Aus meiner Fanpost (19): Boris Preckwitz ist beleidigt

Sehr geehrter Herr Bittner,
Sie werden hiermit aufgefordert, Ihren Beitrag „Boris Preckwitz, ein Barde des neuen Faschismus“ unverzüglich von Ihrem Blog und allen weiteren Internetseiten zu entfernen. Der Titel und sämtliche Formulierung, die mir faschistische Absichten unterstellen, sind strafbar nach § 185 Strafgesetzbuch. Die Fristsetzung zum Löschen der Inhalte beträgt 24 Stunden. Anderenfalls wird der Vorgang polizeilich zur Anzeige gebracht. Mit freundlichen Grüßen, Boris Preckwitz

Sehr geehrter Herr Preckwitz,

dass Sie nicht in der Lage sind, auf meine milde Kritik mit Worten zu reagieren, sondern nur mit Drohungen, beweist immerhin Ihr schriftstellerisches Unvermögen. Dass Sie jämmerlicher Feigling jetzt den Staat zu Hilfe rufen, den Sie tapferer Rebell doch eigentlich stürzen wollen, entbehrt nicht der Komik. Meine Antwort auf Ihre Aufforderung lautet jedenfalls: Nö. Ich bin gespannt, wie der Richter Ihre Aufrufe zur Gewalt einschätzen wird.

Mit freundlichen Grüßen, Michael Bittner.

Termine der Woche

Am Dienstag (15. März) lese ich beim Saalslam im zauberhaft überfremdeten Berlin-Neukölln. Los geht der Spaß um 20:30 Uhr im Heimathafen.

Am Mittwoch (16. März) reise ich mal wieder in meine alte Heimat Dresden. In der Motorenhalle des riesa efau bin ich im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Gestatten, Kästner“ mit einer Lesung zu Gast. Unter dem Titel „Briefe aus Dresden – besorgte Bürger sprechen“ lese ich erheiternde, erschütternde, aber auch ermutigende Auszüge aus dem Briefwechsel, den ich seit 2014 mit den Anhängern von PEGIDA führe. Die besorgten Bürger intoniert mein Freund und Kollege Max Rademann. Natürlich gibt es auch für die Zuhörer Gelegenheit, sich ins Gespräch einzubringen und ihre Sorgen zu äußern. Los geht es um 20 Uhr.

Am Sonnabend (19. März) bin ich einer der Autoren beim Kantinenlesen, dem traditionsreichen Gipfeltreffen der Berliner Lesebühnen. Mit dabei sind neben Moderator Dan Richter auch Clint Lukas, Jacinta Nandi und Sven van Thom. Los geht es um 20 Uhr in der Alten Kantine der Kulturbrauerei.

Boris Preckwitz, ein Barde des neuen Faschismus

Was ein rechter Faschismus werden will, das braucht auch Sänger. Gesucht werden Barden, die mit donnerndem Groll den linken Volksfeind verwünschen und mit schepperndem Pathos die Nation preisen. Aber woher bekommt man solche Sänger? Echte Dichter, die Sympathie für den historischen Faschismus empfanden, wie etwa Gottfried Benn, bemerkten meist schnell, dass sie sich verrannt hatten, und kehrten rechtzeitig um. Als Barden des Faschismus blieben danach nur noch all jene mittelmäßigen Kleckser übrig, die den Kuss, den ihnen die Muse aus Ekel hartnäckig verweigerte, stattdessen selbst dem Führer gehorsam auf den Stiefel drückten. Die neuen Faschisten haben nun zwar noch keinen Dichter gefunden, aber immerhin einen, der des Schreibens halbwegs mächtig ist: Boris Preckwitz.

