Termine der Woche

Am Montag (30. November) veranstaltet der Verein Projekt 21 II, ein Bündnis zum Schutz der Demokratie, in Dresden ein Symposion zum Thema „Sprache und Politik“. Die Tagung beginnt um 14 Uhr. Ich lese ab 16:30 Uhr einige Texte, die sich mit der Sprache der PEGIDA-Bewegung befassen. Das Ganze findet in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung statt.

Am Donnerstag (3. Dezember) moderiere ich wieder gemeinsam mit Stefan Seyfarth den Dresdner livelyriX Poetry Slam in der scheune. Mit dabei im Dichterwettstreit sind diesmal Sandra da Vina, Piet Weber, Karsten Lampe u.v.m. Tickets gibt es im Vorverkauf oder an der Abendkasse. Der Einlass beginnt um 19 Uhr, los geht es um 20 Uhr.

Aus meiner Fanpost (13): Ich werde entlarvt

Hallo Michael,
Deine Kollumne über den neuen Fschismus ist genauso dümmlich wie Deine Faschokeule gegenüber „Globalisierungsgegner“ und Völker die ihre eigene Souveränität wieder haben wollen.
Tu nicht so als hättest Du die Weisheit mit Löffeln gegessen, sondern halte Dich bitte nicht für Klug gegnug diese Erscheinung volksgerecht zu beurteilen.
Denn noch nie war dieses Volk so gespalten wie jetzt. – Dank der NWO-Propaganda. Gemäß diesem genannten Artikel ist nämlich hier von Weisheit nichts zu erkennen, sondern propagandistsische Globalisierungsdreck nach CDU und Medien-Stream. Wenn NWO Dein Konzept ist bist Du der Weltfaschist und Freiheitsmörder und nicht jene Menschen, die ihre eigene Freiheit und Selbstbestimmung zurück haben wollen. Selbst dann wenn sie nach „deutscher Lebenskultur“ gelebt werden will.
Du willst einen Weltfaschismus (Diktatur) und arbeitest für Medien die von sogen. „Ratten“ gesteuert sind um uns den Mund zu knebeln?! – Pfui.
Ließ mal das Buch von Ulfkotte – Gekaufte Journalisten.

Zitat des Monats November

los bittner du willst persöndlich werden in deinem journalistischen manifest. komm in die schweiz da gibt es eine istitution namens exit. für so absolute vollidioten wie dich.

Nachricht eines Anhängers von „Ken Jebsen“ zum Thema Euthanasie

Termine der Woche

Nur einen Termin gibt es in dieser Woche, dafür aber einen besonders schönen: Am Donnerstag (19. November) kehrt unsere Dresdner Lesebühne Sax Royal in die scheune zurück. Neue Geschichten und Gedichte lesen mit mir die Stammautoren Roman Israel, Max Rademann und Stefan Seyfarth. Außerdem begrüßen wir diesmal einen besonderen Gast: Wir freuen uns auf den Poeten Daniel Hoth von der Berliner Lesebühne Couchpoetos. Dank der Unterstützung der Aktion Mensch übersetzen Dolmetscher vom Netzwerk vigevo die Texte bei der Lesebühne wieder für Gehörlose live in Gebärdensprache. Karten gibt es im Vorverkauf oder ab 19:30 Uhr an der Abendkasse. Los geht es um 20 Uhr.

Termine der Woche

Am Montag (9. November) wird der von Heiko Werning und Volker Surmann herausgegebene Band „Ist das jetzt Satire oder was?“ (Satyr Verlag) im Berliner taz-Café vorgestellt. Ich darf als einer der Beiträger des Buches mitlesen. Los geht es um 19 Uhr.

Am selbigen Montag (9. November) eile ich dann hinüber ins Kaffee Burger, wo ich in der von Sarah Bosetti und Daniel Hoth moderierten Reihe „Peace, Love & Poetry“ lese. Los geht es dort um 21 Uhr.

