Januar
Die Menschheit blickt ohne Optimismus ins neue Jahr, nachdem sich die Prophezeiung, es könne ja eigentlich nicht mehr schlimmer kommen, schon in mehreren vergangenen Jahren nicht bewahrheitet hat. Und das Jahr 2025 beginnt denn auch gleich mit einem Schock: Wenige Tage nach seiner Amtseinführung als 47. Präsident der USA befiehlt Donald Trump seiner Armee den Einmarsch in Kanada. In einem Interview mit dem Fernsehsender Fox News erklärt Trump, die Invasion verfolge das Ziel, die illegale Migration zu stoppen, die unverschämt hohen Preise für Ahornsirup zu reduzieren und den USA endlich mehr Raum zu verschaffen. An vorderste Front geschickt würden Einheiten von freiwilligen Make-America-Great-Again-Patrioten. Der Sieg sei gewiss und werde in weniger als drei Tagen errungen sein.
Februar
Der Krieg in Nordamerika gibt dem bis dahin eher müden Bundestagswahlkampf in Deutschland eine neue Wendung. Der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, äußert, die Freundschaft zwischen der Bundesrepublik und den USA sei unverbrüchlich und werde auch von dieser militärischen Spezialoperation nicht berührt. Die kanadische Regierung solle den aussichtslosen Kampf möglichst schnell beenden, um unnötiges Blutvergießen und eine atomare Eskalation zu vermeiden. Die Kanzlerkandidatin des BSW, Sahra Wagenknecht, ruft die Kanadier hingegen dazu auf, die epochale Schlacht gegen den US-Imperialismus bis zum letzten Blutstropfen auszufechten. Aus ihrem Privatvermögen spendet Wagenknecht eine Million Euro für Waffenlieferungen nach Kanada. Am 23. Februar macht angesichts des enttäuschenden Angebots der Parteien die Mehrheit der Deutschen ihren Wahlzettel ungültig. Nur knapp verfehlt die AfD bei den restlichen Stimmen die absolute Mehrheit. Überraschenderweise landet auf Platz 2 die SPD mit einem beinahe zweistelligen Ergebnis. Olaf Scholz erklärt sich noch am Wahlabend zum Sieger und äußert in der traditionellen Elefantenrunde nüchtern, seine Politik der Besonnenheit sei von den Menschen klar bestätigt worden. Daraufhin stößt Friedrich Merz mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass er bis an den Leib hineinfährt, dann packt er in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und reißt sich selbst mitten entzwei. Während es eine Reihe von Kleinparteien sehr überraschend in den Bundestag schaffen, verfehlen sowohl Die Linke als auch BSW mit jeweils 4,9 Prozent den Wiedereinzug.
März
Die Krise beim Volkswagen-Konzern spitzt sich zu. Weiter stark einbrechende Absatzzahlen beim Automobilproduzenten stellen den gerade erst geschlossenen Tarifvertrag in Frage, erneut drohen Massenentlassungen und Werkschließungen. Der noch amtierende Wirtschaftsminister Robert Habeck reist zum VW-Werk in Zwickau, um die Gemüter zu beruhigen, wird von den sächsischen Arbeitern jedoch eher kühl empfangen. Die Stimmung verschlechtert sich noch, als Habeck seinen Plan vorstellt, die Fabrik auf die Produktion von geschlechterneutralen, solarenergetischen Lastenfahrrädern aus vollständig veganem Recyclingmaterial umzustellen. In letzter Sekunde kann Habeck von einem Hubschrauber der Bundeswehr vom Dach der Fabrik vor der aufgebrachten Menge gerettet und in Sicherheit gebracht werden.
