Lutz Bachmann hat eine Neue. Nachdem ihm seine frühere Mitstreiterin Kathrin Oertel davongelaufen ist, gilt nun eine gewisse Tatjana Festerling als nächste enge Vertraute. Frau Festerling wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als sie nach der von Ausschreitungen begleiteten Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ die rechten Gewalttäter als „schlagkräftig, unerschrocken und aufrecht“ lobte:
Ihr Hooligans, Ihr Bürger, Ihr Steuerzahler dieses Landes, IHR seid die Söhne und Töchter, die Brüder und Schwestern, die Väter und Mütter Deutschlands und Europas! Ich ziehe meinen Hut vor dieser Haltung. HoGeSa – bitte weitermachen!
Die Alternative für Deutschland, deren einfaches Mitglied Tatjana Festerling in Hamburg bis dahin gewesen war, fand an diesen Äußerungen keinen Gefallen und drohte ihr mit Ausschluss, dem sie durch einen Parteiaustritt zuvorkam. Festerling sieht in der AfD nun genau denselben „Volksbetrug“ am Werke wie bei allen anderen Parteien. Diesen Wettlauf nach rechts kann man immerhin amüsant finden: Es wird keinen Gewinner geben, denn ganz am rechten Rand steht immer schon Adolf Hitler und ruft: „Ick bün all hier!“
Im Westen perspektivlos, kam Festerling auf die Idee, im Osten nach einer Zukunft zu suchen. Als Rednerin reiste sie zu zahlreichen GIDA-Kundgebungen und wurde für ihre Tiraden gegen den Islam, gegen linke Gutmenschen, gegen „Volksverräter“ und „Lügenpresse“ umjubelt. Nun hat sie sich von Lutz Bachmann überzeugen lassen, im Namen von PEGIDA für das Amt des Oberbürgermeisters in Dresden zu kandidieren. Bachmann hat auf diese Weise geschickt eine Möglichkeit gefunden, die erwartbare Niederlage auf jemand anderen abzuwälzen. Frau Festerling, im Moment besoffen von ihrem frischen Ruhm, lässt sich das noch blendendere Scheinwerferlicht gefallen.
Frau Festerling mag nicht nur Hooligans und Lutz Bachmann. Ihre auffälligste Leidenschaft ist überhaupt ein starkes Verlangen nach dummen, brutalen Männern. Sie mag es nach eigener Aussage, wenn Männer machen, „was Männer gern tun“. Wahre Männer sind für sie also offenbar solche, die pöbeln, lügen, hetzen, prügeln, stehlen, koksen und sich vor Unterhaltspflichten drücken. Sie ist auch persönlich mit Akif Pirinçci befreundet, der seit seinem Buch Deutschland von Sinnen den Fremdenhassern als „nützlicher Idiot“ (Jörg Sundermeier) dient: Seht ihr, jetzt sagt’s sogar einer von denen selber! Frau Festerling wiederholt nicht nur Pirinçcis Hetze, sondern ahmt auch dessen Stillosigkeit nach. Sie hat damit allerdings einen Fehler begangen: Denn die durchaus intelligente und vergleichsweise eloquente Frau hat damit jeden Anspruch auf Ernsthaftigkeit bereits verspielt. Sie hätte eine führende Stimme im seriösen Teil der neurechten Bewegung werden können. Stattdessen pöbelt sie jetzt gegen „linksversiffte“ Gutmenschen, nennt einen Gegner „linke Filzlaus“, spricht vom „linksgrünen Mist“, erzählt von einem bayrischen „Pfaffen“, der angeblich für Asylbewerber „eine Runde Nutten spendieren“ will, bezeichnet Moslems als „Surensöhne“, fantasiert von grünem „Rudelfick“ in der Schule und so weiter und so fort. Lutz Bachmann und dessen verbliebener Anhängerschaft, einer Melange aus Nazis und völlig verrohten sächsischen Wutbürgern, gefallen solche Sprüche. Anständigen Menschen gefällt so etwas nicht.
Vielleicht gibt es Leser, die Bedenken dagegen haben, dass ich auch über die Persönlichkeit von Frau Festerling spreche und nicht nur über ihre politischen Ansichten? Nun, ich glaube, immer noch weit rücksichtsvoller zu sein als Frau Festerling selbst, die sich beispielsweise nicht schämt, Folgendes über Barack Obama zu schreiben:
Der kleine Hussein Obama wuchs bei seiner alleinerziehenden Mutter auf, die sich mit Nacktaufnahmen über Wasser hielt. Der kenianische Vater hat sich nie gekümmert und soll ein schwieriger Charakter, ein Filou und später ein Trinker gewesen sein. Das klingt nicht nach intaktem Familienleben, eher nach ausgebliebener narzisstischer Sättigung in der Kindheit, die der Präsident jetzt u.a. über großmannsüchtige Politik zu kompensieren sucht.
