Vor einigen Monaten veröffentlichte die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft eine neue Artenliste der Vögel Deutschlands. Überrascht, ja entsetzt reagierten viele Vogelfreunde auf die Entscheidung, der Nachtschwalbe ihren angestammten Namen Ziegenmelker zu nehmen. Doch die Entscheidung war nötig und richtig. Die Wissenschaftler wagten es allerdings nicht, den wahren Grund der Umbenennung zu verraten. Offiziell bezweifelt man die These von Plinius dem Älteren, der in seiner Naturalis historia im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung behauptet hatte, der Vogel caprimulgus ernähre sich, indem er nachts an den Eutern von Ziegen sauge. Das mag stimmen oder auch nicht. Mit der Umbenennung hat es nichts zu tun. Die Nachtschwalbe muss sich an ihren neuen, reizloseren Namen gewöhnen, weil es in Deutschland seit einigen Jahren jemand anderen gibt, der den legitimen Anspruch erworben hat, als Einziger als Ziegenmelker bezeichnet zu werden. Es ist dies Götz Kubitschek, der braune Ritter von Schnellroda, der inzwischen so ziemlich alle Qualitätsjournalisten Deutschlands mindestens einmal auf seinem Gut begrüßt und dabei natürlich auch in den Ziegenstall geführt hat.
Kubitschek ist aber nicht nur Ziegenmelker, sondern nebenbei auch Publizist, Verleger und politischer Aktivist. Seine Zielgruppe sind jene Rechtsintellektuellen, die sich von gewöhnlichen Nazis distinguieren, indem sie Rotwein trinken und Ernst Jünger lesen. Kubitschek ist auch Freund und Einflüsterer von Björn Höcke, dem hessischen Neonazi, der als Gauleiter in Thüringen die AfD aufmischt. Nachdem der rechtsradikale Schläfer Hans-Georg Maaßen als Chef des Verfassungsschutzes abgelöst wurde, wird es für Höcke in jüngster Zeit ein bisschen eng. Der Verfassungsschutz hat plötzlich das rechte Auge aufgemacht und will Höcke überwachen, samt der AfD-Kameraden, die er um sich im sogenannten „Flügel“ versammelt hat. Nun saust aber einigen Polizisten, Soldaten und Richtern die Muffe. Sie möchten zwar an sich schon gern mit der AfD die nationale Revolution in die Wege leiten, wollen aber trotzdem lieber nicht riskieren, als „Rechtsextremisten“ die Posten und Pensionen einzubüßen, die ihnen die BRD-GmbH finanziert. Der Sprecher dieser besorgten Bürger ist Professor Meuthen, der in der Partei ohnehin seit geraumer Zeit die Rolle des „Gemäßigten“ spielt. Er versammelte den Parteivorstand und ließ ihn beschließen, der sogenannte „Flügel“ habe sich aufzulösen, um Schaden von der Partei abzuwenden.
Der Ziegenmelker Kubitschek ist auch Begründer der Zeitschrift Sezession, dem Renommierblatt für Faschisten mit Hochschulabschluss. Auf diesem vertrauten Gelände äußerte sich Björn Höcke zum Beschluss seiner Parteivorsteher:
Ich bin als AfD-Mitglied peinlich berührt. Denn diese Forderung kommt zum falschen Zeitpunkt und unterläuft einen Vorgang, den der »Flügel« längst umsetzt: seine Historisierung. Alle, die ihn aufmerksam beobachten, haben das wahrgenommen.
Höcke schmerzt die Forderung seiner falschen Kameraden, den Flügel aufzulösen, weil dieser Flügel ohnehin gerade dabei war, freiwillig in die Geschichte einzugehen. Hat also der Professor Meuthen einen verzweifelten Mann erschossen, um ihn vom Selbstmord abzuhalten? Was ist das eigentlich, so eine „Historisierung“? Plant Björn Höcke, sich ausstopfen und ins Horrorkabinett eines Dokumentationszentrums für Zeitgeschichte stellen zu lassen?
