Widersprüche und Ungereimtheiten des Lebens, auch über die Schwächen der Menschen, doch schließen wir dabei uns selbst mit ein. Dieser Witz ist ein Gleichmacher, weil er alle trifft, auch jene Großen, die sich über ihn erhaben dünken. Die andere Art des Witzes ist Ausdruck der Verachtung. Hier dient der Witz dazu, die Angst, das Unglück und die Verletzlichkeit anderer zu verlachen, um uns über sie zu erheben. Das ist der Witz der Mächtigen. Wer die neurechten Demagogen beobachtet, wird immer wieder diesen hämischen, herabsetzenden Witz erkennen. Sie sind keine Narren, die Mächtige verspotten, sondern Horrorclowns, die Menschen auf der Straße mit einer laufenden Kettensäge erschrecken, um sich an ihrer Panik zu erfreuen. Ihr Extrem findet diese Lust in dem, was Klaus Theweleit „das Lachen der Täter“ genannt hat: der Spaß der Mörder am Leid ihrer Opfer.

Ich weiß nicht, ob es uns gelingen wird, den Faschisten den Spaß zu verderben, aber wir sollten es versuchen.

Mein neues Buch: „Deutsche im Wind“

Es ist soweit! Mein neues Buch Deutsche im Wind kommt in dieser Woche in den Handel und ihr könnt es bald überall bestellen, wo es Bücher gibt. Ich danke all den Leserinnen und Lesern, aber auch den Kolleginnen und Kollegen, die mich ermutigt haben, doch endlich mal wieder ein Buch herauszubringen. Volker Surmann vom Satyr Verlag danke ich dafür, dass er Lust und Vertrauen hatte, es mit mir zu machen. Der Band versammelt eine ziemlich strenge Auswahl der schönsten Geschichten, Satiren und Esays aus den vergangenen Jahren. Ich bin ein wenig voreingenommen, glaube aber, dass es recht gut geworden ist. Wie immer bei mir mischt sich Persönliches und Politisches bunt und machmal sonderbar. Es geht um so unterschiedliche Dinge wie den Funktionswandel der Jogginghose, die Phänomenologie des Schnarchens und die existenzielle Bedeutung des Stammtischs. Die Literatur der kleinen Formen hat es schwer im Buchhandel, aber ich liebe sie nun mal. Wenn ihr schon immer einmal mein segensreiches Schaffen unterstützen wolltet, habt ihr jetzt eine gute Gelegenheit dazu.

Buchpremieren gibt es natürlich auch: am 11. März um 19 Uhr in Berlin in der Baiz, am 13. März um 20 Uhr in Chemnitz im Kulturhaus Arthur, am 8. Mai um 20 Uhr im Blechschloss der Scheune in Dresden und später sicher auch noch anderswo.

Termine der Woche

Am Dienstag (18. Februar) stelle ich gemeinsam mit Lea Streisand, Heiko Werning und Volker Surmann unsere Anthologie Sind Antisemitisten anwesend? Satiren, Geschichten und Cartoons gegen Judenhass in Neuruppin vor. Los geht es um 19 Uhr in der Fontane-Buchhandlung.

Am Mittwoch (19. Februar) gibt es eine neue Ausgabe meiner Lesebühne Sax Royal in Dresden in der GrooveStation. Mit dabei sind die Stammkräfte Roman Israel, Max Rademann und Gesine Schäfer sowie als Stargast Uli Hannemann aus Berlin. Los geht es um 19:30 Uhr. Karten gibt es an der Abendkasse oder auch schon im Vorverkauf.

Am Donnerstag (20. Februar) gibt es eine neue Show meiner Berliner Lesebühne Prunk & Prosa im Varieté Salon der UFA-Fabrik. Mit dabei sind die Stammautoren Tilman Birr, Noah Klaus, Christian Ritter, Piet Weber und ich sowie als besondere Gästin die Autorin Daniela Böhle. Wie immer gibt es nicht nur neue Geschichten, sondern auch Musik und allerlei andere Späße. Start um 20 Uhr. Tickets könnt ihr gern auch schon im Vorverkauf erwerben.

Am Sonnabend (22. Februar) lese ich gemeinsam mit meinem Kollegen Udo Tiffert in Dessau. Bei der Lesung im Schwabehaus stelle ich ab 20 Uhr auch mein neues Buch Deutsche im Wind vor.