Die Lebenstragik von Boris Preckwitz besteht darin, dass er sich für einen Dichter hält, aber keiner ist. An Intelligenz mangelt es ihm durchaus nicht. Seine frühen Essays wie etwa im Band Spoken Word & Poetry Slam. Kleine Schriften zur Interaktionsästhetik zeigen einen belesenen und theoretisch versierten Autor. In jenen Jahren hatte Preckwitz sein Schicksal mit dem Poetry Slam verknüpft und versuchte, dieser Literaturbewegung eine Poetik zu liefern, um sie zur „Anti-Avantgarde“ zu entwickeln. Bloß kümmerte sich der Poetry Slam herzlich wenig um die Vorschriften von Boris Preckwitz und wuchs stattdessen zu einem Teil der Popkultur heran, der inzwischen vor allem als Talentschmiede des Kabaretts dient. Boris Preckwitz war sauer über diese Missachtung und wandelte sich ganz im Stil der Elche zum schärfsten Kritiker des Poetry Slams. Mit einigen Vorwürfen traf er auch ins Schwarze. Doch Schwächen im Konzept des Poetry Slams lassen sich so einfach entdecken wie Pickel im Gesicht eines Teenagers.

Preckwitz verband mit seiner Kritik recht eigennützige Absichten. Er stieß sich von der Subkultur ab, um bei der Hochkultur zu landen. Er hatte längst begonnen, auch selbst Gedichte zu schreiben, wovon sich aber schlecht leben ließ, weil diese Gedichte niemand kaufen wollte. Für Poeten, die sich in der Literaturszene tummeln, stehen in solcher Lage aber immerhin Preise und Stipendien bereit. Doch gibt es sehr viele Autorinnen und Autoren, die sich so durchs Leben schlagen. Preckwitz suchte nach einer Marktlücke und inszenierte sich als politischer Dichter mit rebellischem Gestus. Ein Alleinstellungsmerkmal hatte er damit zweifellos gefunden: Es mag viele Subventionslyriker geben, aber einer, der in seinen Gedichten die Hand beißt, die ihn in Wirklichkeit füttert – das war neu. Preckwitz beließ es aber dabei nicht.

Ob es Kalkulation oder eine Vollmeise war, die Boris Preckwitz dazu brachte, sich auch noch zum rechten Rand zu bewegen, lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen. In seine Kritik am Poetry Slam schmuggelte er kulturkonservatives Geraune über die „Geistigkeit und Überzeitlichkeit der deutschen Kultur“ und in seine Gedichte Carl-Schmitt-Zitate – ganz zur Zufriedenheit der neuen Rechten. Die Belohnung ließ nicht auf sich warten: Er wurde in die Alternative für Deutschland aufgenommen und zum Stadtschreiber von Dresden ernannt. Wahrlich zwei literarische Ritterschläge ersten Ranges! Der unmittelbare Kontakt mit PEGIDA ließ sodann bei ihm offenbar auch noch die letzten Sicherungen durchbrennen.

Überzeugen kann man sich davon auf Preckwitz‘ literarischem Blog, der – wie es sich für einen Rechtsaußen gehört – Militanz der Mitte heißt. Die veröffentlichten Gedichte sind so schlecht, dass man nicht weiß, ob man weinen oder lachen soll. Die Technik, mit der Boris Preckwitz Lyrik simuliert, ist geradezu peinlich schlicht: Man nehme eine möglichst platte politische Phrase, zerhacke den Satz dann, schreibe die Teile untereinander und quirle die gewöhnliche Wortstellung noch ein bisschen durcheinander. Heinrich Heine erfand für diese Art der Makulatur den schönen Begriff „gereimte Zeitungsartikel“ – allerdings bekommt Preckwitz selbst Reime nur selten hin. Als Beispiel diene das Poem mit dem subtilen Titel Merkel muss weg:

Wir schaffen das,
schwafelte die Kanzlermadame. Sie
hat es geschafft, das Land zu spalten, sie
hat es geschafft, einen Erdteil zu spalten.
Sie – und jene Geister, den sie rief –
haben hier nichts mehr
und gar nichts zu schaffen.

Wir jedenfalls
wollen mit ihr
nichts zu schaffen haben.