Wir alle wissen, daß der »Flügel« vor fast genau fünf Jahren mit der »Erfurter Resolution« sein Gründungsdokument vorlegte, um den Einbau der AfD ins Establishment zu verhindern. Jedes AfD-Mitglied konnte diese Resolution unterschreiben, und das taten Tausende. Ohne den »Flügel« wäre die AfD keine Alternative mehr, sondern vielleicht gerade noch eine Art eigenständige WerteUnion, also ein Mehrheitsbeschaffer von Merkels Gnaden. Das hat der »Flügel« verhindert. Seither hat sich die AfD sehr gut entwickelt, und so notwendig unser Impuls vor fünf Jahren war: Nun brauchen wir einen Impuls, der über den Flügel hinausweist und die Einheit der Partei betont.
Der „Flügel“ hat also die AfD unter seine Kontrolle gebracht, sie auf dem Weg nach Rechtsaußen geführt und damit vollständig gesiegt. Wenn der Teil das Ganze geschluckt hat, gibt’s für ihn keinen Grund mehr, sich noch bescheiden zu zeigen und weiter als Fraktion zu präsentieren. Den ganzen Vogel nennt man nicht Flügel – das weiß jeder Ziegenmelker. Steht aber wirklich alles so zum Besten? Offenbar nicht:
Der »Flügel« ist als Netzwerk sehr selbstbewußt aufgetreten. Ich bin aber der Meinung, daß er nicht nur politikfähige, also geeignete Leute angezogen hat. Ich bin kein Freund von Verfilzungen. Ich weiß, daß Parteien zu solchen Verfilzungen neigen. Ich möchte heute wiederum nicht zu denjenigen gehören, die sich durch verknotete Netzwerke daran hindern lassen, an der Stabilisierung der Partei mitzuarbeiten.
Höckes höriges Fußvolk darf sich bedanken: Erst bringen seine Anhänger ihn in die erste Reihe der Macht, nun dürfen sie sich anhören, sie seien doch leider nur Milben im Gefieder des Flügels gewesen. So spricht der Führer zu denen, die er an der Nase herum geführt hat. Ihr habt euch eine Belohnung dafür versprochen, dass ihr mir so treu gedient habt? Nein, meine Guten! Mit solchem Filz mag ich nichts zu tun haben. Ihr seid so klein, dass ihr leider durch die Maschen des Netzwerks purzelt. – Doch, was nun? Gibt’s eine Parteirevolution der Flügelmannen gegen die Verräter an der Spitze?
Nun geht das, worüber wir längst nachdenken, eben schneller. Unsere Arbeit weist über den Flügel hinaus, Andreas Kalbitz, ich selbst und alle anderen politikfähigen »Flügler« werden ihren politischen Kurs im Sinne der AfD weiterführen. Diejenigen aber, die den »Flügel« mißverstanden haben und ihn verfilzen wollten, werden nicht mithalten können – genausowenig wie diejenigen in der Partei und im Bundesvorstand, die auf Kosten ihrer Parteifreunde allzu gute Kontakte zum Establishment suchen.
Das ist die Gelassenheit eines Mannes, der in Jahrtausenden denkt. Wozu sich erregen, wenn man nur zu der Tat gezwungen wird, die man ohnehin plante? Gewiss hat Björn Höcke als Kind eine Leidenschaft fürs Händewaschen und Zähneputzen entwickelt, noch bevor ihm die Eltern die Hygiene einbläuen konnten. Denn der gute Deutsche ist einverstanden, noch bevor er den Befehl gehört hat. – Gemeinsam mit seinem Gesinnungszwilling Andreas Kalbitz hat Björn Höcke gleichzeitig zum Interview in der Sezession eine offiziellen Erklärung für den „Flügel“ veröffentlicht. Darin erklären sie ihre Kapitulation und außerdem sich zum Sieger:
Grundsätzlich kann nicht aufgelöst werden, was formal nicht existiert. Um die Einheit der Partei zu wahren und das Projekt einer politischen Alternative für Deutschland nicht zu gefährden, haben Björn Höcke und Andreas Kalbitz jedoch entschieden, diesem Wunsch nachzukommen.
Nichts Geringeres als das Unmögliche haben Höcke und Kalbitz im Dienste der Partei und der nationalen Revolution also getan: Sie haben aufgelöst, was nie existierte. Ja mehr noch! Sie haben das Nichts sogar historisiert, ein Museum gebaut für das Unerfindliche. Ärgerlicherweise haben in diesem Museum Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Zukunft freien Eintritt.