Am Donnerstag (12. November) moderiere ich gemeinsam mit Stefan Seyfarth den Dresdner livelyriX Poetry Slam in der scheune. Mit dabei sind diesmal Tanasgol Sabbagh, Jesko Habert, Kaleb Erdmann u.v.m. Der Dichterwettkampf beginnt um 20 Uhr.

Am Freitag (13. November) lese ich mit den Kollegen Udo Tiffert und Max Rademann wieder als Lesebühne Grubenhund im schönen Görlitz. Neue Geschichten und Gedichte gibt es nicht nur von uns Stammautoren, sondern auch von einem besonderen Gast: Wir freuen uns auf den Dresdner Poeten Stefan Seyfarth. Los geht es um 19:30 Uhr im Kino Camillo.

Am Sonntag (15. November) bin ich schließlich als Gastautor bei der traditionsreichen Reformbühne Heim & Welt in Berlin. Die Stammautoren sind: Ahne, Uli Hannemann, Jakob Hein, Falko Hennig, Heiko Werning und Jürgen Witte. Die Lesebühne findet in der aussichtsreichen Panorama-Lounge im Haus Berlin (Strausberger Platz 1) statt. Los geht es um 20:15 Uhr.

Micha’s Lebenshilfe (38)

Wenn man auf einer Bühne eine gute Viertelstunde an einem Mikrofon steht, sollte man darauf achten, dabei keine unnatürliche Körperhaltung einzunehmen, weil man sonst nach dem Abgang möglicherweise von einem Beinkrampf geschüttelt wird, humpelnd zu seinem Platz zurückkehrt und dort zum ersten Mal im Leben mit Recht den Satz aussprechen darf: Ich habe mich verstanden.

Nazis rufen „Nazis raus!“ – Die faschistische Verdrehung der Wahrheit

Der Schriftsteller Akif Pirinçci hat in seiner PEGIDA-Rede am 19. Oktober 2015 gemutmaßt, deutsche Politiker hätten den Wunsch, patriotische Deutsche in Konzentrationslagern zu internieren. Viele Medien gaben seine Äußerungen sinnentstellend verkürzt so wieder, als hätte er gefordert, die Konzentrationslager – etwa für Flüchtlinge – wieder zu öffnen. Diese Falschdarstellung wurde inzwischen zurecht kritisiert. Aber natürlich hatte der Autor Pirinçci dieses Missverständnis einkalkuliert und die beim Wort „KZ“ grölenden Nazis im Publikum verstanden ihn wohl doch nicht ganz falsch. Interessanter ist aber die Frage: Was steckt hinter dieser Taktik der neuen Rechten, ihre Gegner als Nazis zu denunzieren? Wieso bezeichnete Pirinçci deutsche Politiker als „Gauleiter gegen das eigene Volk“? Wieso setzt Lutz Bachmann den Bundesjustizminister Heiko Maas mit dem nationalsozialistischen Propagandaminister Joseph Goebbels gleich? Wieso wird von Nazis in letzter Zeit so häufig „Nazis raus!“ in Richtung der Gegendemonstranten skandiert?

Es ist nichts Neues, dass radikale Rechte sich Taktiken und Symbole von radikalen Linken aneignen. Die deutschen Rechten verfügten über keine eigene rebellische Tradition, sie waren immer brav und gehorsam, als mit der Novemberrevolution 1918/1919 plötzlich die Demokratie über sie hereinbrach. Nun mussten sie revolutionär werden, wussten aber nicht, wie das geht. Also stahlen sie die Formen der linken Opposition und prägten sie zum nationalen Widerstand um. Nichts anderes passiert heute wieder. Die „autonomen Nationalisten“ tragen Schwarz, wickeln sich Palästinensertücher um den Nacken und reden vom Widerstand gegen den Kapitalismus, wenn sie ans Totschlagen der Juden denken. Auch die neofaschistische Bewegung PEGIDA hat inzwischen viele Strategien der Linken gestohlen und pervertiert: Die Montagsdemonstrationen 1989/90 richteten sich gegen eine Diktatur, nun richten sie sich gegen die Demokratie. Die Sitzblockaden, die früher in Dresden gegen Naziaufmärsche zum 13. Februar stattfanden, werden jetzt von besorgten Bürgern vor geplanten Flüchtlingsheimen nachgespielt. Die Lichterketten gegen Rassismus werden zu patriotischen Menschenketten, die als „lebende Grenze“ Deutschland symbolisch abschotten.