Preckwitz‘ Blog ist ein komplett gefüllter Krämerladen für den gewöhnlichen Reichsbürger- und Klemmnazibedarf. Natürlich geht’s oft gegen die „Maulhuren“ der Sudel-Journaille und ihre Lügen, was bei einem Mann, der als PR-Fatzke sein Geld auch schon mal selbst als professioneller Lügner verdiente, doch etwas überrascht. Die Kommunistenfresser und Judenhasser zugleich bedient er mit einem Poem, das die Ermordung der illegal eingewanderten „Galizierin“ Rosa Luxemburg durch „Kolbenhieb an den Kopf“ aufs Schönste begründet. „Huschen Schwule durch die Schule“, beginnt ein Gedicht über grüne Kinderschänder, das mit einer zauberhaften Wortschöpfung endet: „Mal wieder wollen sie die Welt verändern, / jetzt gehen sie vergewaltigendern.“ Gegen die Multikultitrottel wird mit den Waffen der konkreten Poesie im Dauerfeuer geschossen: „frauenhandel aus der vielfalt / drogenhandel aus der vielfalt / falschaussage aus der vielfalt / ladendiebstahl aus der vielfalt / vergewaltigung aus der vielfalt / …“ – und noch sehr, sehr lange immer so weiter. Und den Rassisten erklärt Boris Preckwitz, wer allein schuld an Afrikas Schande hat – natürlich der Neger:

[…] Schwarze sind es,
die immer noch Schwarze
verjagen, vergewaltigen, zerhacken,
Wo immer sie darben
auf Wegen und Wellen,
wo immer sie sterben
in Wäldern und Wüsten,

das Elend Afrikas
ist die Schande des schwarzen Mannes.

Lohnt es sich, hier oder andernorts Preckwitz‘ Gedichten ein vernünftiges Wort zu entgegnen? Hier zum Beispiel, daran zu erinnern, dass es Soldaten des belgischen Königs waren, die Afrikaner zum Spaß zerhackten, und deutsche Krieger, die in Namibia Frauen und Kinder verdursten ließen? Dass noch heute die Konflike in Afrika auch von Interessen des Westens bestimmt werden? Nein, es lohnt sich nicht, vernünftig über Boris Preckwitz‘ Blog zu reden – so wenig, wie es sich lohnt, auf einer Müllhalde zu pflügen und zu säen. Man muss diesen Autor zu jenen intelligenten Leuten zählen, die in der letzten Zeit ihren Verstand und ihren Geschmack völlig verloren haben. Wir müssen ihn wohl abschreiben.

Boris Preckwitz selbst hält sich allerdings für historisch. Im programmatischen Gedicht Militanz der Mitte heißt es mit gebührender Bescheidenheit:

Ich bin die Sprache,
die man in diesem Land
verlernt hat zu sprechen,
und gebe mich als Stimme seiner Freiheit
zu verstehen.

[…]

In den Tagen des Haders
habe ich verachten gelernt,
die Anmaßungen der Landeshasser –
und habe das Linkspack gelernt zu verlachen,
das sich hat pressen lassen
in Argseligkeit und Selbstablehnung,
und kennen nichts anderes mehr als die Sprache der Niedertracht.

Mit denen treibe ich Spass und die gebe ich meinem Spott preis,
deren ganze Verfassung die Angst ist.

[…]

Und das ist der eine Satz,
der das Urteil über sie fällt:

Man regiert einen Staat nicht
als ob einem fremd sei das eigene Land.

Einer, der die deutsche Sprache beherrschte, statt sie verkörpern zu wollen, hätte im letzten Vers seines wichtigsten Gedichtes vielleicht den korrekten Konjunktiv verwendet, der da „wäre“ gewesen wäre. Ich fürchte, dem Spott setzt sich ein Deutscher nur selbst aus, der gerne Undeutsche verspotten will, aber zugleich nicht weiß, wie man „Spaß“ richtig schreibt.