Die Linke vor der Wahl

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar geht es wahrscheinlich um die Existenz der Linken als relevante politische Partei. Sollte sie den Einzug in den Bundestag trotz aller Widrigkeiten schaffen, bieten sich ihr als Opposition gegen Trump und Merz gute Chancen. Sollte sie am Wiedereinzug scheitern, wird es äußerst schwierig, Die Linke zusammen und am Leben zu halten. Ohne Repräsentanz im Parlament ginge nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien verloren, Die Linke müsste auch mit viel weniger Geld auskommen. Wer glaubt, Die Linke würde als außerparlamentarische Bewegung erst recht aufblühen, macht sich wohl etwas vor: Außerparlamentarische Bewegungen sind erfolgreich, wenn sie sich konsequent einem Thema widmen – es gibt keinen vernünftigen Grund, sich ohne den Mehrwert parlamentarischer Macht in einer Partei zu engagieren, wo man immer auch Forderungen mittragen muss, die man nicht teilt oder nicht für vordringlich erachtet.

Den tiefsten Punkt des Jammertals hat Die Linke hinter sich gelassen, es geht erkennbar wieder aufwärts. In der Partei herrscht eine ungewohnt gute Stimmung, sehr viele junge Menschen sind beigetreten und engagieren sich mit einem Enthusiasmus im Wahlkampf, der manche ältere Genossen geradezu überfordert. Viele Medien schreiben inzwischen deutlich freundlicher über Die Linke, die Umfrageergebnisse haben sich in den vergangenen Wochen verbessert. Ines Schwerdtner und Jan van Aken, die neuen Personen an der Parteispitze, verkörpern einen Beginn und machen – so wie auch Co-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek – bei vielen Menschen einen guten Eindruck. Die entscheidende Frage ist: Kommt der Wiederaufschwung noch rechtzeitig, um Die Linke in den Bundestag zu tragen?

Der Bruch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht ist nach jahrelangem, quälendem Streit für die Öffentlichkeit erkennbar endgültig vollzogen, auch wenn es gewiss noch Jahre dauern wird, bis der Verlust an Vertrauen ganz wettgemacht ist. Das BSW hat sich nicht nur politisch eher konservativ ausgerichtet, es attackiert auch gezielt Die Linke, zum Beispiel durch selektive Direktkandidaturen in entscheidenden Wahlkreisen wie dem von Sören Pellmann in Leipzig. Auch jene Genossinnen und Genossen, die Sahra Wagenknecht in der einen oder anderen Frage nahestanden, dürften begriffen haben, dass beim BSW keine linke Politik gemacht wird und dass es Wagenknecht um die Zerstörung der Linken geht. Für beide Parteien zugleich ist insbesondere im Osten tatsächlich auf Dauer nicht genug Wählerpotenzial vorhanden – es kann nur eine geben. Wer jetzt immer noch öffentlich den Bruch bedauert und von einer Wiedervereinigung träumt, sabotiert den Neubeginn der Linken.

Am BSW ist auch nichts mehr verlockend, es geht erkennbar schon wieder abwärts. Wagenknecht hat zwei strategische Fehler begangen: Zum einen hat sie sich mit ihrer Ludwig-Erhard-Nostalgie wirtschaftspolitisch so weit in die Mitte begeben, dass sie sich auf diesem Feld kaum mehr von CDU und SPD unterscheidet, geschweige denn einen ökonomischen Populismus betreiben kann wie etwa Jean-Luc Mélenchon in Frankreich. Zum zweiten hätte sie die Regierungsbeteiligung des BSW in Brandenburg und Thüringen verhindern müssen – nun sieht das BSW, als Protestpartei noch nicht einmal richtig gegründet, schon aus wie eine gewöhnliche Partei, die faule Kompromisse eingeht und langweilige Koalitionsverträge unterschreibt. Den Ton verschärfen kann Wagenknecht nur noch in der Migrationspolitik. Doch dort ist es unmöglich, noch schriller zu klingen als die AfD.