Zu dieser wohlbekannten Taktik der Enteignung gehört die Taktik der Umkehrung der Wahrheit. Auch sie ist nicht neu. Wenn Rechte ihre Gegner als „anti-deutsche Rassisten“, als „Linksfaschisten“ oder gleich als „Nazis“ verunglimpfen, dann verfolgen sie damit zwei Ziele. Zum einen sollen die Begriffe entwertet werden. Dies ist schon einigermaßen gelungen. „Rassist“, „Faschist“ und „Nazi“ sind heute bereits Allerweltsbeleidigungen, die jeder gegen jeden gebraucht, sodass die wirklichen Rassisten, Faschisten und Nazis sich um solche Vorwürfe kaum mehr kümmern müssen. Es dauert gewiss nicht mehr lange, bis die ersten Demonstranten bei PEGIDA Transparente mit Aufschriften wie „Rassist und Spaß dabei“ oder „Nazi? Na und?“ zeigen werden. Die Umwertung der Begriffe macht jedenfalls atemberaubende Fortschritte: Als „Nazi-Keule“ gilt heute schon nicht mehr der Baseballschläger in der Hand eines Rechtsextremisten, sondern die antifaschistische Kritik am Nationalsozialismus der Gegenwart.

Aber die Pervertierung der Wahrheit hat noch einen zweiten Zweck. Damit er guten Gewissens prügeln und morden kann, muss der Faschist, der doch auch immer weinerlicher Spießbürger bleibt, sich selbst zum Opfer und seine Opfer zu Tätern machen. Der Angriff muss zur Selbstverteidigung stilisiert werden. Dies gelingt durch die Verdrehung der Tatsachen: Der Bedroher wird zum Bedrohten, die Bedrohten zur Bedrohung. Gibt es hierfür auch historische Beispiele? Es gibt sie. Und wir nennen sie in der fröhlichen Zuversicht, in Bälde den Ruf „Nazi-Keule!“ aus dem Mund von Nazis erschallen zu hören.

Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.

Mit diesem Worten kündigte Adolf Hitler in einer Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1939 den Völkermord an den europäischen Juden an. Bemerkenswert ist auch hier die Verdrehung der Wahrheit, die Vertauschung von Täter und Opfer. In seiner infamen Lüge verriet Hitler doch zugleich auch die Wahrheit: Indem er vorgab, die Deutschen vor einer Vernichtung durch das Judentum schützen zu wollen, kündigte er die Vernichtung der Juden durch die Deutschen an. Ganz dementsprechend rechtfertigte Heinrich Himmler in seiner berüchtigten Posener Rede am 4.10.1943 die laufende Ermordung der Juden in den Vernichtungslagern:

Wir haben das moralische Recht, wir haben die Pflicht unserem Volk gegenüber, das zu tun, dieses Volk, das uns umbringen wollte, umzubringen.

Wenn die Faschisten von heute sich wieder durch Antifaschisten, Zuwanderer oder Muslime bedroht wähnen, so wissen wir, was das zu bedeuten hat. Wir sollten die neuen Faschisten stoppen, bevor aus der Verdrehung der Wahrheit in der Sprache wieder Terror in der Wirklichkeit wird.