Leider wird Preckwitz nicht einmal bei seinen neurechten Kameraden als Dichter Karriere machen, denn diese schätzen modern geformte Lyrik noch weniger als Lyrik überhaupt. Für die Patridioten müsste er schon röhrende Hirsche vorm Eichenwald dichten – und vielleicht macht er das auch bald. Ins Buch der deutschen Literaturgeschichte wird dieser Autor jedenfalls nur als hässlicher Tintenfleck am rechten Rand einer bräunlich verfärbten Seite eingehen.

Vielleicht will aber Boris Preckwitz gar nicht als Dichter in die Geschichte eingehen, sondern als Terrorist. Enthalten doch seine Gedichte mehr als nur einen Aufruf zur Gewalt: „gewalt, die uns frei macht, ist widerstandsrecht.“ – „Aber schließlich – wenn es darum geht, die Seinen und das Eigene zu schützen, muss man den Krieg führen.“ Für Boris Preckwitz gehören Dichtung und Gewalt wohl zusammen: „So lange Schwert und Stahl bestehen / soll auch das Land / meine Worte sagen und singen.“ Man darf gespannt sein, was aus dieser militanten Mittelmäßigkeit noch wird.

Aus meiner Fanpost (18): Lügenpresse entlarvt

Sehr geehrter Herr S***,

die Redaktion informierte mich, dass Sie geschrieben haben, weil Sie in meiner letzten Kolumne folgenden Satz nicht verstanden hätten: „Aber glücklicherweise zahlen ja die CIA, Angela Merkel und die Weisen von Zion hohe Bestechungsgelder an alle Schreiberlinge, die ihren Anweisungen gehorchen. Ein fairer Deal, wie ich finde!“

Ich dachte eigentlich, der Satz wäre völlig verständlich. Ich erhalte regelmäßig riesige, oft sogar zweistellige Summen von Vertretern der Weltverschwörung. Manchmal wird der Judaslohn aber auch in Form von Briefmarken oder frischem Gemüse ausgezahlt. Im Gegenzug muss ich nur laufend die Unwahrheit schreiben. Das ist manchmal schwierig, aber wozu arbeitet man schließlich für die Lügenpresse? Ich hoffe, Sie wissen nun Bescheid.

Mit freundlichen Grüßen, Michael Bittner

 

Sehr geehrter Herr Bittner,
ist das jetzt Ironie oder echt ? Ich hätte nicht gedacht, daß Sie als als Schreiber für die SZ den Mut aufbringen, von Lügenpresse zu sprechen. Alle Achtung !

Freundliche Grüße
*** S***

Termine der Woche

Am Montag (6. März) findet die zweite Ausgabe der neuen Berliner Lesebühne Zentralkomitee Deluxe statt. Ich lese neue Texte gemeinsam mit den tollen Kollegen Tilman Birr, Noah Klaus, Christian Ritter, Piet Weber und dem Gastautor Karsten Lampe. Los geht es um 20 Uhr im Monarch. Die Türen öffnen sich um 19:30 Uhr, der Eintritt kostet arbeiterfreundliche 5 Euro.

Ausnahmsweise an einem Mittwoch (9. März) kehrt die Dresdner Lesebühne Sax Royal in die scheune zurück. Die komplette Stammbesatzung ist mit an Bord: Mit mir lesen und singen der Dresdner Poet Stefan Seyfarth, Max Rademann, der Sohn des Erzgebirges und beste Kenner der Dresdner Neustadt, der Erzähler und Lyriker Roman Israel sowie der Leipziger Autor und Liedermacher Julius Fischer. Los geht es um 20 Uhr. Einlass ab 19:30 Uhr, Karten gibt es im Vorverkauf oder an der Abendkasse.

Am Freitag (11. März) gibt es eine neue Ausgabe der Görlitzer Lesebühne Grubenhund im Kino Camillo. Mit dabei sind neben mir mit neuen Geschichten wieder Udo Tiffert und Max Rademann. Los geht es wie immer pünktlich um 19:30 Uhr.