April
Nach dem enttäuschenden Abschneiden des BSW bei der Bundestagswahl erklärt Sahra Wagenknecht ihren Austritt aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Zugleich gibt sie die Gründung einer neuen Partei mit dem Namen SWP (Sahra Wagenknecht Pur) bekannt, deren einzige Mitglieder sie und ihr Ehemann Oskar Lafontaine seien. Sie sei in Personalunion Vorsitzende, stellvertretende Vorsitzende, Geschäftsführerin, Schatzmeisterin, Chefstrategin, Pressesprecherin und Milchgeldkassiererin der neuen Partei. Das Grundsatzprogramm sei bereits verabschiedet und bestehe nur aus einem Satz: „Die Partei Sahra Wagenknecht Pur verwirklicht die politischen Ziele von Sahra Wagenknecht.“ Von Journalisten nach etwas genaueren Angaben zur künftigen ideologischen Ausrichtung befragt, erklärt Wagenknecht, es gehe ihr vor allem um ein Ende der egoistischen Selbstbezüglichkeit in der deutschen Gesellschaft.
Mai
Seit Monatsbeginn ist es in Deutschland allgemein für beide Partner einer Ehe erlaubt, Doppelnachnamen zu tragen. Die Journalistin Gesine Dornblüth und der Politikwissenschaftler Ingolfur Blühdorn verkünden öffentlich, nun sei endlich der Zeitpunkt gekommen, sich zu ihrer lange verheimlichten Liebe zu bekennen und zum Traualtar zu schreiten.
Juni
Noch nie dagewesene Tornados und flächendeckende Unwetter mit Hagelbällen in der Größe von Honigmelonen zerstören fast die gesamte Ernte in Deutschland. Daraufhin rufen der Deutsche Bauernverband sowie die alternativen Bauernvereinigungen „Land schafft Verbindung“, „Meine Scholle – meine Ehre“ und „Blut und Boden“ zu Massenprotesten auf. Tausende Traktoren blockieren die wichtigsten Autobahnen, die Parteizentrale der Grünen wird mit Gülle geflutet, mit Fackeln und Mistgabeln in den Händen stürmen Bauern den Bundestag. Auf Kritik an der Zielrichtung der Proteste reagiert Bauernpräsident Joachim Rukwied abweisend: Am schlechten Wetter sei keine vermeintliche Erderhitzung schuld, vielmehr könne man im Internet nachlesen, dass Annalena Baerbock die Luft verhext habe, um den deutschen Landwirten zu schaden. Die Proteste enden erst, als die Bundesregierung zusichert, in Zukunft Sonderprämien für die dicksten Kartoffeln zu zahlen.
Juli
Die US-amerikanische Invasion Kanadas verläuft deutlich langsamer und verlustreicher als von Präsident Donald Trump angekündigt. In der Sommerhitze bleibt sie endgültig im Grabenkampf stecken. Viele der Trump-Fans an der Front beschweren sich darüber, dass es in der kanadischen Wildnis weder W-LAN noch Filialen von Kentucky Fried Chicken gibt. Fahnenflucht ist an der Tagesordnung. Donald Trumps Chefberater Elon Musk verspricht, mit einer selbstentwickelten Wunderwaffe für den Endsieg der USA zu sorgen. Doch der von Künstlicher Intelligenz gesteuerte, atomar bestückte Teslacopter fliegt eigenmächtig in die Antarktis und setzt Musk bei minus 71 Grad am Südpol aus, wo das unternehmerische Genie innerhalb von dreieinhalb Sekunden erfriert. Forscher führen eine lebhafte Debatte darüber, ob diese Tat die Klugheit der Künstlichen Intelligenz widerlegt oder nicht vielmehr beweist.
August
Quälend lange Koalitionsverhandlungen in Berlin finden endlich ihren Abschluss. Der alte und neue Bundeskanzler Olaf Scholz stellt eine Minderheitsregierung aus SPD, CDU, CSU, Grünen, Freien Wählern, Tierschutzpartei, Partei für Verjüngungsforschung und FDP vor. Das neue Bündnis, so Scholz, sei ein großer Fortschritt für das Land, weil es Stabilität und Zusammenhalt garantiere. Der zweiseitige Koalitionsvertrag enthält keine konkreten Vorhaben, sondern nur eine Präambel, in der die zukünftigen Regierungsparteien mitteilen, das Gute sei gut, das Schlechte hingegen schlecht. Politische Analysten bezweifeln die Zukunftsfähigkeit der Minderheitsregierung, da sie für die meisten Vorhaben auf das Wohlwollen der AfD angewiesen sei. Doch Scholz beruhigt auch hier: Daran, dass nicht alle Partner bereit seien, energisch etwas gegen die Ausländer zu unternehmen, um der AfD zu gefallen, werde es nicht scheitern.