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Nachtrag – aus einem Bericht über die PEGIDA-Demonstration am 9. November 2015:

Nach dem „Montagsspaziergang“ sprach Tatjana Festerling auf dem Theaterplatz, die gescheiterte OB-Kandidatin der Pegidisten. Sie bezeichnete Linke und Vertreter der Antifa als Nazis und heimste Beifall ein, als sie ihnen angesichts des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht einen Hitlerkult vorwarf und riet, eine Therapie zu machen. „Ihr baut den faschistischen Terror wieder von vorne auf“, warf Festerling ihnen vor. „Wir wollen euren kranken, faschistischen Nazigesinnungsterror nicht mehr“. (DNN)

PEGIDA von Innen. Die Chronik „Spaziergänge über den Horizont“ von Sebastian Hennig

Ein „streitbarer Verriß“ könnte den Verkauf seines Buches „befördern“, schreibt Sebastian Hennig hoffnungsfroh am Ende seiner PEGIDA-Chronik Spaziergänge über den Horizont. Hat mich der mir bislang unbekannte Künstler und Journalist aus Radebeul deshalb in der letzten Zeit mit so vielen Kommentaren und Nachrichten behelligt? Schickt mir deswegen der Arnshaugk Verlag unverlangt ein Exemplar seines Buches? Man merkt die Absicht und man ist verstimmt. Meine Laune bessert sich auch nicht, als ich im Verlagsprogramm blättere. Sebastian Hennig teilt sich die Heimat unter anderem mit Gottfried Feder, dem antisemitischen Vordenker der Wirtschaftspolitik der NSDAP. Überhaupt scheint der Verlag sich besonders dem esoterischen Ökonationalismus zu widmen. Dazu passt auch die Vorrede von Hennigs Buch, in der ein gewisser Michael Beleites für nachhaltige Rassentrennung wirbt und sich die Kritik an der „parasitären Finanzwirtschaft“ auch nicht durch Übereinstimmungen mit dem Nationalsozialismus verderben lassen will. Was für ein rechter Sektierer mag das sein, frage ich mich und entdecke dank Wikipedia: Der Mann war mal zehn Jahre lang Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. In Sachsen ist wirklich nichts unmöglich.

Genug gute Gründe also, das Buch ungelesen wieder dem Kreislauf der Natur zuzuführen. Doch macht die etwas kryptische Nachricht im Vorwort stutzig, Sebastian Hennig sei „jemand, der sich im Erwachsenenalter nach reiflicher Überlegung in die Traditionslinie des Islam hineingestellt“ habe – der nun aber auch schon ein Jahr mit PEGIDA demonstriere. Ein muslimischer Deutscher, der gegen die Islamisierung Europas protestiert? Angesichts solch tragischer Verstrickung wurde ich dann doch neugierig. Und die Lektüre lohnte sich. Sebastian Hennig ist ein kluger und gebildeter Mann, der einen gepflegten Stil nicht ohne Witz schreibt. Das Buch schildert chronologisch nahezu alle PEGIDA-Aktionen des vergangenen Jahres. Vor allem aber bietet der Band einen bemerkenswert ungeschönten Einblick in die Gedankenwelt eines intellektuellen PEGIDA-Anhängers, wie er so bislang wohl noch nirgends zu finden war.

Was sucht ein intelligenter Mensch bei PEGIDA? Sebastian Hennig bekennt es ganz offen: Ihn treibt die alte deutsche Sehnsucht nach der „Volksgemeinschaft“. Die Korruption widert ihn an und der ewige Streit der Interessen und Meinungen, welcher der bürgerlichen Demokratie oft ein so hässliches Antlitz gibt. Er sehnt sich nach Einheitlichkeit und Harmonie: „Das Volk als Ganzes ist schön.“ In PEGIDA erblickt er die ersehnte Volksgemeinschaft im Kleinen bereits verwirklicht: Die Bewegung ist ihm ein „Querschnitt der Gesellschaft, der tatsächlich am treffendsten als Volk beschrieben ist“. Verglichen damit erscheint die real existierende Bundesrepublik als Schreckbild: eine Diktatur, in der ein „Gesinnungsterror“ herrsche, der alles bisher Dagewesene übertreffe. PEGIDA aber wird, so hofft Sebastian Hennig, diese herrschende Diktatur stürzen: „Pegida bedeutet die Götzendämmerung der Demokratur und ist selbst so demokratisch wie es nur geht.“ Vorbild für PEGIDA ist daher die Revolution von 1989, in der ein solcher Umsturz schon einmal gelang. Es gibt nur den kleinen Unterschied, dass die Revolution diesmal nicht mit dem Fall, sondern mit dem Bau einer Mauer beginnt: „Orbán will Ungarn mit einer Mauer schützen. Dort, wo 1989 die Mauer gefallen ist, von dort kommt wohl auch dieses Mal die unkonventionelle Lösung.“