Die Abspaltung des BSW hat der Linken im Osten nicht sehr viele Mitglieder, aber sehr viele Wählerinnen und Wähler gekostet. Andererseits hat der Bruch in einigen Bereichen auch zu einer inhaltlichen Klärung geführt. In diesen Bereichen gibt es bei der Linken nun nicht mehr die Zerstrittenheit und Beliebigkeit, die in den vergangenen Jahren viele Menschen verwirrt und abgeschreckt haben. Durch den Gegensatz zum BSW sind einige Dinge klarer geworden: Die Linke bleibt eine sozialistische Partei, die mehr will als eine bloß für Deutsche sozial ausgepolsterte Marktwirtschaft. Die Demokratisierung der Wirtschaft durch Vergesellschaftungen, insbesondere in den elementaren Bereichen der Daseinsfürsorge, bleibt ein Ziel der Linken. Die Linke wird  – auch im aktuellen Gegenwind – nicht auf einen migrationsfeindlichen Kurs einschwenken, sondern bleibt eine Partei, die das Recht auf Asyl verteidigt und Zuwanderung prinzipiell freundlich betrachtet. Die Linke bleibt eine ökosozialistische Partei, die Umwelt- und Klimaschutz nicht gegenwärtigen Stimmungen in der Bevölkerung oder kurzfristigen Wohlstandsversprechen opfert. Die Linke wird ihre sozialen Versprechen niemals exklusiv formulieren. Sie wird die Gleichstellung sexueller, kultureller oder anderer Minderheiten nicht zugunsten anderer Ziele fallen lassen. Die Linke steht der EU nicht fundamental feindlich gegenüber, sondern will sie demokratisch und sozial weiterentwickeln.

Zugleich ist allen halbwegs Besonnenen in der Linken klar, dass es immer noch genügend Fragen gibt, in denen keine Einigkeit herrscht und wo der Streit nur wegen des gemeinsamen Wahlkampfes aufgeschoben ist. Dies gilt besonders für die Außenpolitik. Zwar gibt es in den tagespolitischen Fragen Ukraine und Nahost halbwegs tragfähige Kompromisse, doch fehlt noch eine einmütige und überzeugende Antwort auf die größere Frage, wie Friedenspolitik in Zeiten stark veränderter globaler Machtverhältnisse aussehen muss. In der Migrationspolitik braucht Die Linke neben humanistischer Haltung auch konkrete Konzepte für erfolgreiche Integration. In der Sicherheitspolitik sind linke Antworten auf die Bedrohungsgefühle der Bevölkerung gefragt. Die notorischen Auseinandersetzungen in der Partei entstehen übrigens nicht, weil Linke von Natur aus streitsüchtig wären, sondern weil Die Linke eine Vielzahl von prinzipiell gleichrangigen Zielen verfolgt: soziale Gleichheit, persönliche Freiheit, Demokratie, ökologische Nachhaltigkeit, Wohlstand, Frieden, Völkerrecht und globale Gerechtigkeit.

Die Linke sollte, statt eine natürliche Harmonie vorzutäuschen, anerkennen, dass diese verschiedenen Ziele auch miteinander in Konflikt geraten können. In Programmdebatten müssen in absehbarer Zeit konkrete Pläne entwickelt werden, wie diese verschiedenen Ziele unter den veränderten Bedingungen der Gegenwart am besten verwirklicht werden können. Die Phrase, man dürfe das eine Ziel nicht gegen ein anderes „ausspielen“, löst allein die konkreten Konflikte ebenso wenig wie die Forderung, zur traditionellen „Klassenpolitik“ zurückzukehren. Debatten, in denen es nicht bloß um den Kampf zwischen Personen oder Strömungen geht, sondern um die Sache, müssen der Linken auch nicht schaden, sondern würden beweisen, dass sie eine intellektuell lebendige Partei ist.

Das Programm zur Bundestagswahl konnte die Ergebnisse dieser Debatten nicht vorwegnehmen. Es ist richtig, dass Die Linke sich in diesem Wahlkampf auf das Thema der sozialen Gerechtigkeit und die sozialen Alltagsprobleme der Leute konzentriert. In diesem Feld wird der Partei von der Bevölkerung noch die höchste Kompetenz und Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Auf den letzten Metern vor der Wahl kommt es jetzt vor allem darauf an, den Fokus nicht zu verlieren. Die aktuellen Proteste gegen die AfD sind demokratisch wichtig, aber sie sind nicht geeignet, der Linken als einzigartiger politischer Kraft Aufmerksamkeit zu verschaffen. Schon im vergangenen Jahr waren es vielfach Linke, die die riesigen Demonstrationen gegen den Rechtsruck mitorganisierten – bei den Wahlen schnitt Die Linke dennoch miserabel ab. Mehr Erfolg verspricht es, wenn Die Linke sich weiter als glaubwürdige und engagierte soziale Opposition zeigt – auch gegen SPD und Grüne, die sich dem konservativen Zeitgeist in vielen Fragen angepasst haben.