Der Flügel hat in seinem fünfjährigen Bestehen Wertvolles für die Partei geleistet und insbesondere in den neuen Bundesländern maßgeblich zu den fulminanten Wahlerfolgen der AfD beigetragen, der in den alten Bundesländern unerreicht ist. Der Flügel ist aber wie die AfD kein Selbstzweck, sondern hat immer nur im Dienst der Sache gestanden. […] Die Auflösung des Flügels ist ein Signal an alle wirklich konstruktiven Kräfte in der Partei: Eigene Strukturen, die in den letzten Jahren entstanden sind, dürfen den innerparteilichen Zusammenhalt nicht behindern.
Wer dieser Logik nicht folgen kann, dem fehlt vermutlich einfach der deutsche Geist: Unsere Partei in der Partei war eine Partei in der Partei zum Nutzen der Partei. Weil sie so erfolgreich war, lösen wir die Partei in der Partei nun auf, um der Partei noch mehr zu helfen. Wir erwarten aber, dass alle scheußlichen Versuche, der Partei mit einer Partei in der Partei zu schaden, unterlassen werden. Denn Parteien in der Partei sind für die Partei von Übel.
Dass der Schritt zur „Auflösung“ nun – auch in der Entscheidung des Bundesvorstandes von außen beschleunigt – schneller als gedacht erfolgt, liegt auch an der allgemeinen Anspannung und Nervosität, die im Zuge der maßlosen medialen Diffamierungen und des VS-Drucks entstanden sind. Damit wir die infamen Angriffe von außen überstehen, brauchen wir starke Nerven und einen kräftigen Zusammenhalt, der auch mit der Beendigung der Aktivitäten des Flügels fortbesteht. Jede Organisationsform kann nur Mittel zum Zweck sein. Der politische Einsatz geht weiter und fordert unsere ganze Kraft.
Die Botschaft ist klar: Es gibt uns nicht mehr, aber wir halten zusammen. Wir hielten ja auch schon zusammen, als es uns nicht gab. Wenn auch unsere Aktivitäten enden, unseren Einsatz führen wir fort! Oder war es umgekehrt? Wie auch immer: Unsere Zukunft heißt Historisierung! Wir schreiten voran in die Geschichte. Hat denn nicht auch Götz Kubitschek schon vor Jahren verkündet, Deutschland brauche dringend ein „neues 1933“? Was sagt er eigentlich zum gestutzten Flügel?
Der Flügel der AfD „rechtsextremistisch“, seine Beziehung zu uns auch irgendwie ein Beleg? Solche Einstufungen sind kein Schock mehr, denn wir wissen, daß der Verfassungsschutz keiner ist. Ihm kommt in unseren politischen Herrschaftsverhältnissen die Rolle zu, dem Delinquenten die Bestecke zu zeigen, und Delinquent ist, wer Erbhöfe attackiert. Ist denn nicht die AfD, sind denn nicht unsere Projekte zuallererst Schläge gegen die Selbstsicherheit und Selbstherrlichkeit von Erbhöfen? Schläge gegen Beutemacher, die dachten, daß es ewig so weitergehe mit einem lahmarschigen Hin- und Hergeschiebe, einer Simulation von Regierung und Opposition, einem versteckten Proporz, einer verantwortungslosen Alternativlosigkeit?
Ist der Ton auch so souverän wie immer, er kann doch eine leise zitternde Angst nicht ganz überspielen. Welch Enttäuschung, dass der Verfassungsschutz, früher Heimat treuer Verbündeter, plötzlich sein Besteck auspackt – und dies nicht mehr zur Bewirtung! Der Schock scheint das Hirn des braven Soldaten Kubitschek ein wenig verwirrt zu haben. Wieso wütet sonst ein traditionsbewusster Landwirt plötzlich gegen Erbhöfe? Warum ist einer, der den Kampf ums Dasein liebt, persönlich böse, dass sich die Feinde nun endlich auch bisschen wehren? Er hatte sich das kommende Reich schon so schön ausgemalt. Neuer Wappenvogel sollte der Ziegenmelker werden. Nun wird daraus wohl doch nichts. Denn die Kameraden, die eben noch in den Heldentod stürzen wollten, verbarrikadieren sich schon beim ersten Schreck hinterm Grundgesetz. Und Kubitschek bleibt auch nur das Übliche: als Schreibtischkrieger die Feigheit der anderen mit überlegener Häme kommentieren. Deutschland vor dem Umsturz? Nö. Lieb Vaterland, magst ruhig sein!