Frau Festerling ist – so wie der ähnlich veranlagte Dr. Thomas Hartung – Beispiel für eine besondere Gruppe von neurechten Menschenfeinden. Sie sind durchaus intelligent, wenngleich charakterlich stark beschädigt, leben aber in einer geschlossenen Wahnwelt. Wenn ich von Wahn rede, dann möchte ich Frau Festerling nicht als geisteskrank diskreditieren. Ich verstehe unter Wahn eine verzerrte Weltanschauung, die sich durch Vorurteile und Verschwörungsdenken gegen alle widersprechenden Fakten und Meinungen abschottet, die alle Kritiker als verlogene, bezahlte und bösartige Feinde abtut. Frau Festerling selbst ist es, die in ihrem Wahn immer wieder Geisteskrankheiten bei ihren Gegnern diagnostiziert, den Linken „Nazi-Paranoia“ zuschreibt, alle Politiker als „narzisstische Psychopathen“ bezeichnet, ja in ganz Deutschland eine „Freiluftpsychiatrie“ sieht. Man ist versucht, eine der psychologischen Thesen von Tatjana Festerling zur Erklärung ihres eigenen Wahns zu verwenden:
Haben wir es hier etwa mit einem klassischen Fall von Projektion zu tun, also dem psychischen Abwehrmechanismus, bei dem man die eigenen, miesen, bösen Anteile, die man bei sich selber so gar nicht akzeptieren kann, stattdessen in verstärkter Form dem Gegenüber in die Schuhe schiebt?
In der Tat, ich glaube fast, in der Person von Tatjana Festerling könnten wir einen solchen Fall von Projektion vor uns haben. Wir erfahren von ihr, die Anhänger von PEGIDA hätten „den Anstand“ und „die Aufrichtigkeit“ auf ihrer Seite. Es handle sich ausschließlich um „freiheitsliebende, lebenswillige, und vor allem verantwortungsbewusste Menschen“. Bei den Gegnern von PEGIDA hingegen sieht sie „neue Herrenmenschen“, die ihrer Ansicht nach „nicht einmal vor Terroranschlägen zurückschrecken“, „nicht zu argumentativen Auseinandersetzungen fähig“ sind und „die Drecksarbeit für die herrschende Klasse“ erledigen. Das ist tatsächlich exakt die Wahrheit, nur eben als seitenverkehrt projizierter Irrtum.
Es gibt einen Vorwurf, auf den Tatjana Festerling empfindlich reagiert, nämlich die „Nazi- und Rassismuskeule“. Sie möchte bei aller verbalen Härte doch auch gern als normaler Mensch gesehen werden:
Ich bin berufstätige Mutter von zwei erwachsenen Kindern, Ultramarathonläuferin, mit Coaching- und Yoga-Ausbildung, weit gereist und freiheitsliebend. Viele mehrmonatige Auslandsaufenthalte und internationale Freundschaften prägen meinen Erfahrungsschatz. Ich erkläre mich uneingeschränkt solidarisch mit Israel. Niemals hatte ich mit Nazis und Rechtsextremen zu tun – ich lehne diese zutiefst ab.
Ihr Schlachtruf lautet: „Wir sind keine Nazis, wir denken nicht an Nazis!“ Natürlich: Wer noch nie über Rassismus nachgedacht hat, kann natürlich kein Rassist sein. Aber wir wollen fair sein: Ich finde in Tatjana Festerlings Äußerungen, soweit sie mir bekannt sind, keinen Hinweis darauf, dass es sich bei ihr um eine Nationalsozialistin oder eine Judenhasserin handeln würde. Das Problem aber ist: Tatjana Festerling übernimmt – wie viele ihrer neurechten Mitstreiter – die Denkformen des klassischen Antisemitismus für ihre Hasspropaganda gegen den Islam und die Linken. Nur mal nebenbei bemerkt: Für die guten alten Antisemiten gab es den Gegensatz von Islam- und Judenhass gar nicht, weil sie locker Araber und Juden zusammen der minderwertigen semitischen Rasse zuordnen konnten. So schrieb etwa Houston Stewart Chamberlain, einer der wichtigsten Ideengeber Hitlers:
Mit den Arabern, die unsere Existenz lange arg bedrohten, sind wir bis heute noch nicht fertig geworden, und ihre Schöpfung, der Mohammedanismus, bildet ein Hindernis, wie kein zweites, für jeden Fortschritt der Civilisation und hängt in Europa, Asien und Afrika als Damoklesschwert über unserer mühsam aufstrebenden Kultur; in den Juden haben wir eine andere und nicht minder bedrohliche Abart des überall das Edle und Produktive zerfressenden Giftes zu erblicken.