Termine der Woche

Am Mittwoch (29. Januar) feiere ich mit meiner Dresdner Lesebühne Sax Royal ab 20 Uhr unseren 20. Geburtstag! Zur Feier des Tages lesen nicht nur die Stammkräfte Roman Israel, Max Rademann und Gesine Schäfer mit mir, wir begrüßen auch die ehemaligen Mitglieder Julius Fischer und Stefan Seyfarth sowie Stargast André Herrmann! Es gibt neue Geschichten und einige Klassiker, Musik, verräterische Bilder, fragwürdige Späße und allerlei Überraschungen. Wir freuen uns auf euch! Besorgt euch Tickets bitte im Vorverkauf, denn die Plätze in der Schauburg werden knapp.

Am Freitag (31. Januar) gibt es eine neue Ausgabe vom Görlitzer Kantinenlesen. Ich moderiere und lese gemeinsam mit Ruth Herzberg und Mike Altmann, für Musik sorgt Tito Maffay. Start um 20 Uhr im Basta.

Jahresvorschau 2025

Januar

Die Menschheit blickt ohne Optimismus ins neue Jahr, nachdem sich die Prophezeiung, es könne ja eigentlich nicht mehr schlimmer kommen, schon in mehreren vergangenen Jahren nicht bewahrheitet hat. Und das Jahr 2025 beginnt denn auch gleich mit einem Schock: Wenige Tage nach seiner Amtseinführung als 47. Präsident der USA befiehlt Donald Trump seiner Armee den Einmarsch in Kanada. In einem Interview mit dem Fernsehsender Fox News erklärt Trump, die Invasion verfolge das Ziel, die illegale Migration zu stoppen, die unverschämt hohen Preise für Ahornsirup zu reduzieren und den USA endlich mehr Raum zu verschaffen. An vorderste Front geschickt würden Einheiten von freiwilligen Make-America-Great-Again-Patrioten. Der Sieg sei gewiss und werde in weniger als drei Tagen errungen sein.

Februar

Der Krieg in Nordamerika gibt dem bis dahin eher müden Bundestagswahlkampf in Deutschland eine neue Wendung. Der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, äußert, die Freundschaft zwischen der Bundesrepublik und den USA sei unverbrüchlich und werde auch von dieser militärischen Spezialoperation nicht berührt. Die kanadische Regierung solle den aussichtslosen Kampf möglichst schnell beenden, um unnötiges Blutvergießen und eine atomare Eskalation zu vermeiden. Die Kanzlerkandidatin des BSW, Sahra Wagenknecht, ruft die Kanadier hingegen dazu auf, die epochale Schlacht gegen den US-Imperialismus bis zum letzten Blutstropfen auszufechten. Aus ihrem Privatvermögen spendet Wagenknecht eine Million Euro für Waffenlieferungen nach Kanada. Am 23. Februar macht angesichts des enttäuschenden Angebots der Parteien die Mehrheit der Deutschen ihren Wahlzettel ungültig. Nur knapp verfehlt die AfD bei den restlichen Stimmen die absolute Mehrheit. Überraschenderweise landet auf Platz 2 die SPD mit einem beinahe zweistelligen Ergebnis. Olaf Scholz erklärt sich noch am Wahlabend zum Sieger und äußert in der traditionellen Elefantenrunde nüchtern, seine Politik der Besonnenheit sei von den Menschen klar bestätigt worden. Daraufhin stößt Friedrich Merz mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass er bis an den Leib hineinfährt, dann packt er in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und reißt sich selbst mitten entzwei. Während es eine Reihe von Kleinparteien sehr überraschend in den Bundestag schaffen, verfehlen sowohl Die Linke als auch BSW mit jeweils 4,9 Prozent den Wiedereinzug.

März

Die Krise beim Volkswagen-Konzern spitzt sich zu. Weiter stark einbrechende Absatzzahlen beim Automobilproduzenten stellen den gerade erst geschlossenen Tarifvertrag in Frage, erneut drohen Massenentlassungen und Werkschließungen. Der noch amtierende Wirtschaftsminister Robert Habeck reist zum VW-Werk in Zwickau, um die Gemüter zu beruhigen, wird von den sächsischen Arbeitern jedoch eher kühl empfangen. Die Stimmung verschlechtert sich noch, als Habeck seinen Plan vorstellt, die Fabrik auf die Produktion von geschlechterneutralen, solarenergetischen Lastenfahrrädern aus vollständig veganem Recyclingmaterial umzustellen. In letzter Sekunde kann Habeck von einem Hubschrauber der Bundeswehr vom Dach der Fabrik vor der aufgebrachten Menge gerettet und in Sicherheit gebracht werden.