Eine Volksgemeinschaft braucht natürlich einen Anführer, in dem sie sich leibhaftig verkörpern kann. Wer passte besser in diese Rolle als Lutz Bachmann, der Gründer von PEGIDA? „In Bachmanns Worten […] artikuliert sich die Volksseele selbst.“ Das Buch von Sebastian Hennig ist Zeugnis eines nahezu sakralen Führerkultes. Lutz Bachmann ist ein „unternehmungslustiger Kopf“,  ein „volkstümlicher Agitator“, ein „absoluter Werbeprofi“, ein „schlauer Fuchs“ und ein „Bürgerrechtler“, der schleunigst „einen Demokratiepreis“ bekommen sollte. Mehr noch: „Lutz Bachmann ist ein glänzendes Beispiel für erfolgreiche Resozialisierung.“ Und zur Krönung: „Er allein hat Eigenschaften bewiesen, die so selten sind wie roter Schwefel: Ausdauer, Treue und Zuverlässigkeit.“

Bis hierher erzählt uns Sebastian Hennigs Buch nichts, was wir in den Reden bei PEGIDA nicht schon bis zur Ermüdung gehört hätten. Interessant wird es, wenn er offenbart, wie zerrissen die angeblich so harmonische Volksbewegung tatsächlich ist. Beim Auftritt von Geert Wilders zeigt sich, wie fremd Islamfeinde und Israelhasser in der Querfront eigentlich nebeneinander stehen. Wo die Sympathien von Sebastian Hennig liegen, lassen irritierende Äußerungen über den „Israel-Michi“ Stürzenberger, über „jüdisch-zionistische Rezepte“ eines ägyptischen Christen und die „Propagandisten Goldhagen und Spielberg“ leider erahnen. Aber noch weitere Gegensätze der PEGIDA-Bewegung legt Hennig offen:

Es spazieren dort korrekte Muslime neben frommen Christen, Agnostikern und sektiererischen Atheisten, welche sich auf „die Wissenschaft“ berufen wie auf die Wundmale Jesu. Der Wagnerianer neben dem Reggae-Fan, die Ultras von Dynamo Dresden neben denen von Lok Leipzig. Der Mann aus Kamerun steht neben einem Türsteher im White-Pride-Shirt. Es gibt jene, die durch die Verfolgungserfahrung in der DDR kompromißlos antirussisch eingestellt sind und die USA als Garanten der freien Gesellschaft ansehen, und jene, die Fahnen tragen, auf denen die deutsche und die russische Trikolore diagonal zusammenstehen und die begeistert „Ami go home!“ rufen.

Ist aber dann die erträumte Volkseinheit von PEGIDA nicht nur eine Illusion? Wurde diese schöne Illusion nicht vor allem durch die ästhetische Inszenierung geschaffen? Durch die gemeinsamen Sprechchöre, den Zauber der Fahnen und Lichter, die gleichgerichtete Masse der Marschierenden? Fiele diese Einheit nicht sofort auseinander, wenn sie wirklich an die Macht käme und politische Entscheidungen treffen müsste? Fällt sie nicht jetzt schon jedes Mal auseinander, sobald PEGIDA-Anhänger anfangen, ernsthaft miteinander zu diskutieren? Ist es nicht inzwischen hauptsächlich der äußere Feind, der den Rest der Bewegung noch zusammenhält? Sebastian Hennig erzählt eine aufschlussreiche Anekdote:

Auf dem letzten Stück der Wilsdruffer Straße laufe ich hinter einem Plakat mit der Aufschrift „ISLAM = Karzinom“. Einen Augenblick überlege ich die regelmäßig verkündete Weisung, daß jeder ein Ordner sei und auf seinen Nebenmann aufzupassen habe, gegen dieses unsinnige Plakat in Anspruch zu nehmen. Dann fällt mir aber ein, daß wenige Tage zuvor der berühmte Trompetenvirtuose Ludwig Güttler im Mitteldeutschen Rundfunk Pegida als ein Ekzem auf dem Gesicht der Stadt bezeichnet hatte. Unter diesem Gesichtspunkt sind diese selbsternannten Hautärzte dem laienhaften Onkologen nichts schuldig geblieben.