Tatjana Festerling will nicht nur – wie es jeder vernünftige Mensch tut – den militanten Islamismus bekämpfen, sie sieht den Islam überhaupt als Bedrohung. Wie für den Antisemiten im Juden, verkörpert sich für sie im gläubigen Muslim das Böse schlechthin. Es ist konsequent, wenn sie sagt: „Deshalb ist es völliger Stuss zu fabulieren, dass dieser Graben durch Integration überbrückt werden könnte.“ Muss man nicht von antiislamischem Wahn sprechen, wenn Festerlings erste Frage nach dem Absturz des Germanwings-Flugzeugs in den Alpen gewesen ist: „War der Co-Pilot Muslim – ja oder nein?“ Irgendwo im Internet findet sich gewiss der Beweis dafür, dass er einer war. Der größte Alptraum der Nazis waren Juden, die arische Frauen zur „Rassenschande“ verführten. Frau Festerling sieht in muslimischen und afrikanischen Flüchtlingen pauschal „Männer, die ein Problem sind, weil sie Frauen belästigen und möglicherweise vergewaltigen“.
Wie die Fantasie der klassischen Antisemiten der vielfach benachteiligten jüdischen Minderheit eine dämonische Übermacht zuschrieb, so sieht auch Tatjana Festerling die deutsche Mehrheitsgesellschaft einem „Minderheitenterror“ durch die Muslime ausgesetzt. Die „Christenverfolgung“ habe in Deutschland schon begonnen. Unterstützt werden die Muslime dabei natürlich von einer mächtigen Verschwörung, einer „Konspiration aus Politik und Medien“. Aus einer relativ einflusslosen Minderheit wird so durch wahnhafte Imagination ein übermächtiger Feind, gegen den jedes Mittel recht ist. Wie die Nationalsozialisten die Deutschen davon überzeugten, sie hätten die Juden viel zu lange zu milde behandelt und seien dadurch ausgenutzt worden, sagt Tatjana Festerling: „Unser Dilemma ist unsere Gutmütigkeit, unser tief verwurzeltes Vertrauen, dass uns niemand etwas Böses will.“ Wie treffend ausgedrückt! Die Deutschen, sie sind in der Geschichte immer zu gutmütig gewesen. Die Deutschen, sie sind für Frau Festerling überhaupt „höflich, pflichtbewusst, fleißig, ehrlich, pünktlich, gewissenhaft, treu und romantisch“. Eine schöne deutsche Redewendung kennt die Vorzeigedeutsche offenbar nicht: Eigenlob stinkt.