Am Sonnabend (12. März) bestreitet die Lesebühne Grubenhund dann noch ein Gastspiel in Glashütte. Udo Tiffert, Max Rademann und ich lesen eine Auswahl unserer schönsten Geschichten in der örtlichen Bibliothek. Los geht es um 18 Uhr.

Termine der Woche

Am Montag (1. Februar) feiert eine neue Berliner Lesebühne ihre Premiere, in der auch ich Flüchtling aus Sachsen nun eine literarische Heimat in der Hauptstadt gefunden habe. Sie heißt Zentralkomitee Deluxe und findet ab sofort immer am 1. Montag des Monats im Monarch am Kottbusser Tor statt. Mit dabei sind die tollen Kollegen Tilman Birr, Noah Klaus, Christian Ritter und Piet Weber sowie bei der Premiere als besondere Gastautorin Zoe Hagen. Die Zuschauer dürfen monatlich neue Texte, Musik und fortschrittliche Komik erwarten. Das Zentralkomitee Deluxe widmet sich den kleinen Freuden und Tücken des Zusammenlebens ebenso wie den großen Fragen des Daseins. Wir werfen einen kritischen Blick auf die politische Gegenwart und sind der Zukunft zugewandt. Die Türen öffnen sich um 19:30, der Eintritt kostet arbeiterfreundliche 5 Euro.

Am Donnerstag (4. Februar) moderiere ich wie immer am ersten Donnerstag des Monats den Dresdner livelyriX Poetry Slam in der scheune – diesmal ausnahmsweise zusammen mit Max Rademann. Der Dichterwettstreit beginnt um 20 Uhr, Einlass ab 19 Uhr. Es empfiehlt sich, Karten im Vorverkauf zu besorgen.

Aus meiner Fanpost (17): Reisepass und Anglerschein

Guten Morgen Herr Bittner!

Regelmäßig lese ich Ihren Blog und fühle mich sehr oft inhaltlich mit dem verbunden, was Sie schreiben. Zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen haben wir eine sehr ähnliche Sichtweise und sollte mir nach vielen ermüdeten Diskussionen einmal die Luft ausgehen, ermutigt es mich wieder einmal etwas von ihnen zu lesen.
In letzter Zeit begegnet mir in den Sozialen Medien oft folgende Aussage von Milos Zeman, die er während einer Ansprache traf: „Falls Sie in einem Land leben, in dem das Fischen ohne Angelschein bestraft wird, jedoch nicht der illegale Grenzübertritt ohne Reisepass, dann haben Sie das Recht zu sagen, dass dieses Land von Idioten regiert wird.“
Wir alle wissen natürlich, was er damit meint und in Anbetracht der aktuellen Flüchtlingssituation, finde ich wiederum diese Aussage ziemlich idiotisch, vor allem weil er einen Zusammenhang herstellt, der so nicht zusammen passt.
Meine Frage ist sicher ungewöhnlich, vielleicht stelle ich sie auch weil ich in keinem Medium bisher einen vernünftigen Kommentar oder Artikel darüber gefunden habe.
Hätten Sie denn nicht Lust und Zeit einen Blogartikel darüber zu schreiben?
Ihre Worte und Ihr Verstand ist scharf und Ihre Argumentation ist immer sehr analytisch und vernünftig.
Es würde mich freuen!

Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen!
Viele Grüße
**** S******

 

Lieber Herr S******,

danke für die freundlichen Worte! Leider leidet mein Blog gerade etwas darunter, dass ich zeitgleich viele andere Dinge zu tun habe. Ich möchte aber wenigstens kurz doch etwas über das Zitat sagen.

Wer das Asylrecht vom Besitz eines Passes abhängig machen will, der sollte es ehrlicherweise gleich ganz abschaffen. Denn Diktatoren haben nun mal die Angewohnheit, politischen Gegnern die Pässe abzunehmen. Und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten werden nicht selten schlicht keine Gelegenheit finden, sich Pässe zu besorgen, weil es keinen funktionierenden Staat mehr gibt, der ihnen welche ausstellen könnte. (Dass es auch Migranten gibt, die ihre Pässe aus Angst vor einer Abschiebung selbst vernichten, ist dabei unbestritten.)