Ein Muslim spaziert einträchtig mit einem Menschen zusammen, dessen Ziel es ist, den Islam auszurotten wie eine Krankheit. Er wagt es nicht einmal, den anderen freundlich zu kritisieren, weil das den Burgfrieden der Bewegung im Kampf gegen den äußeren Feind gefährden könnte. Die Absurdität der Ideologie von der Volksgemeinschaft könnte kaum besser veranschaulicht werden. Aber Sebastian Hennig weiß um diese Absurdität und springt beherzt in sie hinein:

Doch hinsichtlich Pegida gilt für mich seit langem schon das „Credo quia absurdum“ des Augustinus.

Hennig glaubt an PEGIDA, eben weil es unvernünftig ist. Gegen eine solche Weltanschuung ist rationale Kritik machtlos. Hennig freut sich darüber, dass PEGIDA „keine Energie auf die Festlegung konkreter Nahziele verschwendet“ hat, also richtungslos als „selbstgenügsames Vergnügen“ im Kreis marschiert. Die gefühlte Wahrheit ist gegen Kritik sowieso immun: „Man läßt sich nicht mit Silbenstechereien die empfundenen Tatsachen vernebeln.“ Hennig schreibt: „Der Wahn macht blind für die Wirklichkeit.“ Aber er spricht nicht etwa über sich selbst, sondern natürlich über die Gegner.

Es sind die Feinde, die lügen, die pöbeln, die Gewalt ausüben. Unflätigkeiten bei PEGIDA sind für Hennig bedauerliche Übertreibungen. Die rohen Hooligans bewundert er für ihre männliche Kraft. Anschläge auf Flüchtlingsheime und Politiker werden gar nicht erst erwähnt. Er hat auch „noch nie in [s]einem Leben außerhalb der Kinoleinwand einen echten Nazi erblickt“ und glaubt daher, „daß es die gar nicht gibt.“ Doch man muss Hennig immerhin dafür loben, dass er Gegner nicht einfach als „links-versifft“ abtun will, sogar versucht, mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Er bedauert die Spaltung der Gesellschaft, die durch PEGIDA offenbar geworden ist. Den Versuch, die Motive der Gegner zu verstehen, unternimmt er allerdings nirgends. Wozu auch? Es ist ja klar: Sie sind naiv oder werden vom Staat bezahlt.

Was sind nun aber die Motive von Sebastian Hennig? Es ehrt ihn, dass er einräumt, PEGIDA habe ihn aus einer „persönlichen Krise“ gerettet:

Ich will nicht verschweigen, daß ich oft entmutigt umherging, aber auch nicht, was mich heilte und wieder mit Stolz und Lebensmut erfüllte. Das war Pegida.

Hennig scheint unter beruflicher Erfolglosigkeit zu leiden, vielfach schimmert durch den Text Neid auf erfolgreichere Künstler und Autoren. Einmal bezeichnet er PEGIDA als sein „Antidepressivum“. Es verbietet sich für mich, über solche persönlichen Umstände zu spekulieren oder gar zu spotten. Aber dass hier eine fragile Persönlichkeit mit unglücklichem Bewusstsein sich in eine Position der Stärke flüchten will, scheint doch offenkundig: „Es kommt das Gefühl der Unschlagbarkeit durch die pure Masse auf.“