April

Nach dem enttäuschenden Abschneiden des BSW bei der Bundestagswahl erklärt Sahra Wagenknecht ihren Austritt aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Zugleich gibt sie die Gründung einer neuen Partei mit dem Namen SWP (Sahra Wagenknecht Pur) bekannt, deren einzige Mitglieder sie und ihr Ehemann Oskar Lafontaine seien. Sie sei in Personalunion Vorsitzende, stellvertretende Vorsitzende, Geschäftsführerin, Schatzmeisterin, Chefstrategin, Pressesprecherin und Milchgeldkassiererin der neuen Partei. Das Grundsatzprogramm sei bereits verabschiedet und bestehe nur aus einem Satz: „Die Partei Sahra Wagenknecht Pur verwirklicht die politischen Ziele von Sahra Wagenknecht.“ Von Journalisten nach etwas genaueren Angaben zur künftigen ideologischen Ausrichtung befragt, erklärt Wagenknecht, es gehe ihr vor allem um ein Ende der egoistischen Selbstbezüglichkeit in der deutschen Gesellschaft.

Mai

Seit Monatsbeginn ist es in Deutschland allgemein für beide Partner einer Ehe erlaubt, Doppelnachnamen zu tragen. Die Journalistin Gesine Dornblüth und der Politikwissenschaftler Ingolfur Blühdorn verkünden öffentlich, nun sei endlich der Zeitpunkt gekommen, sich zu ihrer lange verheimlichten Liebe zu bekennen und zum Traualtar zu schreiten.

Juni

Noch nie dagewesene Tornados und flächendeckende Unwetter mit Hagelbällen in der Größe von Honigmelonen zerstören fast die gesamte Ernte in Deutschland. Daraufhin rufen der Deutsche Bauernverband sowie die alternativen Bauernvereinigungen „Land schafft Verbindung“, „Meine Scholle – meine Ehre“ und „Blut und Boden“ zu Massenprotesten auf. Tausende Traktoren blockieren die wichtigsten Autobahnen, die Parteizentrale der Grünen wird mit Gülle geflutet, mit Fackeln und Mistgabeln in den Händen stürmen Bauern den Bundestag. Auf Kritik an der Zielrichtung der Proteste reagiert Bauernpräsident Joachim Rukwied abweisend: Am schlechten Wetter sei keine vermeintliche Erderhitzung schuld, vielmehr könne man im Internet nachlesen, dass Annalena Baerbock die Luft verhext habe, um den deutschen Landwirten zu schaden. Die Proteste enden erst, als die Bundesregierung zusichert, in Zukunft Sonderprämien für die dicksten Kartoffeln zu zahlen.

Juli

Die US-amerikanische Invasion Kanadas verläuft deutlich langsamer und verlustreicher als von Präsident Donald Trump angekündigt. In der Sommerhitze bleibt sie endgültig im Grabenkampf stecken. Viele der Trump-Fans an der Front beschweren sich darüber, dass es in der kanadischen Wildnis weder W-LAN noch Filialen von Kentucky Fried Chicken gibt. Fahnenflucht ist an der Tagesordnung. Donald Trumps Chefberater Elon Musk verspricht, mit einer selbstentwickelten Wunderwaffe für den Endsieg der USA zu sorgen. Doch der von Künstlicher Intelligenz gesteuerte, atomar bestückte Teslacopter fliegt eigenmächtig in die Antarktis und setzt Musk bei minus 71 Grad am Südpol aus, wo das unternehmerische Genie innerhalb von dreieinhalb Sekunden erfriert. Forscher führen eine lebhafte Debatte darüber, ob diese Tat die Klugheit der Künstlichen Intelligenz widerlegt oder nicht vielmehr beweist.

August

Quälend lange Koalitionsverhandlungen in Berlin finden endlich ihren Abschluss. Der alte und neue Bundeskanzler Olaf Scholz stellt eine Minderheitsregierung aus SPD, CDU, CSU, Grünen, Freien Wählern, Tierschutzpartei, Partei für Verjüngungsforschung und FDP vor. Das neue Bündnis, so Scholz, sei ein großer Fortschritt für das Land, weil es Stabilität und Zusammenhalt garantiere. Der zweiseitige Koalitionsvertrag enthält keine konkreten Vorhaben, sondern nur eine Präambel, in der die zukünftigen Regierungsparteien mitteilen, das Gute sei gut, das Schlechte hingegen schlecht. Politische Analysten bezweifeln die Zukunftsfähigkeit der Minderheitsregierung, da sie für die meisten Vorhaben auf das Wohlwollen der AfD angewiesen sei. Doch Scholz beruhigt auch hier: Daran, dass nicht alle Partner bereit seien, energisch etwas gegen die Ausländer zu unternehmen, um der AfD zu gefallen, werde es nicht scheitern.