Der Politologe Prof. Werner Patzelt, der anerkanntermaßen weiseste Mensch unter der Sonne, hat in seinen Beiträgen zu PEGIDA immer wieder darauf hingewiesen, dass es die Linken seien, die das Freund-Feind-Denken in die Debatte eingebracht hätten. Ob er schon einmal die Äußerungen von Tatjana Festerling zur Kenntnis genommen hat? Wahrscheinlich nicht, zumindest spricht er nicht über sie. Vielleicht möchte er nicht in die Verlegenheit kommen, PEGIDA einmal laut und deutlich kritisieren zu müssen. Ja, er hat und findet, die Äußerungen „widersprechen aufs Deutlichste dem, was ich selbst für richtig halte„. Tatjana Festerling geht davon aus, dass Europa sich in einem Krieg befinde, PEGIDA „an der Front“ in diesem Kampf stehe, in dem selbst der Humor „eine Waffe“ sei. (Diese Waffe ist bei Frau Festerling allerdings nicht geladen.) Sogar eine Schlachttaktik gibt es schon, es ist die der sogenannten Querfront: „Mit PEGIDA ist nun erstmals eine Möglichkeit entstanden, in der eine selbstbewusste Widerstandsbewegung politisch horizontal angreift.“
PEGIDA ist für Tatjana Festerling nicht einfach eine Partei unter anderen, eine Stimme unter vielen in einer pluralen Gesellschaft. Sie erhebt vielmehr einen Alleinvertretungsanspruch: „Wir sind der Souverän! Wir sind das Volk!“, ruft sie ihren jubelnden Anhängern zu. Wir und niemand sonst? Offenbar. Ihre inzwischen berühmte Vision eines neuerlich geteilten Deutschlands beschließt Frau Festerling damit, jenes Lied der deutschen Nationalmannschaft für ihre Zwecke abzuwandeln, das diese nach ihrem – nicht zuletzt von Einwanderern ermöglichten – Sieg bei der Fußball-WM angestimmt hatte: „So gehen die Linken, die Linken, die gehn so … So gehn die Deutschen, die Deutschen gehen so!“ Für Frau Festerling sind Linke also keine Deutschen, sie werden nach völkischer Art ausgebürgert. Wenn sich eine politische Bewegung zur alleinigen Stimme der ganzen Volksgemeinschaft ernennt und darüber hinaus die „Politiker aller Parteien“ ablösen und allein die Macht übernehmen will, dann verdient eine solche Bewegung den Namen „faschistisch“. Ich glaube fast, da würde mir sogar Prof. Patzelt zustimmen. Ich halte es also mindestens für gerechtfertigt, das Denken von Tatjana Festerling faschistoid zu nennen. Man höre:
Jetzt ist das Maß voll. Die Zeiten ändern sich. Wir lassen uns nicht mehr von Minderheiten terrorisieren. Wir sind uns der Mehrheit, die wir in diesem Land darstellen bewusst. Und euch, Linken und Grünen, werden wir ab jetzt ganz genau auf die Finger schauen. Die Zeiten, in denen ihr die Deutungshoheit für euch beanspruchen und euch in eurer moralischen Überlegenheit sonnen konntet, sind vorbei. Wir sagen euch hier und jetzt den Kampf an!
So wie der Wahn Tatjana Festerling glauben macht, ihre rechte Splittergruppe sei die Mehrheit der deutschen Bevölkerung, so erkennt sie auch nicht das eigene Denken als faschistoid, sondern glaubt im Gegenteil, einen antifaschistischen Kampf auszufechten: „Ihr verlangt von uns, dass wir offenen Auges auf den Abgrund zurasen, schon wieder, nach 80 Jahren?“ 2015 minus 80 gleich 1935. Tatjana Festerling ist es also, die sich gemeinsam mit den Kameraden der NPD gegen einen neuen Hitler stemmt. Man kann den Unfug kaum weiter treiben. Wir haben dieser Frau vielleicht schon zuviel Bedeutung beigemessen, aber in dieser völlig verwirrten und verlotterten Zeit muss man wohl selbst lächerliche Phänomene mit Ernst behandeln.
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Alle in diesem Beitrag verwendeten Zitate stammen aus öffentlichen Äußerungen von Tatjana Festerling (Dresdner Reden vom 9. Februar, 9. März, 30. März und 6. April 2015, Beitrag für Die Weltwoche, Facebook-Postings). Sie sind inhaltlich unverändert und nirgends sinnentstellend verkürzt. Da aber ganz sicher der öde Vorwurf nicht ausbleiben wird, die Zitate wären ja alle „aus dem Zusammenhang gerissen“, empfehle ich zum Abschluss noch einmal Tatjana Festerlings jetzt schon klassisch zu nennende Vision eines neuerlich getrennten Deutschlands. Dem „grünen Reich“ der Gutmenschen und Moslems im Westen stellte sie in einer Rede ein völkisches Ideal-Teutonien im Osten gegenüber. Frau Festerling hat inzwischen erklärt, es habe sich nur um eine satirische Zuspitzung gehandelt. Und natürlich will Frau Festerling nicht wirklich die Mauer wieder aufbauen. Auch sie weiß, dass die Ostzone kein Jahr ohne das Geld überleben könnte, das die Westdeutschen und die in Westdeutschland lebenden Einwanderer erarbeiten. Aber in dieser Rede erscheint bei aller Ironie doch in voller Klarheit die menschenverachtende Weltanschauung und die moralische Verkommenheit von Tatjana Festerling. Wer mit eigenen Ohren den Originalton in Gänze hören möchte, der kann das hier tun: Video von Russia Today.