So seltsam es klingen mag: Die Gründe für Sebastian Hennigs Weg zum Islam sind vielleicht dieselben, die ihn zu Lutz Bachmann trieben. Wohl nicht zufällig hält er PEGIDA erstaunlicherweise für das „mitteldeutsche Äquivalent“ zu den ägyptischen „Muslimbrüdern“. Wie er die „Unterwerfung“ verteidigt, die der Islam bedeutet, verteidigt er die Unterwerfung unter die Zwänge der Dresdner Bewegung. Das beherrschende Grundgefühl sicher nicht nur dieses Anhängers von PEGIDA ist die Angst. Sie findet in der politischen Furcht vor der „Preisgabe des Eigenen“ in einem „beliebigen Mischmasch“ der Völker nur einen eher zufälligen Ausdruck. „Ohne Verlust vermischbar ist nur das Wertlose“, schreibt Hennig. Der Kampf um die Bewahrung der nationalen Identität wird so zum Beweis des persönlichen, offenbar unsicher gewordenen Wertes.

Sebastian Hennig hofft, mit seinem Buch die PEGIDA-Bewegung verständlicher zu machen und gleichzeitig zu stärken. Das Erste ist ihm gewiss gelungen. Populärer machen wird er PEGIDA hingegen gerade deswegen nicht. Denn in seiner mutigen Ehrlichkeit eröffnet er einen Blick auf die Schwäche und den Wahn, die dieser ganzen Bewegung eigen sind.

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Sebastian Hennig: PEGIDA. Spaziergänge über den Horizont. Eine Chronik. Mit einem Vorwort von Michael Beleites und Karikaturen von Peter Willweber. Neustadt an der Orla: Arnshaugk Verlag, 2015

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Nur als Nebensächlichkeit sei noch erwähnt, dass auch ich im Buch mein Wirken im Zusammenhang mit PEGIDA gewürdigt finde. Über meinen Beitrag zu einer PEGIDA-Rede des Zeichners Peter „Willy“ Willweber heißt es:

Die Übertretung wird umgehend geahndet. Willy wird von einem selbsternannten Off-Kulturfunktionär angezählt. Michael Bittner wirkt nicht nur in der alimentierten Subkultur, sondern auch in der Lügenpresse. Fast alle öffentlichen Spuren Willyschen Humors werden getilgt. Der scherzt über die „Bittnerschen Säuberungen“. Eine lange Zusammenarbeit endet mit dem Märzheft des „Dresdner“. Obwohl die Redaktion erst zu ihrem Zeichner stand, beugt sie sich nun doch dem wirtschaftlichen Druck.

Ich schwöre, dass ich von „Bittnerschen Säuberungen“, die sich außerhalb meines eigenen Badezimmers abspielen, nichts weiß. Der Wahrheit näher wäre es übrigens gewesen, wenn Sebastian Hennig seinen Lesern nicht verschwiegen hätte, dass der vermeintliche Stalinist in seinem Beitrag die Zeitschrift „Dresdner“ ausdrücklich gebeten hatte, sich nicht vom Zeichner „Willy“ zu trennen, sondern ihn weiter zu beschäftigen.

Termine der Woche

Am Mittwoch (28. Oktober) bin ich zu Gast bei dem freien Sender Pi Radio. Bei der „Berliner Runde“ diskutiere ich über meinen Text PEGIDA und NSDAP – ein Vergleich und über die triste Situation in Sachsen und Deutschland. Die Sendung beginnt um 19 Uhr und kann in Berlin über UKW auf 88,4 MHz oder auch im Netz als Livestream gehört werden.

Am Donnerstag (29. Oktober) lese ich beim livelyriX Best-of-Poetry-Slam in Leipzig. Mit dabei sind auch Meral Ziegler, Stefan Dörsing und Frank Klötgen. Moderator des Abends ist Bleu Broode. Los geht es um 20 Uhr in der Musikalischen Komödie.

Am Sonnabend (31. Oktober) bin ich Gast der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Leipzig. Morgens um 10 Uhr diskutiere ich zum „Politischen Reformationstag“ mit dem Journalisten Michael Kraske und der Politikerin Daniela Kolbe über das Thema „Pressefreiheit in Gefahr?“. Ab 18 Uhr lese ich einige Texte bei der Verleihung des „Demokratie-Preises 2015“ der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Beide Veranstaltungen finden im Rahmen der Konferenz „Integration in der Praxis“ in der Kongresshalle statt.