September

Es ist kein guter Monat für das Verkehrsland Bundesrepublik: Im Laufe weniger Tage stürzen die Köhlbrandbrücke, die Hochmoselbrücke, die Ruhrtalbrücke, die Ueckertalbrücke und die Brücke am Kwai unerwartet in sich zusammen. Zahlreiche Opfer sind zu beklagen, regional bricht der Verkehr völlig zusammen. Der neu ernannte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) muss sich der kritischen Frage erwehren, ob die konservative Politik der schwarzen Null nicht zu einem Investitionsstau bei der Infrastruktur in Deutschland geführt habe. Dobrindt streitet jede Mitschuld der CSU ab und erklärt, die unvorhergesehenen, selbsttätigen Brückenrückbauten seien vielmehr eine gute Gelegenheit, um offener über die Förderung von Flugtaxis zu diskutieren.

Oktober

Der Nobelpreis für Literatur geht überraschend an den Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer. In der Begründung der Jury heißt es, Meyer habe mit nüchtern-magischer Sprachkunst den Zerfall von Gewissheiten und Schicksalen nach dem Ende des real existierenden Sozialismus geschildert und außerdem seit Monaten den Jurymitgliedern immer wieder vor ihren Wohnungen aufgelauert und sie mit abgebrochenen Schnapsflaschen bedroht – die Auszeichnung sei damit unausweichlich geworden. In einer ersten Stellungnahme äußert Meyer in der Bierbar „Gleis 8“ im Leipziger Hauptbahnhof, der Dreckspreis sei schon lange überfällig und er habe das Geld im Grunde auch schon ausgegeben, für zwei neue Rennpferde, eine kommende Scheidung und die Taxifahrt nach Stockholm.

November

Für die Rekordsumme von 1,2 Milliarden US-Dollar wird das Kunstwerk „Invisible Spirit“ des chinesischen Erfolgskünstlers Ai Weiwei bei einer Versteigerung vom Auktionshaus Sotheby’s verkauft. Es handelt sich damit um das teuerste Kunstwerk aller Zeiten. Der Käufer bleibt anonym, doch munkeln Insider von einem finanzstarken Investor aus dem arabischen Raum. „Invisible Spirit“ besticht wie viele Kunstwerke Ai Weiweis durch seine Schlichtheit: Es handelt sich um einen Furz in einer Tüte. Kenner sprechen dennoch vom anspruchsvollsten Werk des Universalkünstlers, das in gewisser Weise die Bilanz seines gesamten Schaffens ziehe.

Dezember

In dem Bemühen, seine sinkenden Popularitätswerte zu verbessern, inszeniert Kriegspräsident Donald Trump einen Arbeitseinsatz in einer Filiale von McDonalds in Washington D.C. Als Trump vor laufenden Fernsehkameras einen selbst gebratenen Burger verzehrt, verschluckt er sich und verendet, da ihm niemand zu Hilfe eilt. Alle anwesenden Zuschauer glauben an eine Scherzeinlage des Präsidenten. Noch am selben Tag übernimmt Vizepräsident J.D. Vance die Amtsgeschäfte und verkündet einer verblüfften Weltöffentlichkeit, er sei insgeheim schon immer ein überzeugter Linker gewesen und habe sich nur ins Amt geschlichen, um nach dem Tod Trumps die Demokratie zu retten, den Klimawandel zu stoppen und den Weltfrieden wiederherzustellen. Die Menschheit blickt zu Silvester vorsichtig optimistisch ins neue Jahr.

Termine der Woche

Am Donnerstag (19. Dezember) gibt es die letzte Ausgabe meiner Berliner Lesebühne Prunk & Prosa im Varieté Salon der UFA-Fabrik in diesem Jahr. Mit dabei sind die Stammautoren Tilman Birr, Noah Klaus, Christian Ritter, Piet Weber und ich sowie als besondere Gästin die Kabarettistin Mia Pittroff. Wie immer gibt es nicht nur neue Geschichten, sondern auch Musik und allerlei andere Späße. Start um 20 Uhr. Tickets könnt ihr gern auch schon im Vorverkauf erwerben.