September
Es ist kein guter Monat für das Verkehrsland Bundesrepublik: Im Laufe weniger Tage stürzen die Köhlbrandbrücke, die Hochmoselbrücke, die Ruhrtalbrücke, die Ueckertalbrücke und die Brücke am Kwai unerwartet in sich zusammen. Zahlreiche Opfer sind zu beklagen, regional bricht der Verkehr völlig zusammen. Der neu ernannte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) muss sich der kritischen Frage erwehren, ob die konservative Politik der schwarzen Null nicht zu einem Investitionsstau bei der Infrastruktur in Deutschland geführt habe. Dobrindt streitet jede Mitschuld der CSU ab und erklärt, die unvorhergesehenen, selbsttätigen Brückenrückbauten seien vielmehr eine gute Gelegenheit, um offener über die Förderung von Flugtaxis zu diskutieren.
Oktober
Der Nobelpreis für Literatur geht überraschend an den Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer. In der Begründung der Jury heißt es, Meyer habe mit nüchtern-magischer Sprachkunst den Zerfall von Gewissheiten und Schicksalen nach dem Ende des real existierenden Sozialismus geschildert und außerdem seit Monaten den Jurymitgliedern immer wieder vor ihren Wohnungen aufgelauert und sie mit abgebrochenen Schnapsflaschen bedroht – die Auszeichnung sei damit unausweichlich geworden. In einer ersten Stellungnahme äußert Meyer in der Bierbar „Gleis 8“ im Leipziger Hauptbahnhof, der Dreckspreis sei schon lange überfällig und er habe das Geld im Grunde auch schon ausgegeben, für zwei neue Rennpferde, eine kommende Scheidung und die Taxifahrt nach Stockholm.
November
Für die Rekordsumme von 1,2 Milliarden US-Dollar wird das Kunstwerk „Invisible Spirit“ des chinesischen Erfolgskünstlers Ai Weiwei bei einer Versteigerung vom Auktionshaus Sotheby’s verkauft. Es handelt sich damit um das teuerste Kunstwerk aller Zeiten. Der Käufer bleibt anonym, doch munkeln Insider von einem finanzstarken Investor aus dem arabischen Raum. „Invisible Spirit“ besticht wie viele Kunstwerke Ai Weiweis durch seine Schlichtheit: Es handelt sich um einen Furz in einer Tüte. Kenner sprechen dennoch vom anspruchsvollsten Werk des Universalkünstlers, das in gewisser Weise die Bilanz seines gesamten Schaffens ziehe.
Dezember
In dem Bemühen, seine sinkenden Popularitätswerte zu verbessern, inszeniert Kriegspräsident Donald Trump einen Arbeitseinsatz in einer Filiale von McDonalds in Washington D.C. Als Trump vor laufenden Fernsehkameras einen selbst gebratenen Burger verzehrt, verschluckt er sich und verendet, da ihm niemand zu Hilfe eilt. Alle anwesenden Zuschauer glauben an eine Scherzeinlage des Präsidenten. Noch am selben Tag übernimmt Vizepräsident J.D. Vance die Amtsgeschäfte und verkündet einer verblüfften Weltöffentlichkeit, er sei insgeheim schon immer ein überzeugter Linker gewesen und habe sich nur ins Amt geschlichen, um nach dem Tod Trumps die Demokratie zu retten, den Klimawandel zu stoppen und den Weltfrieden wiederherzustellen. Die Menschheit blickt zu Silvester vorsichtig optimistisch ins neue Jahr.