Überhaupt ist das ganze, zurzeit äußerst beliebte Gerede über illegale Einreise nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Die eigentliche Frage lautet: Wollen wir politisch Verfolgten und Bürgerkriegsflüchtlingen Asyl gewähren oder nicht? Ein Staat, der das nicht möchte, kann mit Leichtigkeit seine Gesetze so zurechtformulieren, dass kein Verfolgter und kein Flüchtling mehr legal einreisen kann. Deutschland war es vor der Flüchtlingskrise ja fast gelungen, durch seine Drittstaatenregelung und europäische Richtlinien eine solche Situation zu schaffen. Diese Regeln brachen allerdings in der Krise zusammen und auf neue können sich die europäischen Staaten nicht einigen. Am ehrlichsten wäre es, wenn alle Regierungen ihre Abschottungspolitik in folgendes sehr einfache Gesetz gössen: „§1 Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. §2 Niemand, der es bis an unsere Landesgrenzen schafft, wird politisch verfolgt.“ Man könnte den juristischen Firlefanz aber auch gleich bleiben lassen und ehrlich formulieren: Wir hassen die Armen und wir hassen die Hilflosen. Der Anlick ihres uns fremden Leides widert uns an. Wir wollen sie nicht bei uns haben. Wir werden jedes Mittel nutzen, um sie von uns fernzuhalten. Wir werden die Taten der Kriminellen und Terroristen, die sich unter die Flüchtenden gemischt haben, dazu nutzen, um unsere Bevölkerung gegen alle Flüchtlinge aufzuwiegeln und eine möglichst vollständige Abschottung zu verwirklichen.

Leider sind es nicht nur die Regierungen, die so denken, sondern auch ein großer Teil der Menschen in Europa. In dieser Frage sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Es wird keine „europäische Lösung“ geben. In Kürze werden auch die deutschen und alle anderen Grenzen geschlossen werden. Wenn das Mittelmeer zur abschreckenden Tötung von Flüchtlingen nicht mehr ausreicht, wird man mit Grenztruppen und Internierungslagern nachhelfen. So katastrophal dies für viele Menschen auch sein wird, immerhin ist damit eine Täuschung zerstört. Es zeigt sich dann ganz offen, dass die Europäische Union, so wie sie jetzt ist, keine „Wertegemeinschaft“ ist, sondern eine wertlose Gemeinschaft. Die Nationalisten, die Europa in dieses Scheitern getrieben haben, triumphieren dann zugleich in diesem Scheitern. Kurz gesagt: Ich bin nicht uneingeschränkt optimistisch.

Mit freundlichen Grüßen, Michael Bittner.

Termine der Woche

Am Donnerstag (14. Januar) feiert unsere Dresdner Lesebühne Sax Royal in der scheune ihren 11. Geburtstag – und diese Schnapszahl wird uns ganz gewiss zu literarischen Höchstleistungen motivieren. Mit mir lesen die Stammautoren Julius Fischer, Roman Israel, Max Rademann und Stefan Seyfarth. Zur Feier des Tages gibt es nicht nur neue Geschichten, Gedichte und Lieder, sondern auch einige besondere Überraschungen. Los geht es um 20 Uhr, Einlass ab 19:30 Uhr. Tickets kann man im Vorverkauf erwerben oder auch an der Abendkasse kaufen.

Am Freitag (15. Januar) lese ich wieder gemeinsam mit den wunderbaren Kollegen Max Rademann und Udo Tiffert in Görlitz bei der Lesebühne Grubenhund. Als Gast haben wir uns diesmal die Dresdner Autorin Sabine Dreßler eingeladen. Los geht es um 19:30 Uhr im Kino Camillo.